fehlen. Hier in dieser grünen Börse liegt der Preis un­serer Schußweite, hundert Dukaten in Gold, wohl ge­zählt. Falle ich, und Sie fürchten die Folgen der Tbat, so nehmen Sie Ihr Geld, und entfliehen durch diese Ta­petenthür m der Ecke, die ein leiser Fingerdruck an dem kleinen Knopfe öffnet, und über einige Stufen in den Gar­te», und von da leicht ins Freie führt. Fallen Sie hin­gegen, so müssen Sie sichs schon gefallen lassen, wie Ihre dreihundert Vorgänger, mit Ihrem Herzen meine Samm­lung zu zieren. Es sollte mir leid thun, wenn Sie, wie man zu sagen pflegt, Ihr Herz an eine Dame verschenke hätten. Sie sehen aber ein, das ist eine bloße Redensart. Herzen könnte allenfalls nur ich verschenken, wenn ich meine Sammlung plündern wollte. Es wird auch eigent­lich viel zu viel Trödel um ein solches Ding gemacht, das »vir Herz nennen. Mancher quält sich sein ganzes Leben mit Unruhe ab, und würde froh seyn, wenn er es hier so anständig los werden könnte. Mir ists um das Herz des Gegners bloß als bequeme Trophäe zu thun, den Leich­nam aber lasse ick gern laufen.

Der Herzenstödter trat an die Tafel, deren furcht­bare Apparate auch bald an meinem armen Leichnam ge­braucht werden sollten, und sagte: Wir wollen aber nun von so vielen Worten auch zum Werke schreiten, wenn es Ihnen beliebt. Wahlen Sie gefälligst ein Terzerol und laden Sie cs nach Gutdünken. Hier ist ein Pulverhorn, Papierpfropfen und in diesem Ebeuholzkästchen sind silberne Kugeln. Sie sehen, bei mir sterben die Herzen nicht einen ordinairen Tod, wie jeder Soldat auf dem Schlachtfelde. Ich liebe nun einmal das Aparte.

Mit zitternder Hand griff ich nach dem einen Mord­gewehr. Die Hoffnung flüsterte wahrend des Ladens mir mehrLre Male ins Ohr: Vielleicht gelingt es dir dennoch, daS Amphibicnherz zu lödtcn. Du hast ja den ersten Schuß, und schon entferntere Ziele getroffen, nur Mulh! Aber wenn mir dann cinfiel, daß hier dreihundert gute Schuhen den ersten Schuß hatten, und fehlten; wenn ich die kalre, fcstbewußte Sicherheit in dem Spinucnauge ge­genüber las, da erlosch die schwache Mulhesflammc, die im Herzen empor strebte. Alle geheimen Schützcnkunste, vom Besprechen des Gewehrs und dergleichen, die ich als ein verständiger Mensch stets als Wahnsinn verlacht, sie­len mir in dieser bangen Stunde schwer auf die Seele. Endlich dachte ich an die Sage vom Freischützen: Die Wolfsscklucht mit allen ihren Schrecken dehnte sich aus in meiner Phantasie, der Glaube an Frcikugeln war cs, die dieser boshafte Herzenstödter verschoß! Wie konnte er sonst feines Zieles so sicher seyn! Und dazu der Rcichlhum, der selten bei Gelehrten ist. Es war klar! Elias Spinne war dem Samiel verfallen, seine Kugel mußte treffen, denn sie rvar ja über höllischem Feuer gegossen.

Nun Freundchen, sind Sie noch nicht bald fertig? erinnerte der Professor, als er mich so in Gedanken ver­loren sah.

Ich starrte empor, es mußte doch das Unvermeidliche geschehen. Ich bin bereit, aber »vollen Sie nicht vorher laden? sagte ick.

Nachher noch Zeit! meinte er, und sah darin eine neue raffinirte Grausamkeit, daß ich nach meinem verfehl­ten Schuß die Anstalten zu meinem sichern Tode mit an-

l sehen sollte. Ich bin im Augenblick fertig, unb falle ich, j so habe ich mir noch eine Mühe erspart, fuhr er fort. Nun treten Sie ans Ende der Tafel und schießen Sie!

Ich that es, und er selbst trat ans andere Ende, und ich ergriff daS Terzerol. Er stemmte beide Hände auf die Tafel, und blickte so ruhig in die Mündung, als hielte ich ihm eine geräucherte Wurst entgegen. Mir flimmerte «S vor den Augen. Funken flogen dann vorüber, und mir war, als sähe ich hohnlachende Teufelchen auf mein Ter­zerol zeigen.

Nun, »vollen Sie nicht gefälligst losdrücken? fragt« Spinne init tödtlich kaltem Spott.

Nun denn, wenn es seyn muß, ja! Es ist zwar un­nütz, aber ins Tcnfels Namen! So sagte ich und schoß blind auf den Alten los. Die Kugel fuhr über ihn hin­weg, und zertrümmerte eine der Krystallbüchfen.

Ach, »vie schade! jammerte das Ungeheuer, und ging nach dem Ort der Verwüstung. Er nahm die Büchse herab und fuhr fort: Aber was richten Sie für sonderbares Zeug an. Statt eines lebenden Herzens haben Sie ein todteö getroffen! Da sehen Sie nur, dicht neben der alten Ku­gel ist die Ihrige ins stolze spanische Herz des Grafen de Moncade gedrungen. Nun das mag bleiben bis nachher. Jetzt aber — nein, wie konnten sie nur so hock halten.

Ei, ei, nach dem, was ich von Ihrem Schühenruhme ge­hört, hatte ich mir mehr versprochen. Geben Si» Acht, ich will mir bessere Mühe geben.

Er nahin nur wenig Pulver und war im Augenblicke schußfertig. Mit männlicher Ergebung in das Unvermeid­liche bot ich meine Brust seiner Kugel dar. Ersetzteeine ! Brille auf und zielte mit großer Bedächtigkeit. Endlich ! krachte sein Schuß; ich fühlte die Kugel mitten im Her­zen, und sank halb besinnuugslos nieder. Eiligst zog der Mörder eine Klingel, der alte Dietrich stür zte herein, und Beide schleppten mich auf die anatomische Tafel. Der Professor band die Schürze vor, öffnete mit großer Ge­wandtheit den Thorar, und hielt bald daS dampfende Herz in den Händen, das er nach aufmerksamer Besichtigung sorgfältig abwusch, und in die bestimmte Krystallbüchse legte.

Ich sah und hörte alles bei der Operation »vie im somnambulen Zustande. Jet) sah den alten Diener noch Wasser bringen, den Professor die Hände waschen, und Dietr ich den Fußboden vom Blute reinigen, aber dann ver­ließen mich die Sinne. Ich »vciß nicht, was weiter init rncincm Leichnam vorging.

Aber am Morgen schlug ich, o Wunder! in meinem Eckstübchcn znin Schwan, munter die Augen im Bette auf, und eben trat der Kellner herein, mit der Frage, ob ich den Kaffee befehle. Sagen Sie mir, Freund, wie bin ich in dieß Bett gekommen? rief ich.

Der Mensch lächelte. Es »var schon ziemlich spät, als ein alter Mann Sie herbrachte. Sie schienen ctivas schwer zu Fuß und schliefen mir in den Armen ein.

Also der Burgunder und Champagner des Professors waren Schuld an diesem gräßlichen Traume gewesen! murmelte ick, und riß »vie verzweifelnd das Hemd über der Brust ans einander. Da sah ich zu meinem Stau­nen ein großes schwarzes Pflaster! Voll Grauen packte ich meine Sachen, und verließ noch am selben Abend mit der Schnellpost das gespensterhafte Jena.