schlungenen Armen, die vier Vicepräsidenten geleitete die Nationalversammlung in feierlicher Procession durch die Spaliere der Bürgerwehr. Em unermeßlicher donnernder Beifallsruf des Volks erhob sich ans vielen tausend Kehlen und die Bürgerwehr geleitete die Versammlung bis vor das Lokal des Kommandos der Bürgerwehr, wo der Präsident der Versammlung für den gewährten Schutz dankte.
Da die Regierung das bisherige Sihungshaus der Nationalversammlung hatte militärisch besehen lassen, so versammelten sich die Abgeordneten den I I. im Hotel de Rnssse. Es wurde ein Protokoll über diese Besetzung ausgenommen, worauf der Präsident erklärt, daß die Schützengilde der Versammlung ihr Lokal Habs anbieten lasse». Der Namensausiuf ergab die Anwesenheit von 242 Mitgliedern. Auf Antrag von WachSmuih wird ein Protest gegen die Verdrängung derBürgerwehr durch militärische Gewalt aus dem Sitzungssaal der Nationalversammlung, wie solches gestern geschehen, einstimmig beschlossen. Es wird eine Sitzung auf Nachmittag 3 Uhr im Schützen- Haus beschlossen. Auch die Stadtverordneten haben der Versammlung ihr Lokal anzeboten. — Die Nationalversammlung hat einen Akt großartigen EdelmuthS begangen. Als sich nämlich die Abgeordneten am 1l. früh zu gemeinsamer Besprechung in einem dem Schauspielhause nahegelegenen Lokale versammelt hatten, wurde auf einmal ein Mann, ein sogenannter Kavalier, verwirrt und todccnblaß eingeführt. Der Adg. D'Ester zeigte an, daß ein Mann dem Schutz der Versammlung anvertrauk würde, den diese zwar schützen, aber nicht an der Eeralhung Theil n hmen lassen möge, es sey der Baron T r o n ch e n. Er wurde sofort in ein Nebenzimmer geführt. Er hatte zu dem draußen versammelten Volke sich geäußert: Die Schweine- kuote da drin sollte man eigentlich rodtschlagen! Das Volk drohte ihn zu zerreißen und nur der Schuh Derer, die er so bezeichnet, konnte ihn rcrien. - Von einem der Ge- hülfen der Staatsanwaltschaft ist bei dieser der Antrag gestellt worden, die Anklage auf Hochverrath gegen den Minister Graf Brandenburg zu erheben. Der Antrag ist jedoch zurückgewiesen worden. — Der ehemalige Präsident Grabow ist aus Prenzlau in Berlin eiligen offen und hat sich vollkommen einverstanden mit den Beschlüssen der Majorität der Nationalversammlung erklärt; er reiste sofort zum Könige. Ihn betrachtet man als den geeignetsten Mann, der eine Vermittlung zwischen Krone und Volk in unblutiger Weise noch möglich machen kann. — Da das Ministerium der Nationalversammlung die Geldmittel entzogen hat, so haben mehrere bedeutende Berliner Banquier- hauser derselben sofort einen unbeschrankten Kredit eröffnet.— Am I>. Abends 8 Ubr verbreitete sich sowohl in der Sradt als in der Nationalversammlung das Gerücht, daß in Breslau ein Aufstand ausgebrochen, das Militär aus der Stadl geschlagen und das dort gelegene Palais des Ministers Brandenburg vom Volke demolirt und der Erde gleich gemacht worden sey. Eine bestimmte Quelle dicker Nachricht laßt sich nicht anqeben. — An den Generalpostmeister v. Lchaper soll der Befehl ergangen seyn, die verdächtigen Briefe öffnen zu lassen. Der Ehrenmann hat sich dessen aber auftz Bestimmteste geweigert.
Weiwre Nachrichten sind, daß Herr Bassermann aus Frankfurt an diesem Tage sich auf der Zubörertndüne der konstituirenten Versammlung befunden hatte. In der geheimen Hofbuchdruckerei sollen bereus die Plakate gedruckt werbe», durch welche der Belagerungszustand über
Berlin verhängt werden soll. Alle zum Hofe gehörigen Beamten wurden am 10. von Berlin nach Potsdam ab- bcrufen. Die in den Berltner Schlössern enthaltenen Kostbarkeiten der Prinzen sollen an mehrere Beamte zur Aufbewahrung in ihren Privathäufern vertheilt worden seyn. Der König hat einen Iuristenraih nach Poisoam beschicken zur Begutachtung der Frage, ob er die Versammlung aufzulösen berechtigt sey? Die Antwort soll mit Uederemstunmung fast aller Befragten verneinend ausgefallen seyn. Nach der „Vossischen Zeitung" wird sich die konftiruirende Versammlung am 11., wenn sie den bisherigen Sitzungssaal im Schauspielhause geschloffen findet, von Schützen und Bürgcrwehr bedeckt, nach der Aula be- geben. Wird sie auch dort durch Militär vertrieben, so soll der Schützenjaal sie ausnehmen, um auch diesen, nur der Gewalt weichend, wieder zu verlassen. Wenn die Versammlung sich in einem Privatlokal sortsetzen wird, zu dessen Beschaffung sie bereits ihrem Präsidenten Vollmacht gegeben, so scheint man in Potsdam gewillt, sie einstweilen unter der Kategorie eines Klubs gewähren zu lassen, und dann erst zu ivrer gewaltsamen Lluseinandertreibung zu schreiten, wenn sich öffentliche Bewegungen an diese ihre Forterlstenz knüpfen.
Die Abgeordneten schickten gedruckte Briefe nach der Heimaih, worin sie sagen, daß sie fest entschlossen sind, solwen Gewaltstreichcn mit allen ihnen zu Gebot flehenden Mitteln energischen Widerstand entgegenzusetzen. Sie ermahnen sofort zur Einigkeit in der Wahrung der errungenen Freiheit und schließen: „Bedenkt, daß besonnener Murh >ede Gefahr überwindet!"
In Berlin ist jezt das neue Ministerium unter Graf Brandenburg ernannt, wie folgt: 1) Minister - Präsident Graf Brandenburg; 2) Minister der geistlichen Unter- richts-Medizinal-Angelegenheiten v. Ladenburg; 3) Jnners v. Manreuffel; 4) Krieg Slrvtha; 5) Justih Kisker. Die ande:e Ministerien sind nur provisorisch besezt, aber das ganze Kadinel besteht aus Männern des alten Systems Metternich.
Das Frankfurler Journal bringt heute felgende wichtige Nachschrift aus Berlin vom I I. November. Seit Mittag überstürzen sich dieNawrichlen von Aussen. Breslau ist im Aufstande das Militär hinausgesuttagcn. General Tolstoi soll nach Potsdam geeilt seyn, um den Köing aufzufortern, sich schnell zu entscheiden, da im Innern Rußlands ein Aufstand ausgebrochen, so daß die russische» Truppen von den Eränze» zurückgezogen werden müssen. Gleich nach dem Schlüsse der Morgensshung ist Hr. Grabow wieder hier angekommen und erklärt, daß er vollständig den Beschlüssen der Mojoritäc beirrete. Um 3 Uhr ist derselbe nach Sanssouci berufen: doch wollte er zuvor zu Brandenburg gehen, demselben die Ungesetz, lickkeir seiner Schritte noch einmal vorstellen, und ihn auk- fordcrn, sei» Portefeuille niederzulcgcn. Der König ,oll geneigt ,cyn, nachzugcdcn und vermittelnde Schritte zu thun, womit Grabow beauftragt werden soll.
So wie sich die Dinge in Berlin gestalten und in Wien gestaltet haben, laßt sich voraussehen, daßdieRakh- geder der deutschen Fürsten es wieder zum Alien treiben wollen und wäre es selbst mit Hülfe der Russen, während andererftirs aiizunehmen ist, daß die Demokraten sich nicht mehr unter das alte Joch spannen lassen wollen und müßten sie gegen die Russen auch die Franzosen zu Hülfe rufen. Trübe Aussichten!