Der deutsche Doktor Ln Amerika.

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(New^Uork, 10. April.) Das Wochenblatt der deutschen Schnellpost" enthält nachstehenden Artikel:

Unter den demagogischen deutschen Flüchtlingen, die an dem bekannten Hambacher Jubelfest Theil nahmen, war auch ein gewisser A., der als Arzt auf einer der be­sten Universitäten studirt hatte und mit anderen Kamera­den ;u gleicher Zeit das amerikanische Ufer betrat. Ein wahrer Muscnsohn, der seine Knaben- und Jugendjahre mit Lernen und Studiren unter und mit Büchern ver­lebte. Die Außenwelt hatte keinen Reiz für ihn und be­kümmerte ihn wenig. Zwar er wandcrte und reifete, aber nur von einer L-chulc oder Universität zur andern. Dieser an Weltwcisheit arme Mensch befand sich hier in diesem Lande ganz verlassen und verloren. Unter Menschen, bei denen die Bücherweisheit nur gedruckt in Büchern und als Handelsarrikel einigen Werth hat, und die Weltklug­heit durch Erfahrung erst gelernt seyn will, fühlte er sich gar unbehaglich. Ucberall, wo er hinkam, fand er auch, daß er zu nichts brauchbar scy, und daß er nichts ge­lernt habe, womit er sein Brod erwerben möge. So wandcrte er vom südlichen bis ans nördliche Ende des Staats Pennsylvanien. Der Muth verließ ihn ganz. Als er nach Northumberland-County kam, faßte er den rie­senhaften Entschluß, noch eine Profession, Sckncider oder Schuster zu erlernen, womit er sein Brod verdienen möchte. Mit diesem Entschluß kam er in das schöne, an der Sus- qnehanna gelegene Städtcbcn Miiton. Hier trat er bei dem ersten Schuhmachermcister, den er erblicken konnte, ein. A. trug ihm sein Anliegen vor. Der Schuster er­widerte: Ihr seyd schon zu alt. A. entgegnen mit Be­scheidenheit, er sey freilich älter, als ein Schusterjunge seyn sollte, doch er wolle Fleiß anwenden und auf alle Anleitungen Acht geben, und es sollte ihn nickt gereuen, seine Bitte ihm zu gewähren. Nun, ick will eine Probe mit Euch machen, wenn die gut ausfallt, mögt Ihr blei­ben. A. legte seinen Rcisesack ins Eck und nahm gleich unter den andern Lehrjungen seine Stelle ein. Noch ehe die Probezeit abgelaufen war, sah A. seinen Meister eines Morgens in großer Kümmerniß. A. frug: Was fehlt Euch, Meister? Ach, mein Kind liegt in den letzten Zü­gen am Scharlachfieber, und ich habe nach dem Arzt ge­schickt und der bleibt so lange aus. Kann ich das Kind sehen? frug A. O ja. Beite, der Meister und der Schu­sterjunge, begaben sich ins Krankenzimmer. Indessen kam der Hausarzt und traf beide in der Stube des Kindes. A. nahm das Wort und sagte: Doktor, die Krankheit hat die letzte Krisis erreicht, entweder muß das Fieber jetzt brechen, oder daS Kind stirbt, und beschrieb dem Doktor in wenigen Worten die Symptome der Krankheit ganz genau. Der Doktor stiert den jungen Mann mit der Pechschürze und den alten Pantoffeln an, als wollte erjagen: Was du von Krankheiten mir vorschwatzen willst, habe ich schon lange vergessen. A. sagte: Doktor, es ist keine Zeit zu verlieren, verschreiben Sie die betreffenden Mittel; ich würde die und die anwcnden. Der Doktor

^ stutzte. Habt Ihr die Doktorei studirt? Ja, in Jena und Berlin in Deutschland. Habt Ihr ein Diplom? frug der Doktor weiter. A. suchte alle seine Certifikate von einer jeden Schule, die er durchlaufen, herbei, und auch rin eh. renvolles Diplom dazu. Nach Durchsicht derselben wurde der Doktor kleinlaut und einsylbig und zog seine Schach- teln ein, womit er den armen Schusterjungen zurechtwei­fen wollte. Warum seyd Ihr nicht bei der Dokiorei ge­blieben? frug verwundert der Doktor. A. sagte: Weil ich in diesem Lande mein Brod damit nicht verdienen konnte. Die Mittel wurden bei dem Kinde angewandt, und der Schusterjunge nahm sich des Kindes treulich an, und es genas schnell wieder. Daß die Geschichte in Mil­ton ein großes Aufsehen machte, wer wollte das bezwei­feln ? auch ist eS keine Fabel oder ein Mährchen, denn Schreiber dieses hat den gewesenen Schusterjungen selbst gesehen und gesprochen, und an ihm einen etwas zu schüch­ternen Mann gefunden. Dadurch aber wurde A. Doktor geheißen und als solcher wohnte er noch einige Zeit bei seinem gewesenen Meister, seine Laufbahn als Arzt war nun eröffnet, und er lernte praktisch nach und nach die Weisheit kennen, ohne welche alles andere Wissen keinen Werth har. Seines Bleibens war aber nicht lange mehr in Milton, er nahm nun als Doktor sein Reisebündel wieder auf und kam in das angränzende Lycoming County. Dort verlebte er unter einer deutschen religiösen Sekte mehrere Jahre recht ruhig und zufrieden und zeichnete sich aus als ein geschickter Arzt und Menschenfreund. In der Zeit seiner Anwesenheit in Amerika wurden in Deutsch­land die Anklagen gegen ihn durch Betrieb seiner Ver­wandten und Freunde, die ihn unschuldig wußten, gericht­lich untersucht und er als unschuldig erklärt. Hiervon benachrichtigt und von seinen Freunden eingeladen, wieder nach Hause zu kommen, folgte er der Einladung, und wer wollte dem Mann nicht selber Glück zu seiner Rück­reise wünschen, welcher ohne seine Schuld eine solche feh­lerhafte Erziehung erhalten hatte?

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Das Bäuerlein.

Jn's Feld ging jüngst ein Bäuerlein Bei klarem Sonnenlichte,

Um an dem grünbemoos'ten Rain Zu mähen reife Früchte.

Auf schmalem Pfade eilt' er dort Zum Aehrenrcichen Acker:

Burr, burr!" jagt' er die Vögel fort Und mähte Schwaden macker.

Als er das schwache Halmenheer So nah' zur Erd' gehauen,

Ein fremder Herr er da so mehr Erblickt' am Saum der Auen,

Der ruht auf weichem Rasen hier Und sah die Vögel zehren Mit wilder, froher Raubbcgier An tief gebeugten Aehren.