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Beilage zum Amts- und Intelligenz-Blatt Nro. 2N

Nagold. Freudenstadt. Horb. Die in manchen Ortschaften des Kö­nigreichs vorkommende, unter dem Na­menCretinismus" bekannte körper­liche und geistige Entartung der mensch­lichen Natur hat in den letzten Jahren den Gegenstand besonderer staatspoli­zeilicher Untersuchung gebildet.

Auf den Grund der hiebei durch einen ärztlichen Commifsär an Ort und

Stelle erhobenen Notizen und der hier­über gepflogenen Berathung ist von dem K. Medicinal-Collegium die nach­folgende

Belehrung über die vorbeugenden Maßregeln gegen den Cretinismus" verfaßt worden, welche hiemit zur öf­fentlichen Kenntniß gebracht wird.

Die geistlichen und weltlichen Orts­vorsteher, die Stiftungs- und Gemein-

deräthe werden zugleich auf Punkt 2. der Verfügung des K. Ministerium des Innern vom 8. v. M. (Reg.-Bl. S. 184), diesen Gegenstand betreffend, auf­merksam gemacht.

Den 1. April 1844.

Die K. Oberämter.

Beglaubigt,

K. Oberamt Nagold,

Akt. Bazing, St.V.

Belehrung

über die vorbeugenden Maßregeln gegen den Cretinismus.

Die unter dem Namen des Cretinismus bekannte körperliche und geistige Entartung der menschlichen Natur hat neuerlich auch in Württemberg die Aufmerksamkeit der Staats-Regierung in Anspruch genommen.

Den hierüber Statt gehabten Erhebungen zufolge kommt derselbe an manchen-Orten (sowohl unter verschie­denen Abstufungen des Kropfs und einer dem Zwerghaf­ten mehr oder minder sich nähernden Körper-Gestalt, ver­bunden mit träger, kindischer Geistcs-Aeußerung oder auch eigentlichem Stumpfsinn, als in der höchsten cretinischcn Mißstaltung mit Blödsinn, häufig auch mit Taubstummheit) in solcher Ausdehnung vor, daß die öffentliche Fürsorge alle Ursache hat, sich mit der Verstopfung der Quellen, aus welchen er entspringt, ernstlich zu beschäftigen.

Auf den Grund der über diese Quellen an Ort und Stelle gepflogenen Untersuchungen und dessen, was die Wissenschaft hierüber an die Hand giebt, wird daher in Beziehung auf die vorbeugenden Maßregeln gegen das fragliche Ucbel nachstehende allgemeine Belehrung er- theilt.

j. Von Beseitigung der den CretiniSmns be­günstigenden äußeren Einflüsse.

1) Die erste Rücksicht verdient die Sicherung einer trockenen Lage für die nächsten Umgebungen der Wohnplätze. Dahin gehört, daß in wasserreichen Thä- lcrn und Niederungen zur Beseitigung und Verhütung von Versumpfungen Abzugs-Gräben gezogen werden, durch welche das sich sammelnde Wasser rasch genug ablausen kann, daß Flüsse und Bäche regulirt, in möglich gerade­ster Richtung fortgeführt, und gehörig eingedämmt werden, um (Überschwemmungen und der Bildung von Altwassern vorzubeugen. Seen und Teiche, welche Zu- und Abfluß haben, und um anderer Zwecke willen nicht entbehrt wer­den können, wären auf den Umfang zu beschränken, bei welchem ein rascher Zu- und Abfluß jederzeit gesichert ist; und dafür, daß solche im Stande erhalten werden, wäre mit fortwährender Aufmerksamkeit Sorge zu tragen. Seen und Moräste ohne Zu- und Abfluß wären einzutrocknen

und, der umgebenden Fläche gleich, aufzufüllen. Inner­halb der Ortschaften sollte ganz besonders auf Trockenheit der die verschiedenen Theile des Orts verbindenden Stra­ßen, Gassen und freien Plätze gehalten werden. Zu die­sem Zwecke dient, daß man die Straßen pflastert, oder wenigstens zu beiden Seiten mit steinernen Rinnen (Kan- deln) versieht, welche den nöthigcn Fall haben, um das in ihnen sich sammelnde Wasser rasch wegzuführen. Ins­besondere in Orten, durch welche ein Bach oder Fluß fließt, wäre solcher in möglich geradester Richtung durchzuführen, und das Ufer so aufzubauen, daß (Überschwemmung ver­hütet wird; kleinere Bäche sollten in gemauerten Canälen durch die Ortschaften geführt sepn und theils durch Bede­ckung, theils durch regelmäßige Reinigung wäre dafür zu sorgen, daß sich in ihnen kein Schlamm anhäufe und der freie Abfluß des Wassers erhalten werde. Die Dünger­haufen an den Straßen wären einzuschließen, die Mistjauche- Ansammlungen und Abtritte an den Straßen und in den Hofräumen gehörig zu bedecken. In alten Städten soll­ten die Stadtmauern und Thorthürme abgebrochen werden, welche den Zutritt von Luft und Licht hindern; ferner wäre jede Gelegenheit zu ergreifen, enge Straßen zu er­weitern und Luftverbindungen 'zwischen denselben und zwi­schen den einzelnen Häusern herzustellen. Zu viele Bäume innerhalb der Orte oder in deren nächster Umgebung wä­ren in so weit zu lichten, daß die Sonne den gehörigen Zugang erhält, was um so nothwendiger in Lagen erscheint, welche aus andern Ursachen feucht und schattig sind.

^ 2) Nicht minder wichtig ist die Stellung und E i n-

richtung der Wohngebäude.

Dieselben sollten, wo möglich, auf erhöhter Fläche, und am Besten nach dem sogenannten Sonnenbau aufge­führt werden; wenigstens sollte das Bauen an einen Ab­hang, unmittelbar an eine Bergwand, in den Berg hinein vermieden und auf genügende Breite der Straßen, so wie auf Zwischenräume zwischen den einzelnen Häusern Bedacht genommen werden, so daß Licht und Luft von allen Seiten gehörigen Zutritt haben.

Wo die Wohnungen in tiefen und engen Thälern, Thalkesseln und schmalen Bergeinschm'tten stehen, da sollte bei einem Neubau derselben für ihre Verlegung auf höher gelegene, der freien Luftströmung, und zwar besser dem