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den mit dem Beisatz bewilligte, daß Jeder, bei dem nach dieser Frist noch Waffen getroffen werden, der standrecht­lichen Behandlung verfallt. Der Verkehr stockt gänz­lich, alle Kaufmannsgewölbe sind geschlossen; die Noth der ärmeren Volksklasse hat bereits eine immense Höhe er­reich!, welche der nahende Winter gräßlich gestalten dürfte, da an eine Hülfe von Seiten der gänzlich erschöpften Sraats- und Stadtkassen kaum zu gedenken ist. Auch der Mangel an Silbergeld ist groß. Die Soldaten, welche ihre Löhnungen in Banknoten erhalten, nennen es Bvs- heit, wenn ihnen dieselben bald Niemand mehr wechseln kann. Die meisten Redakteure, so wie der größereTheil der Mitglieder des demokratischen Vereins wurden ver­haftet. Ein Calabreser auf dem Kopfe, ein demokratisches Gespräch genügt vollkommen, um zu einer ähnlichen Ver­sorgung zu gelangen. Die Zahl der Verhafteten soll be­reits 500 erreichen. Von jenen Deserteuren, die ihre Re­gimenter verließen, um sich der Sache der Wiener anzu­schließen, sind bereits Viele vom Militär eingebrachr und sogleich erschossen worden. Die Stadrhaupunannschafc ist beauftragt, alle Fremden, die nicht hinlängliche Subsistenz­mittel besitzen, von Wien wegzuweisen. Die Aula ist ge­schlossen; ihre Räume haben einige Grenadierbataiüone beseht.

Die neuesten Nachrichten aus Wien vom 3. Nov. melden, daß die Kommunikationen noch immer gesperrt seyen. Die Thore der innern Stadt sind noch geschlossen, nur Frauen dürfen unbehelligt das Rolhenihurm- und das Kärnthner Thor passiren. Die Posten von 12 Tagen lie­gen noch angehäuft: Briefe waren bis zum 3. Nov. nur von älteren Daten ausgegeben worden. Windrschgrätz hat sein Hauptquartier jezt in Schöndrunn, Jellachich in dem Palast des Erzherzogs Maximilian b'Este. Viele Verhaf­tungen sind vorgenommen worden, doch hört man Nichts von Verurrheilungen. Professor Füster, dem Chef der Aula, soll es gelungen seyn, zu entfliehen, ebenso Messen- Hauser, der nach einem Gerüchte 60,000 fl. mitgenommen haben soll. Der Adjutant des Generals Bem wurde ver­haftet, dagegen soll ,'em noch nicht aufgefunden seyn.

Die Befürchtung, daß durch das barte soldatische Ver­fahren gegen Wien der Hof gegen sich selbst am meisten gewüthet habe, bestätigt sich nur zu sehr. So schreibt ein Berichterstatter der Mg. Ztg., der die Kampfscenen vom 26. schildert: Je tiefer die Nacht einbrach, um so schauer­licher leuchteten die Flammen, um so blutiger röchele der Refler des Brandes den bewölkten Himmel, und dieses unheimliche und düster leuchtende Notb spiegelte sich unter uns im alten Donaustrom, der seit Kara-Mustapha's Be­such schwerlich ein so gräßliches Bild gesehen. Was ich dier sage, ist wahrlich keine poensche Ausschmückung. Ach! diese wäre schlecht am Platz in dem traurigsten Bürger­krieg! Statt des Weiberjammers rn den Vorstädten hörten wir auf der Bastei und Brücke nur die einmürhigste Ver­wünschung wider die Häupter Derer, die das Unbeil zu­nächst herbeigeführt, und diese Flüche galten nicht bloß dem Alba Winvischgrätz, sie richteten sich höher, sie galten ei­nem Manne, den das Volk einst nur mit dem Gefühl der Liebe, Ehrfurcht und Pietät genannt. Dieses alte, durch Tradition vererbte Gefühl harren bereits die Ideen der Neuzeit gewaltig erschüttert; aber deute, inmitten des Pfei- fens der Kartesischen, inmitten der Schauerscenen des Bran­des und Todes, heute schien mir im Herzen des Wieners der lczre Funke der Kaiserliebe zu erlöschen.Lebe wohl,

Habsburg, schöner Stern!" sagte hinter mir ein Wiener in grauen Haaren auf der Bastei, als vor unseren Augen Vas lezte Gemäuer des Manschen Hauses krachend rn den Grund stürzte. Ich berichte hier als Augenzeuge ganz ob­jektiv ; denn ich selbst dabe an der Sache der Wiener kerne Freude, wie sehr ich mich sonst für jede Thar begeistern würde, welche wirklich für Deutschland und die wahre Frei­heit geschehen. Hier erkenne ich leider nur einen ung--- beuren Jrrtbum, denen ich nur jenen gern vergebe, wel­che ihn ehrlich begangen, nicht den Wüdlern, die wissent­lich mit ihrem Irrlicht dieses edle, biedere, aber unmün­dige Volk von Wien in den tiefsten Abgrund gelockt. Ich liebe wahrlich weder den Hof, noch den Fürsten Windisch- grätz und ihre Tbaien. Warum aber gelten nur rdnen allem all' die Flüche, und nicht auch jenen schändlichen Predigern der Anarchie uno des Meuchelmordes, die alle gesunden Begriffe der Menschen verwirrt und d,e heutige Schauderkatastrophe eben so sehr auf ibrem Gewissen ha­ben, als die wilden Banden der Kroaten, und derer, die sie befehligen? Nur in Einem Punkte beruhigte sich der Wiener nicht: daß der Kaiser ein solches Unglück über seine gute Stadt, zunächst über die Vorstädte, verhängen würde, dessen hätte er rbn nimmer für fähig gehalten, und Per­sonen, welche bei Tag oder bei Nackt Stunden lang auf dem­selben Wachposten standen, können ihre Verwunderung nicht genug darüber aussprechen; wie das Gespräch des vorüber gebenden Volkes, namentlich der Weiber, immer ein und dasselbe gewesen sep: der Kaiser.

In den Rethen der insurgirien Proletarier erblickte man auch Herrn Robert Blum, der als Ehrenhäupkling einer Kompagnie der Mobilgarde und vollständig als Pro­letarier gekleidet auf einer Barrikade Pvsto faßte. Nach Aeußerungen eines bei dieser Kompagnie gestandenen Kell­ners soll jener viel Much und Entschlossenheit im Feuer bewiesen und seine Mitkämpfer zum Standhaften aufge- munterr haben. Als einen Beitrag zu Blums Verhalten bemerkt der Berichterstatter auch noch, eaß er, als vor der Barrikade ein Kroat schwer verwundet zusammengesunken war und wehrlos dalag, seme braven Brüder mit den Worten ansprach:Gehe Einer hin und erschieße diesen kroatischen Hund!" Keiner folgte jedoch dieser unmensch­lichen Aufforderung; ein Zug ehrenhaften Sinns der Pro­letarier !

In Ungarn wachet fortwährend ein wahrer Ver- tilgunzskampf zwischen den verschiedenen Racen. Die Un­garn sollen neuerdings auch bei Neu Häusel, durch den General Simon ich, eine Schlappe erhalten haben, lie­ber ihre Niederlage bei Schwechat vernimmt man keine Einzelnheiten; doch ist es außer Zweifel, daß die kaiserli­chen Truppen das Gefecht glanzend gewannen. Ein Haufe von 1500 Arbeitern, meldet die Deutsche Zrg. , sei dabei von den Husaren bis auf den lezten Mann zusammcnge- hauen worden. (?)

Von dem ungarischen Regiment Palatinal-Husaren, welches aus seiner Garnison in Böhmen ausgerissen ist, um seinen bedrängten Brüdern zu Hülfe zu eilen, ist neuerdings eine Adcheilung von 300 Mann auf schlesischen (preußischen) Boden versprengt worden. Sie wurden bei Schweidnitz von preußischen Kürassieren gefangen genom­men und entwaffnet. Ein bei der Truppe befindlicher Of» fizier erschoß sich, um der Gefangennehmung zu entgehen. Vier Husaren wurden von den sie verfolgenden Kürassie­ren zusammengehauen. Die bärtigen Krieger weinten heiße

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