Etwas vom Jahre 1746.
Nach einer handschriftlichen Chronik.
Das Jahr 1746 war ein eben so heißes oder noch heißeres, als das heurige, uns überdies; durch verschiedene höchst seltene Naturereignisse ausgezeichnet. Große Züge von Raben und Krähen, welche im April sich zeigten, waren gleichsam die Vorboten derselben. Gleich Anfangs Mai fiel auf dem sardiniscben Gebirge ein röth- licher Schnee, in der Gegend von Karlsruhe aber wü- khcte am 22. und folgenden Tage dieses Monats ein Gewitter, wie man sich seit Menschcngcdcnken keines ähnlichen mehr erinnern konnte. Ein unaufhörliches Blitzen und Donnern wurde von einem furchtbaren Hagclschlage begleitet, welcher ÄUcS vernichtete. Dieses Unglück traf namentlich die Gemarkungen von Mühlburg bis Erom- bach. In den tieferen Lagen der Stadt Durlach erreichte das angcschwollcnc Wasser die Höhe von 3 bis 4 Schuhen, worin 4 Menschen und 60 Stücke Vieh ihren Tod fanden. Zu Grvmbach kostete cs 3 Menschenleben, und da daselbst Hagelsteine dis zu einem halben Pfund Schwere fielen, so war der Schaden auf den Feldern, in den Weinbergen und Gärten unsäglich.
Wahrend des Juni und Juli wurde das Erdreich durch geringere Gewitter noch ziemlich angcfeuchlet, mit dem August aber traten die höchste Hitze und Trockene ein, welche ungewöhnlich lange andauerten. Und mitten in dieser dürren Zeit wurde man in der Nacht des 30. August von einer Monds-, wie am Morgen des 1. September von einer Sonnenfinstern iß überrascht. Natürlich wurden hieraus die traurigsten Dinge prophezeiht, besonders da Mond und Sonne noch einige Zeit nachher ein viel rörhercs Licht zeigten als gewöhnlich.
Die große Hitze und Trockene wahrten auch bis in die ersten Tage des Oktober. Der Wein verlor dadurch zwar an Quantität, gewann aber dadurch an Qualität so sehr, daß er ein Ausstich wurde und durch seine Wortrcfflicdkcir die Rebleute für die bisherigen Mißjahre reichlich entschädigte. Am 15. Oktober drohte der Winter plötzlich hcrcinzubrecken, denn cs schneite auf dem Sckwarzwalte so stark und wurde so beißend kalt, daß man sich mitten in den Januar versetzt glaubte. Glücklicherweise aber krackte die heilige Ursula wieder gelinderes Werter. Der Rest des Monats und ein ziemlicher Theil des November waren so milde, daß man das Vieh bis da im Freien weiden ließ. Es schneite auch den ganzen Dezember hindurch nickt. Erst am ü. Januar 1747 legte die Erde ihr Winterkleid wieder an.
Die gestörte Trauung»
Mitgetheilt von Julius W. dlntta rosa sine kpinna.
Die schöne Katharine saß am Spinnrocken, und schaute manchmal durch das Erkerfenster der Falkenburg hinaus auf den Weg, der aus dem Eichenwalde führte. Sie war mir Eduard verlobt, einem jungen Ritter aus der Nachbarschaft, und hing ihm an mit treuer Liebe. Eduard wollte an daS Hostager deS Pfalzgrafen ziehen,, um dort sein Lehen zu empfangen, und noch vorher von j
seiner Braut Abschied nehmen. Eine Stunde mochte sie so gesessen haben, als er auf seinem Grauschimmel das Thal herauf sprengte. Sie warf in der Freude die Spindel aus der Hand und wollte ihm entgegen eilen, verwickelte sich aber über das Gespinnst, und ehe sie sich noch losmachen konnte, trat Eduard schon zur Thüre herein. Katharine wurde in diesem Augenblicke von einer Bangigkeit ergriffen, welche sie nickt zu meistern wußte, und Eduard hatte Mühe, sic durch Worte und Liebkosungen in Etwas zu beruhigen. Er schied, mit dem Versprechen, in vierzehn Tagen wieder bei ihr zu seyn» und trug ihr noch viele Grüße an ihre Mutter auf, die in der Kirche war.
Eduard hatte den festen Vorsatz gefaßt, so bald als möglich zurück zu kommen, denn auf der Falkenburg blieben sein Her; und seine Gedanken zurück; allein es geschah nicht wie er wünschte und dachte.
Der Pfalzgraf wollte eben, als er dort anlangte, eine Gesandtschaft nach Burgund schicken, und wählte unter Andern auch Eduard dazu, denn er besaß eine einnehmende Gestalt und seine Sitten. Sechs Wochen gingen über der Reise hin; auf dem Heimwege verirrte sich Eduard mit seinen Gefährten in einem dichten Walde, die Nacht brach ein, und der Rirrer sah sich zuletzt von den Uebrigen getrennt, und mußte den Weg in der Finsterniß durch das Gestrippe auf gut Glück suchen. Endlich vernahm er das Rauschen eines Backes und ritt daraus zu. Der Strom floß an einem Hügel vorüber, auf welchem die Warten und Mauern einer alten Burg recht schauerlich sich erhoben. Eduard bat um Einlaß, der ihm auch gewährt wurde, nachdem er seinen Namen genannt hatte. Man führte ihn in ein stattliches Gemach, dessen Wände mit Schilderten behängen waren. Eduard betrachtete aufmerksam diese Bilder, welche mancherlei Geschickten vorstclltcn. Auf dem einen wurde der Grundstein zu einer Kirche gelegt, auf einem andern kämpfte ein Ritter mit einem Haufen Sarazenen, auf dem Dritten vertauschte ein Anderer das Sckwerr mit dem Pilgcrstab. Ucberhaupt schien das Ganze eine Erzählung von den Hauptbcgebnisscn des Geschlecktes zu enthalten, welchem die Burg gehörte. Nachdem Eduard de» Kreis dieser Darstellungen durchlaufen hatte, bemerkte er in einer Ecke noch ein Gemälde, über welchem ein schwarzer Flor hing. Neugierig zog er den Vorhang weg, und erblickte eine schöne Jungfrau, die an einem offenen Grabe stand. Sie sah aber reckt blühend und lcbcnsdurstig aus, und war beschäftigt, ihre langen blonden Haare zierlich zu ordnen. Eduard wußte die seltsame Vorstellung nicht zu deuten, und zerbrach sich den Kopf darüber.
In diesem Augenblick trat der Burgherr in das Zimmer und hieß seinen Gast willkommen. Herr Bodo, dieß war sein Name, war ein hochbetagter Mann, einem alten Stamme vergleichbar, dessen Blüthen und Blatter vor der Zeit abgefallcn sind, weil ein Wurm das Lebensmark verzehrte. Gutherzig war er immer gewesen, und er setzte bald alle seine Leute in Bewegung, um dem Fremden die gebührende Ehre zu erweisen. Auch schien er Wohlgefallen an Eduards Reden und Erzählungen zu finden, und blieb bei ihm sitzen, bis ihn gegen Mitternacht der Schlaf übermannte. Eduard wurde jetzt von einem alten Diener