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Der Gesellschafter.

Den RO. Oktober.

B-ilage zum Nazzolder Intelligenz Statt,

L8L8.

Wurttembergifctze Chronik

Eines der merkwürdigsten Aktenstücke, welches dem gegenwärtigen Landtage zur Berathung vorliegt, ist die, Feststellung des Finanzbaushalts für das Finanzjahr vom 1. Juli 1848 bis 1849. Daß die gewöhnlichen Hülfs- quellen und die bisherigen Steuern bei dem Ausfälle in einigen Zweigen des Staatseinkommens und den durch die außerordentlichenZeikverhältnisse nöthig gewordenen beson­deren Ausgaben dießmal nicht binreichen werden, darüber hat uns die Eröffnungsrede schon belehrt und das ließ sich auch Voraussagen. Den Ausfall will nun das projektirre Finanzgesetz in folgender Weise decken. 1) An Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer werden 400,000 fl. mehr als bisher, also 2,400,000 fl. umgelegt; die Kapitalsteuer wird von 6 auf 15 kr. für jedes 100 fl. erhöbt, also das 2^- fache; 3) die Steuer für Besoldungen, Gehalte und Pen­sionen wird um mehr »ls das Doppelte durch eine beson­ders ausgestellte progressive Scala erhöht, die bis zu 10 Prozent ansteigcn kann; die Apanagen, Sustentations-, Nadelgelder und Mittume der Mitglieder des Königl. Hau­ses werden ganz ebenso zur Steuer deigezogen, wie die Be­soldungen, Gehalte und Pensionen; und 5) eine Zwangs- Anleihe bei den Steuerpflichtigen, indem bestimmt wird, daß jeder Steuerpflichtige, der von 25 bis 40 fl. direkte Steuer zahlt, eine der Hälfte seiner Steuerquote gleichkom- mente Summe; wer von 40 bis 75 fl. zahlt, eine Quote von drei Viertheilen und wer über 75 fl. bezahlt, eine dem Beirage seiner Steuerquote gleichkommende Summe als ein auf 3 Jahre unverzinsliches Anlehen an den Staat zu zahlen. Ist das Änlehen bis 1851 noch nicht zuruck- bezahll, so wird es von da an mit 5 Prozent verzinst.

Rottweil, den 3 Oktober. Diesen Vormittag hat die hiesige Bürgerwehr, mir Ausnahme der Scharfschützen, welche von hier nicht abgegangen und daher ihre Waffen debalien dürfen, die Gewehre rc. auf dem Rathhause be­reitwillig abg geben. Nachmittags marsckrrte das vierte Infanterie-Regiment, nebst Reiterei, vier Geschütze mit sich führend, hier ein. Das Militär wurde, bei der ruhigen Haliung der Bürger, die seit der Rückkehr von dem Aus­züge nach Balingen nicht im Mindesten gestört wurde, wie nicht anders zu erwarten stand, gut empfangen. Hr. Oberregierungsrath Camerer ist als Regierungskommis- far mit angekommen.

Der Rest des vierten Infanterie - Regiments ist nun auch nach dem Oberlande abmarschirt. Das fünfte Re­giment kann jeden Augenblick Ordre zum Ausmarsch er­halten.

Man hört, daß G. Rau auf dem Asperge ganz heiter scy und sich sein Schicksal nicht viel anfechten lasse. Viel Geld fand man nicht bei ihm, seine ganze Baarschaft bei seiner Verhaftung hat in 41 kr. bestanden, und damit war wohl nicht weit zu operiren.

In einem Keller in Stuttgart wurde kürzlich ein etwa 13jähriges Mädchen aufgefunden, das sich den Hals ab­zuschneiden versucht hatte. Das Kind lebte noch und es ward sogleich ärztliche Hülfe in Anspruch genommen; doch zweifelt man an seinem Aufkommen. Mißhandlungen von Seiten Angehöriger sollen zu dieser verzweifelten Thal An­laß gegeben haben, dock sind dicß bis jezt bloße Vermu- thungcn. Eben so suchte sich eine Frau mittelst eines Stricks das Leben zu nehmen, wurde aber noch zur rech­ten Zeit von ihrer Tochter entdeckt und gerettet.

Tcrges-dkerngkeiterr.

Die Reichsregierung wird'nun eine Truppenmacht von 60,000 Mann in fünfKriegslagern aufstellen, 12,000 Mann in Frankfurt und Umgegend, 12,000 in und bei Mann­heim, >2,000 in dem badischen Oberlande mit dem Haupt­quartier Freiburg, 12,000 nach Oberschwaben mit dem Hauptquartier Memmingen, 12,000 in den kleinen säch­sischen Herzogthümern (Sacksen-Altenburg).

Der alte Jahn bat enr kleines Schrifrchen erscheinen lassen, das er seine Schwanenrede nennt. Er erzählt darin, wie eine Meuchelmörterbande ihn gesucht habe, und wie er ihren Verfolgungen entgangen sey, wie er dabei mit seinen eigenen Obren auS dem Munde der Elenden ver­nommen habe, daß sie ihm den Tod geschworen, indem sie ihn vom Balkon eines hohen Hauses, das die Abgeordne­ten zu ausschließlicher Benutzung gemiethct haben, Hinab­stürzen wollten. Man muß den hoben Greis mit dem Silberhaar und den ehrlichen großen Augen, den Ausdruck voll herzlichstens Wohlmeinend, gesehen haben, um zu füh­len, welcheverthierte" Gesinnung dazu gehörte, an ihn die Hand legen, >hn diese lebendige Erinnerung aus den Tagen der ersten Freiheitsdammerungen Deutschlands - vom Balkon eines HauseS Hinunterstürzen zu wollen. Fin­det Jemand in den Gefühlen, die zu solchen Anträgen ge­trieben, die deutsche Ehre wieder, so wird das deutsche Volk diese ihm zugedachte Mitleidenheit mit Entrüstung von sich weisen. Jahn ruft aus: O armes Deutschland! O armselige, verarmte Ehre! Buben rühmen dich mit ehr­losem Munke, und Schufte der Ehrlosigkeit wollen deine Ehrensache führen!

In Straßburg sind sechs der als Mörder von AuerSwald und Lichnswsky steckbrieflich Verfolgten ver­haftet worden.

Unter Struves Papieren befindet sich ein Brief, in welchem ein polnischer Hauptmann, Zieliviski, von Arras in Frankreich aus, Skruven seine und seiner Kameraden Dienste anbietct. Ferner ein Schreiben, worin der Ein­bruch in Baten angezeigt und zum Anschluß aufgeforten wird, gleichlautend an die beiden Mitglieder der National­versammlung in Frankfurt, Zitz und Schlöffet, gerichtet. DaS Schreiben an Zitz ist nach Strasburg oder Basel