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noch sechs sehr verdächtige Personen befänden, und wo er nun 10,000 FrkS. Lösegeld zahlen solle. Der Briefsteller bittet seinen Verwandten, sich an die Polizei zu wenden, damit diese Räuberhöhle entdeckt werde, und sagt u. A., daß es an ein Wunder grenze, wenn der Brief wirklich seine Bestimmung erreiche. Bis jetzt ist der Briefsteller spurlos verschwunden und nicht aufzufinden gewesen.
Am 28. Oktober zerstörte eine Feucrsbrunst 199Häuser von Bombay, wo die Eingeborenen bei Gelegenheit eines Festes, mit Vernachläßigung aller Vorsichtsmaßregeln, mehrere Feuerwerke abgebrannt hatten. Glücklicherweise konnten noch 4000 Pfd. Pulver, die sich in einem schon in Klammen stehenden Hause befanden, gerettet werden. Der Schaden wird auf 70,000 Pfd. Sterl. geschäht.
Wie Gott will! oder die Batzen-Noth.
(Fortsetzung.)
Dem Jungen muß der Dickkopf in Zeiten zerschlagen werden, sagte ein Mann, welcher sich als den Schenkwirth answies, zu seiner scheltenden Frau, sonst wächst er uns beiden zu Häupten und du schlägst noch die Hände über ihn zusammen. Und wenn ich zehnmal nur Hin Stiefvater bin, so habe ich so gut ein Recht an ihn wie du. Kurz, es bleibt dabei; folgt das Muttcrhätschel nickt, bekommt es Schlage, und wenn du noch so sehr belferst oder gar weinst. Sogleich gibst du dem Herrn Husaren hier eine Hand, Fritz, und heißest ihn schön willkommen.
Wahrend der im vierten Jahre stehende Knabe dem Gebote Folge leistete, ging dessen Mutter in das angrenzende Verkaufsstübchcn hinaus, so daß, sie in Augenschein zu nehmen, dem Olearius nur zwei Sekunden »erstattet gewesen waren. Nichts desto weniger hatte er sogleich Ungesehen, daß das zwar noch junge, doch eben nicht reizende Weib sein ehemals heißgeliebtes Lieschen nimmermehr seyn könne. Denn wo war hier die frische Fülle? die rosige Wange? das Grübchen im Backen? der gerundete Arm? das zierlich geordnete Haar? die ebenmäßige Taille? Mit einem Worte, all der Liebreiz, der einst den Candidaten so bezaubert, dessen Verlust ihn so geschmerzt hatte? Was mag aus ihr geworden seyn? fragte er sich und suchte Gelegenheit, über Lieschens Schicksal Erkun- digung cinzuzichcn. In dieser Absicht wendete er sich an den Mann, welcher, ihm das verlangte Glas Bier vorsetzte , mit' den einleitenden Worten: Hat Er nur diesen Stiefsohn? keine eigenen Kinder? Wie lange ist Er vcrheirathct? ?-
Seit 19 Monckien, versetzte der Wirth, und ein liebes Mädchen von ^ Jahren ist mein eigenes. Wie gesagt, wäre der Trohkopf da nicht, würde ich meiner Frau kein unschönes Wort sagen dürfen.
Hier ging die Stubenthüre auf und ein Mädchen mit cinem Kinde- aus dem Arme trat ein. DaS war Lieschen wie sie leibte und lebte, und alle nicdergekämpfren und vergessenen Gefühle erwachten plötzlich in dem Husaren. Sic war eS wirklich und jugendlicher, frischer, blühender, unschuldiger als je. Trug sie in ihren zartgerölhctcn Ohrläppchen dock noch die unscheinbaren Ringe mit den Knschkcrnkörbchen, unfähig sich zu beherrschen, rief Olea-
rius, von seinem Sitze aufspringend: Lieschen! theureS Lieschen! und schritt hastig auf die Jungfrau zu. Diese aber zog ein sehr finsteres Gesicht, wies die dargebotcne Hand schnöde zurück und sagte kurz: Laß Er mich gehen, ich bin nicht Sein Lieschen. Ließ sprechend, eilte sie mit dem Kinde in den VcrkaufSladen hinaus.
Der Schenkwirth lachte, als er den Husaren verdutzt stehen bleiben sah. Das ist ein Wcttermädcl, sprach er, und ganz gegen ihre Art. Sie gibt überhaupt nicht viel aufs Mannsvolk, aber vor den Soldaten lauft sie vollends wie vor dem bösen Feinde. Das kommt aber daher, fuhr er leiser fort, weil ein Soldat und noch dazu ein Husarenlieutenant ihre Schwester, meine jetzige Frau, bei der Nase herumgcführt hat. Und meine Frau heißt Lieschen, ihre Schwester aber Agathe.
Agathe ! wiederholte Olearius erstaunt. Und Lieschen Seme Frau, hob er wieder an, sagte Er nicht, daß sie schon einmal vcrheirathct gewesen sey?
Verheirathet? lächelte der Mann, hm ja, aber freilich nickt getraut. Es war eine gewöhnliche Geschickte. Nachdem der Herr Lieutenant das Mädel unglücklich gemacht hatte, ging er davon und überließ die Mutter sammt dem Kinde ihrem Schicksale. Ich aber drückte später ein Auge zu und heirathete Lieschen, die eine angebrachte Nahrung und ein Paar hundert Thalcr Geld besaß. Bis auf den Jungen da, dem das adelige Lieutenantsblut in den Adern spukt, leben wir auch reckt glücklich zusammen. Agathe, meine Schwägerin, dient als Jungfer bei unserer Frau Amkshauptmännin und besucht uns so oft als möglich, um mein Töckterckcn zu gängeln und zu hatsckeln.
Während dieser Rede hatte Olearius seine Mütze abgesetzt, den Schnurrbart entfernt, seinen Anputz vor dem Spiegel geordnet und trat nun in das andere Gemach zu dem Schwesternpaare hin.
Bleiben Sie, Agathe! sprach er bittend, als diese die Flucht ergreifen wollte, vor mir soll sich Niemand zu fürchten Ursache haben, am allerwenigsten meine Sckülerin. Ich war einst der Magister Olearius, jetzt der Husar Oehlig schlechtweg. Daß Sie Ihren ehemaligen Lehrer nicht ganz vergessen haben werden, glaube ich aus diesen Ohrringen schließen zu dürfen.
Licscken erbleichte auf diese Erklärung, Agathe dagegen ward zur Purpurrose. Als sie aber in dem hübschen Husaren wirklich den hagern, blassen Magister wieder erkannt hatte, wollte ihre Srirne keine finsteren Falten mehr finden , vielmehr ruhte ihr Auge fröhlich glänzend auf des Magisters Gestalt und willig überließ sie ihm eine Minute lang die leise bebende Reckie. Lieschen hingegen, nachdem sie die Geißel der beschämenden Erinnerung überstanden hatte, bestrebte sich, das einst begangene Unrecht durch verdoppelte Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft bei dem Magister einigermaßen gut zu machen. Olearius verlebte einen recht heitern Abend, welcher in ihm den Wunsch nach mehreren dergleichen rege machte.
Die Stelle eines Tertius war gerade erledigt und der Magistrat von Langensalza dem, seine Aufwartung machenden, Olearius nicht abgeneigt. Lieschen und ihr Mann redeten laut, Agathens dunkle Augen leise ihm zu, sich um