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Die Stadtverordneten von Leipzig beschlossen am 13. Nov. in Beziehung auf Blums Tod eine Adresse an die Sächsische Regierung um Zurückberufung des Gesandten v. Könneritz, und eine an die Centralgewalt, in welcher strenge Bestrafung der Mitschuldigen an Blums Tode, so wie gewissenhafte Revision der gegen ihn geführten Untersuchung und Mittheilung der betreffenden Akten gefordert wird. — Abends 6 Ubr wurde Volksversammlung in der Tbomaskirche gehalten, bel welcher gegen 10,000 Menschen sich einfanden. Es wurde beschlossen: 1) Die sächsische Regierung um sofortige Zurückberufung und strenge Untersuchung gegen den Gesandten Könneritz zu ersuchen: 2) die Leiche Blums nach Leipzig schaffen zu lassen und eine allgemeineTodtenieier für ihn zu veranstalten; seiner Wittwe Mud binterlaffenen, unmündigen Kindern aus der Staatskasse Unterstützung zu reichen, äußere Trauerzeichen anzulegen. Nun drangen die Radikalen noch unter vielen Schmähungen auf die Cemralgewalk und die Nationalversammlung mit dem unwürdigen Beschlüsse durch, die sächsischen Abgeordneten aufzufordern, die Nationalversammlung ganz zu verlassen. Nachdem die Versammlung geendigt war, zogen Volksmassen vor die Wohnung des öst- reichischen Konsuls, zertrümmerten die Fenster, rissen das östrerchische Wappen herab und zerbrachen es unter wüstem! Jubelgeschrei. Endlich zogen sie vor das Haus eines Kauf- ! manns, der jüngst in einem öffentlichen Blatte Blums ^ Reise nach Wien getadelt hatte, warfen auch diesem die f Fenster ein, bis Generalmarsch geschlagen wurde und die ^ Bürgerwehr die Straßen säuberte. ^
Wien, den 16. Nov. Vorgestern wurden im hiesigen Stadtgraben drei Personen, worunter zwei Ueberläufer vom Militär, erschossen, morgen werden die drei Mörder Latours nebst Messenbauser gehangen. Ob Lezrerer unter dem Galgen begnadigt wird, steht noch dahin. Als gutt- tirter Offizier hatte er die e-dliche Versicherung abgeben müssen, die Waffen nicht gegen östrelchische Truppen zu ergreifen , daher das erschwerte Vergehen die verschärfte Strafe nach sich zog. Der Gemeinderath hat dem Gouverneur Weiden seine Aufwartung gemacht. „Sie haben, meine Herren", sagte ihnen derselbe, „nickt das getban, was Ihnen oblag; sorgen Sie dafür, daß Ruhe und Ordnung sich Herstellen; denn meine Kanonen verstehen keinen Unterschied zwischen den guten und bösen Bürgern der Stadt zu machen." (!) Man versichert, daß General Bein zu Pesth, wohin er sich begeben, meuchlings erstochen worden sey; er war nicht auf der Stelle todt geblieben, lag aber hoffnungslos darnieder. Kossuth hat alle Getreide- und sonstigen Viktualienoorrätbe aus Wieselburg und Raab — angeblich zwei Millionen an Werth — in die Festung Komorn, und seine eigene Familie über Hamburg nach England in Sicherheit bringen lassen. Der Schloßberg in Preßburg und die andern Vertheidigungspunkte der Stadt sind mit Kanonen bespickt; dennoch glaubt man nicht, daß dieselbe im Stande sep, sich zu halten und auch nur ernstlich daran denke. Ungarn zählt jezi 220,000 Mann Waffentragende, worunter 100,000 Mann reguläre Truppen; die Festungen Temeswar und Arad befinden sich in östrei- chischen, dagegen Ofen, Preßburg, Peterwardein in ungarischen Händen. Pesth soll von der Wasserfeste unangreifbar seyn. Die eingetretene trockene Kälte begünstigt die Kriegsoperationen, welche definitiv morgen ihren Anfang nehmen sollen. Die Ausfuhr von grauen, blauen und braunen Tüchern nach Ungarn ist eben so streng als die
Ausfuhr von Waffen verboten. Die östreichische Armee ga
ist so gut mit allem Bedarf versehen, daßJellachick dieser ihi
Tage an di« Militärmontourskommission um schleunige Lie- B
ferung von 22,000 Monteuren schreiben und selbe noch do
am selben Nachmittag erhalten konnte. Dies ist ein ver- H
bürgtes Faktum. Die Gränze beiOedenburg ist nun auch la
für Passagiere, welchen sie bisher offen gestanden, streng de
geschloffen worden. Gestern Abends wurden neuerdings de
drei Civilpersonen erschossen, darunter ein ungarischer 3
Schuhmacher, welcher in einer Vorstadt als Nationalgar- la
dehauptmann gedient hatte. Die Nationalgarde soll bei de
ihrer Reorganisation auf die Zahl von 8000 Mann be- m
schränkt werben. (Sie zählte bisher gegen 50.000 Mann). te
Ge,lern Abends erschien Jellachich im Kärntbner Tbonbea- ui
ler und wurde mit ungeheurem Applaus begrüßt. Die Ab- geordneten Smolka, Bioland, Borrosch, Fischbof und Brest! di sind zu Zeugenaussagen wegen des Mordes Laiours vorgeladen und mit außerordentlicher Artigkeit bicbei beban- ei
best worden. Das Programm des Grafen Stadion soll a
von der Art seyn, daß sich daraus eine Vereinbarung mit L
der Kammer in ihrer jetzigen Zusammensetzung kaum ge- h
wärtigen läßt. Justizhofrath Ghequier wird zum künftigen a Justizmlnister designirt. ck
Aus Wien haben wir Nachrichten vom 16 d., welche
hoffen lassen, daß man den errungenen Sieg von jetzr ab u
mir Mäßigung benützen wird. Der Kaiser soll angeord- rl
net haben, daß die kriegsrechtliche Behandlung der bei dem letzten Wiener Aufstande betheiligten Individuen auf- 0
zuhören habe, und daß ein Jeder derselben der ordent- 2
liehen Kriminaluntersuchung zu übergeben sey. Die meisten 9
Kaufläden sind wieder geöffnet, und viele Kaufleute machen l>
recht hübsche Geschäfte. Jeder der unzähligen Offiziere, 2
von denen so viele noch nie in Wien gewesen, kauft sich i>
irgend etwas, sehr viele cquipiren sich neu und fast alle 2
Gewerbe klagen über Mangel an Händen. — Es werden ! i 0 aber freilich Jahre dazu gehören, um die der Hauptstadt ^ -8 geschlagenen Wunden zu heilen. Die Zahl der Brand- ^ s< statten wird auf 100 angegeben. Die der Arrestanten auf v
1500. — Am 7. sind die auswärtigen Zeitungen zum er- "
stemnale wieder auSgegeben worden, die nun mit Begierde d
gelesen werten. Empörend wird das Benehmen der Bu- ^
reaukratie (namentlich auf der Polizei und Post) geschil- d
dert. Sie ist jetzt unter dem Schutz der Militärherrschaft l
wieder eben so grob geworden, als sie seit dem März krie- ^
chend gewesen war. l
Aus Wien kommen neuerdings nur äußerst dürftige *
Berichte. Selbst dieAllg. Zlg., die dort doch eine Menge >
Korrespondenten hat, enthält nur ganz kurze Briefe. Ei- §
ner derselben schreibt: Es siebt noch sehr traurig hier aus. Kanonen und Soldaten, Soldaten und Kanonen — so lau- ^ 1
tet unsere Tagesordnung. — Oer freie Verkehr mit den i Vorstädten ist endlich nach Ankunft des Gouverneurs Wel- ' den wieder gestattet. — lieber Blums Tbärigkeit bei dem Aufstande, schreibt man aus Wien: Blum hat nicht mehr gekhan, als viele Eingeborene thaten; er hielt in der Aula "
eine Neve, in der er zum Kampf gegen innere und äu- ^
ßcre Feinde aufforoerie, und focht bei dem Sturm auf die Sophienbrücke mit. In den lezien zwei Tagen, am 30. und 31., soll er sich alles tbätlichen Anibeils entoairen ha- l
ben und sprach sich noch insbesondere gegen den Bruch der Kapitulation aus.
Der ungarische Unterstaatssekretär Pulszky, auf den i so strenge gefahndet wurde, ist wirklich glücklich ins un- ch