- «6 -

bald eine nicht unbedeuterde Breite bekommt, lieqt das Dorf Chalankon an der Anse, in einem engen Thale, welches in der Nähe dieses Ortes ein weites, rundes Becken bildet, dann sich aber wieder zusammen zieht und an manchen Stellen dem Flusse kaum hinreichenden Raum bietet, sich durchzuwinten. Um cilf Uhr Abends beklag­ten sich die Bewohner einer Mühle über das immer mehr zunehmende Getöse des Wassers, welche die nächtliche Ruhe störte; plötzlich hörte man ein dumpfes, anhaltendes, donnerähnliches Getöse. Endlich folgte dem Toben des ausgetretenen Flusses eine ungewöhnliche Stille. Der Müller trat aus dem Hause der Fluß mar verschwun­den. Er ging etwas weiter fort und wurde durch ein in der Dunkelheit nicht erkennbares Hinderniß aufgehalten. Er glaubte Berge zu sehen, wo früher nur Thaler und Schluchten gewesen waren, Bäume hatten sich in Felsen verwandelt; kurz, die ganze Umgebung schien verändert. Nach Tagesanbruch sah man die staunenswerthe Verän­derung deutlich. Ein Theil des am rechten Ufer liegen­den Berges hatte sich plötzlich abgelöst und war eine be­deutende Strecke fortgerückt. Der Fluß, durch diesen Un­geheuern Damm in seinem Laure aufgehalten, war wäh­rend der Nacht oberhalb des Bergsturzes so sehr ange- schwoüen, daß der weite Kessel in einen See verwandelt war. Der Bergsturz hatte etwa dreißig Schritte von der Mühle die Thalschlucht ganz angefüllt, und während die Bewohner der Mühle sich ihrer Ruhe überließen, stieg daS Wasser ganz in der Nähe wohl zehn Mal höher, als das Dach der Mühle.

Eine Gespenstergeschichte eigener Art. '

In dem am Fuße der Pyrenäen gelegenen Städtchen Foir lebte vor fünfzig Jahren ein Advokat, der eines Abends seinen auf einen Besuch bei ihm angekommenen Neffen und Nichten folgende Geschichte, deren Aechtheit er bei seiner Ehre verbürgte, erzählte.

Als ich zwanzig Jahre zählte, mußte ich Geschäfte halber nach Toulouse; es war.im MonatOktober. Kaum hatte ich meine Aufträge besorgt, so schickte ich mich zum Rückweg an, konnte aber des äußerst schlechten Wetters wegen das bestimmte Ziel nicht mehr erreichen und mußte in einem an der Heerstraße gelegenen Gasthofe übernach­ten. Als ich cintrat, fand ich eine ziemlich zahlreiche Ge­sellschaft, theils aus spanischen Kanfleuten, theils aus jungen Jagdliebhabern bestehend, welch Letztere das schlechte Wetter, eben sc wie mich, genöthigt hatte, hier eine Zu­fluchtsstätte zu suchen. Nachdem ich mich an einem wohl- thuenden Kaminfeuer getrocknet hatte, sagte man mir, das Abendessen scy bereit, und ich gieng mir obgenannter Gezellickaft zu Tische. Man redete zuerst von dem gräß­lichen Wetter: der Eine war vom Pferde heruntergewor- fcn worden; ein Anderer hatte Muhe gehabt, sich aus einer Pfütze zu helfen, in die er mit seinem scheu gewor­denen Pferde qerathen war; ein Dritter schrie: Das ist verteufeltes Wetter ja es ist ein wahrer Sabbath. Letzterer Ausdruck gab zu einer sonderbaren Bemerkung, die in einem noch sonderbarer!: Ton gemacht wurde, An­laß. Heren und Gespenster ziehen für ihren Sabbath eine mondhelle Nacht einer stürmischen wie die heutige vor. Aller Augen richteten sich auf denjenigen, der dieses gesagt hatte, und erkannten an dessen Anzuge und Sprache einen spanischen Kaufmann, denn er trug Kamaschen und kurze

Beinkleider, die am Knie geöffnet waren und seine behaar­ten Beine blicken ließen, einen rochen Mantel, batte ein braunes Gesicht und große, breite goldene Ohrringe. Niemand war gesonnen, auf diese Bemerkung zu antwor­ten, als mein Nachbar, ein Jüngling mit freier, offener Miene, laut zu lacken begann und darauf lustig ausrief: Dieser Herr scheint die Gewohnheiten der Gespenster zu kennen, und zu wissen, daß sie nicht gerne naß nock be­schmutzt seyn mögen. Kaum hatte er ausgeredet, so warf ihm der Spanier einen schrecklichen Blick zu, mit der Bedeutung, von Dingen, die er nicht kenne, nicht so leicht­fertig zu sprechen.

Machen Sie sich gar anheischig, mich an Gespen» ster glauben zu machen? erwiederte in verächtlichem Tone mein Nachbar.

Ja wohl, meinte der Spanier, wenn. Sie den Muth haben, sie zu betrachten.

Da sprang plötzlich der von Zorn entbrannte Jüng­ling auf. Doch beruhigte er sich eben so schnell wieder, setzte sich ruhig nieder und sagte: Wenn dieß nicht die Worte eines Verrückten wären, so müßte er mir da­für zur Rede gestellt werden.

Die Worte eines Verrückten? schrie der Spanier aufspringend. Wohlan denn, fuhr er fort, indem er mit kräftiger Faust auf den Tisch schlug und einen ledernen Beutel auf denselben warf; hier sind 30 doppelte Louis- d'or, welche ich mich zu verlieren erbiete, wenn binnen einer Stunde ich Ihnen, dem so Beherzten, nicht einen Ihrer Freunde, den Sie mir nur zu nennen brauchen, zeige, und wäre er schon zehn Jahre todt, doch müssen Sie erlauben, daß die Erscheinung einen Kuß auf Ihre Lippen drücke.

Die Miene des Spaniers war so schrecklich, als er diese Worte aussprach, daß wir alle zitterten; mein Nach­bar allein hörte sie mit einem höhnischen Lächeln an und antwortete: - Dieß erkühnen Sie sich auszuführen?

Ja, entgegnete der Spanier, und ich will die 30 Doppellouisd'or verlieren, wenn es mir nicht gelingt, unter der Bedingung jebock, daß Sie eine ähnliche Summe verlieren, wenn ich Wort halte und Sie unterliegen.

Der Jüngling schwieg einen Augenblick, dann sagte er in lustigem Tone: 30 doppelte Louisd'or, Herr Hexen­meister, ist mehr, als je ein Student von Toulouse besaß; wenn Sie aber für die 5 doppelten Louisd'or, die ich auf mir habe, die Wette eingehen wollen, so bin ich Ihr Mann.

Der Spanier steckte schweigend seinen Beutel ein; und sagte verächtlich: - Nicht wahr, Sie weichen, Großprahler!

Ich weichen! rief der Jüngling. Wäre ich im Besitz von 30 doppelten LouiSt'or, so sollten Sie sehen, ob ich gesonnen bin, zu weichen.

Hier sind deren 4, rief der Oheim, ich wette fin­den Jüngling.

Kaum hatte er diesen Vorschlag gemacht, so giengen noch einige der Anwesenden in diese sonderbare Wette ein und in Kurzem war die Summe vollständig. Der Spanier schien seiner Sacke so gewiß, daß er den Betrag der Wette dem jungen Studenten anvcriraule, und nun rüstete man sich zur Ausführung zu schreiten.

Zu diesem Ende wählte man ein im Garten abge­legenes Sommerhäuscken» so daß kein Betrug statt haben konnte. Wir untersuchten es genau, und versicherten uns,