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^rühlingsahnen in einer kleinen Gasse
Von Ois» kuriert
Eine Woche und länger hat der Soldat die unermeßlichen Weiten des fremden Landes durchfahren. Brausend umgab ihn bei Tag und Nacht das schwermütige Lied der Näder der Achsen, der Bremsgestänge. Vorwärts ging es, immer vorwärts — der Heimat entgegen.
^Wieder vergeht dem Soldaten eine Nacht im Stampfen der Näder, im Stoßen der Wagen, im Fauchen der Maschine. Der frühe Nachmittag aber findet ihn in einer alten fränkischen Stadt, deren Name einen Klang hat m ganz Deutschland. Müde und unschlüssig steht er auf dem Bahnhofsplatz. Schon will er sich wenden, will die wenigen Stunden, die er hier Aufenthalt hat, irgendwo in einem Gamtubenwinkel verdämmern. Da fangen seine Füße zu gehen an, schreiten über den Platz, streben auf die Stadt zu. Etwas hat ihn angernhrt, seltsam wie eine Vision der Vergangenheit, wie ein Traumbild aus seiner Jugend.
Einen Turm sieht er vor sich. Nund und behaglich lehnt er sich an ein Stück altersgrauer Mauer. Unter dem spitzen hohlziegel- gedeckten Turmhelm hervor blinzeln gnt- mütig zwei schmale Fensterchen'zu ihm herüber. Aber das schönste sind Wohl die beiden Scharwachttürmchen. Gleich unter dem Dach wachsen sie hervor: Türmchen wie der große Turm, den feinen spitzen Ziegelhelm wie eine Mutze ms Gesicht gezogen, kleine lustige Kobolde hoch über dem Getriebe der Menschen.
Da kann der Soldat nicht anders, er muß aus dieses Märchen aus verklungener Zeit zngehen. Er schreitet an dem tiefen Stadtgraben entlang und schaut hinüber zu der hohen Mantelmauer, die sich noch immer schützend um die Stadt legt. Er sieht die Turme kommen und gehen. Kaum einer gleicht dem andern. Doch traut sind sie alle und heimelig.
Eine Brücke führt setzt über den Graben. Ein Tor lockt den Soldaten, einzutreten in die Geborgenheit der alten Stadt. Er läßt die Ringstraße mit ihrem geschäftigen Leben hinter sich- Ein Gewimmel von Gassen tut sich vor ihm auf, winkelig, klein und versäumt. Er laßt sich treiben von Laune und Zufall wendet, sich bald rechts, bald links und steht mit einem Male in einem wunderlichen kleinen Gäßchen. Nothahnengäßchen heißt es. So plaudert das blaue Schild an der Ecke geschwätzig.
. Scheu wie einer, der in Sine verbotene Welt euldringt, verhält der Soldat den Schritt. Ein Haus ragt vor ihm auf. stolz und hoch- giebelig wie eine Burg, aber traulich doch mit seinen schiefgesunkenen Wänden und seinen dunklen Fensteraugen. Ein struppiger Bttbenkopf erscheint m der offenen Dachluke. Eine Mundorgel blitzt auf. Leise und schüchtern schweben alsbald die Töne hinab in die Gas,c. Seltsam greift es dem Soldaten ans Herz, dieses schlichte kleine Lied.
Da öffnet sich drunten die schwere Türe und aus dem Dämmer des Hausflures tritt ein kleines Mädchen hervor. Ein paar Herzschläge lang steht es und lauscht. Dann nimmt der Zauber auch das Kind gefangen. Es hebt die mageren Aermchen und beginnt sich sacht im Zeitmaß der Melodie zu drehen. Ganz hin- gegeben ist es aii den einsamen Tanz. Die grauen Augen beginnen zu glänzen und ein seines Not fliegt über das bleiche Gesichtchen
Doch was ist nun? Zwei schwarze Gestalten kommen die Gasse herauf, sonderbar wie aus einem, Bilderbuch. Zwei Schlotfeger sind es. Lehrlinge Wohl noch. Sie fassen die kleinen Leitern fester und setzen die Füße leicht, fast spielerisch auf das Pflaster. Es ist. als sühl- ten sic, der Hall ihrer Schritte dürfe das kleine Lied nicht stören. Mit einem Male fan
gen sie leise an zu pfeifen im Einklang mit dem jungen Spielmann dort oben.
Der halt einen Augenblick inne, wie um Atem zu schöpfen. Aber dann setzt er das kleine Instrument wieder an die Lippen. Ein Mädchen kommt des Weges daher, schmal und zart. Ganz versunken ist sie. ganz erfüllt von dem Lauschen. Sie schrickt ein wenig zusammen, als sie die Lider hebt und sich einem Soldaten gegenübersieht, der wie verloren an der Mauer lehnt. Doch sie tut einen Blick in sein stilles Gesicht und sagt dann leise wie aus ihren Gedanken heraus: „Es will Frühling werden. Man kann es schon spüren hier in der kleinen Gasse."
Der Soldat sieht den warmen sehnsüchtigen Glanz in ihren Augen, nickt und spricht: „Ja, Frühling!" und ein tiefes Freuen durchrieselt ihn. Leise verhallen die Schritte des Mädchens, als er sich von der Hauswand löst und der Stadtmauer zustrebt. Unter dem Tore bleibt er noch einmal stehen, lauscht zurück in die Stille und spricht bei sich: ..Wenn meine
Zeit in der Heimat um ist, will ich gerne wieder Wache stehen im Osten, damit in euren Gassen der Friede webt."
Ein Examen Napoleons
Ende Januar 1814 ist Blücher auf'seinem Vormarsch nach Paris in Brienne angelangt.
Möglichst schnell will er das Heer Napoleons, mit dem er bereits in Fühlung gekommen ist, angreifen. Da es aber aus sechzig- tausend Mann besteht und er augenblicklich nur die Hälfte der Soldaten zur Verfügung hat. wartet Blücher aus Verstärkung durch einen Teil der Schwarzenbergischen Hauvt- armee.
Ehe diese jedoch heran ist, wirft sich Napoleon mit seiner Uebermacht jäh auf die Blü- cherschen Truppen.
Unbesorgt nimmt Blücher den Kamps auf und meint zu Beginn desselben voll Humor: .Lierän Brienne hat ja der-Kerl. der Bonaparte 'auf der Kriegsschule studiert. Da kann er nun nachträglich sein richtiges Examen machen. Wir aber woll'n ihm bei der Gelegenheit zeigen, daß wir auch was Ordentliches gelernt haben." ziüller-kiüäersilork
Oer alte Lanöbriefträger, v°»
l-orenr 8trobl
Mit 65 Jahren wurde der Landbriefträger Zagler aus dem Dienst entlasten. 44 Jahre hatte er in der Gemeinde Zeitungen und -Briefe ausgetragen. Jeden Tag neun Kilometer unter die Beine genommen. Das waren im Jahr rund 3200, m 44 Jahren 140 800 Kilometer. Als ich das dem guten Zagler vorrechnen wollte, um zu beweisen, daß seine Ruhe wohlverdient wäre, schüttelte er nur müde den Kopf. Nun erst, seit dem Tage der Entlassung, spürte er, daß ihn die 140 80«
Kilometer ein wenig müde gemacht hatten.
Alt? Zagler ist nicht alt.
Nur ein wenig müde und diese Müdigkeit würde er schnell vergessen, wenn...
Entlassungen sind nicht umzustoßen. Sind Gesetz.
Wenn um fünf Uhr morgens der Postzug an seinem Haust vorüberfauchte, sprang der Alte wie ein Junger aus den Federn, griff nach dem Lederranzen am Mauerhaken.
„Ach so... der Haken ist ja leer... Ein Junger trug nunmehr den Ranzen..."
Zagler war zu nichts mehr nutz., war altes Eisen...
Das läßt sich schwer begreifen, wenn man 44 Jahre in der Arbeit gestanden hatte. In 44 Jahren wird Arbeit zum Leben.
Rast ist Rost. Zagler spürt es in den Knochen, die er an der Sonne wärmt.
Rast ist Zerfall ist der Anfang vom Ende.
Zagler will nicht rosten, will schaffen.
Ein Landbriefträger, der mit 140 800 Kilometern dreieinhalbmal den Erdball umauert. kann nicht still sitzen. Muß wandern, marschieren. sonst dickt das Blut in den Adern und stört den Kreislauf. Das ist ganz natürlich.
Aber auch anders ... Da war er vor etz- lichen Monaten noch Landbriefträger, konnte den Bauern beistehen mit Rat und Tat. Durfte der datterigen Webermutter die Brief- adreste allemal schreiben für ihren Sohn in Amerika, durfte . . . durste . . .
Und heut ist der Zweck des Lebens mit der Arbeit ausgelöscht. Das ist schwer.
Da kam über Nacht der große Krieg. Bereits am zweiten Mobilmachungstag erhielt der junge Landbriefträger seinen Gestellungsbe
fehl. Sein Posten war verwaist. Und der alte Pensionist? Vom Postamt kam ein telephonischer Anruf:
„Wenn er wollte . . .? Im Kriege müßten eben alle Hände zusammengreifen, um den Sieg zu erringen . . ."
Wollen . . .? Das ist doch selbstverständlich und neben dem Wollen und Willen steht immer auch das Können.
68 Jahre zählt heute unser Landbriefträger Zagler und es ist. als hätte ihm der Krieg mit der Arbeit ein zweites, neues Leben geschenkt, ein zweckbestlmmtes Leben.
„Nicht müde, lieber Zagler?"
...Hab keine Zeit dazu. Und wenn meine. Buben Tag für Tag 50 Kilometer und mehr dem Russen aus die Fersen sind, darf und kann ich nicht jammern wegen meiner lausigen 9 Kilometer.
Unsagbar stolz ist der alte Landbriesträger. weil er mitmarschieren darf den Weg zum großen, deutschen Sieg.
vor Gericht
Sepp und Ignaz stehen vor Gericht; Sepp als Angeklagter und Ignaz als Zeuge. Da fragt der Richter den Sepp: „Sie sollen also dem Zeugen eine Ohrfeige gegeben haben?" Sepp: „Ausgschlosse! I hau eah koine geabe." Ignaz: „Er lügt, Herr Richter . . ." Sepp: .Wischt rt glei schtill. konscht kriagsch nomol oine . . .!"
GLand!
D öu wunörrjam Landl Gen Süden umkränzen dich ragende Berg«, das Vorland umspülen die Master des Ser», der weithin sich breitet.
Neuschnee wandelt das Bergufer drüben ln winterlich Land.
Schneeglöckchen hier in detl Gärten ln drängender Zülle,
Thristrosenbüsche mit Blüte an Blüte, lln Gasten und Gäßchen lärmen die Kinder ln fröhlichem Spiel.
G du wundersam Landl Traum und Erfüllung zugleich!
D liebes» lichtes Land, daraus der Winter schwand!
Zum Arühlingslicü der Staren die Silberwvlken fahren wohl über Leut und Land.
G liebe, deutsche Leut' steht recht in stet gnü Zreuö'l Kll Leid aus tausend Zähren als Wintersnot wird fahren weit weg aus deutschem Land.
<V liebes» lichtes- Land, daraus der Winter schwand.
- Lrnst blutzekler
An öen Anrechten gekommen
Von Hans brnnek
Nach Beendigung der drei Schlesischem Kriege ergaben sich, da sie im Frieden des Ueberschusses ihrer Kräfte nicht ledig werden konnten, manche Soldaten Friedrich des Großen einem wüsten Wesen. Insbesondere die Husaren Zietens verfielen dem Branntwein in einem Maße, welches ihr General ungestraft hingehen lassen mochte — denn er wußte, baß ans einem Pferd, welches vor Lebensmut über die Stränge schlägt, im Notfall weit mehr herauszuholen ist als aus einem allzeit folgsamen Mucker, das aber der König — weil er um des Ganzen willen auf' Zucht und Ordnung halten mußte — nicht dulden konnte.
Friedrich beschloß also, die Zieten-Husaren, zu besichtigen und dabei nicht nur ihre soldatische Tüchtigkeit., sondern vor allem ihr außerordentliches Verhalten streng zu überprüfen.
Gleich bei dem ersten Husaren, der ihm vor die Augen geriet, schien eine Untersuchung des Lebenswandels dringend geboten. Denn über dessen Stirn zogen sich zwei rotunterlaufene Narben hin: offensichtlich nichts anderes als Nachbleibsei einer wüsten Schlägerei.
Der König — des Glaubens, ohne Verzug an den Rechten, nämlich an einen Saufbruder gekommen zu sein — fragte höhnisch: „In welcher Schänke, hat Er sich seine Liebe abgeholt?"
„In der Schenke von Kolin!" antwortete der Husar.
Friedrich, vor Eifer den Stolz dieser Worte überhörend, fuhr ärgerlich auf den Zernarb- ten ein: ,,Gib Er genaue Antwort, wenn Sein König Ihn fragt. Also: In welcher Kneipe zu Kolin hat Er Hiebe bekommen?"
„In jener" erwiderte der Husar unver» wirrt, „wo Eure Majestät die Zeche bezahlten. Und zwar mit unserm Blut."
Friedrich der Große riß ohne ein Wort der Erwiderung sein Pferd herum und verzichtete — an den Unrechten gekommen — sowohl auf die Nachprüfung der soldatischen Tüchtig, keij wie auch des außerdienstlichen Verhaltens der schlachtbewährten Zieten-Husaren.
Denn an die schlilnmste Niederlage seines Lebens, an jene, welche ihm die Oesterreicher bei Kolin beibrachten, wurde der königliche Sieger unzähliger Schlachten nicht gern erinnert.
Das Liebeslieö
Dltvae«! Krieg 8kirre von 8 lepd»o Keorgl
Dort draußen auf dem Landzipfel saßen sie wieder, am Hügel über dem nahen Strand, von wo aus man zurücksah auf jenes vielfältig turmreiche Kopenhagen, das die Tage von Düppel und Alfen noch frisch im Gedächtnis hatte, hinübersah zu den Buchenwäldern von Amager und hinaus auf den tiefblauen Oere- Sund.
Der junge Mann, kaum mehr als zwanzig Jahre alt. neigte sein zartes Gesicht, das auch in Sonne und Seewind nicht recht bräunen wollte, lauschend dem neben ihm sitzenden Mädchen.zu, zog eine ernst-bedenkliche Miene, hinter der das schmunzelnde Lachen verborgen war und sagte: „Du. Nina, das ist doch schon wieder ein Lied von „diesem jungen Edvard", das du da summst."
Das Mädchen verbarg ebenfalls ein Lachen N-Zuckte hilflos mit den Schultern. „Ja, es ist schrecklich, daß einem diese Lieder nicht mehr aus dem Kopf gehen. Den ganzen Tag über stecken sie drin, selbst ioenn man zu Hause am Klavier sitzt, um zu üben, sind einem schon, ehe man es abwenden kann, Melodien von „diesem jungen Edvard Grieg" (sie tupfte ihm dabei mit gestrecktem Zeigefinger vorwurfsvoll auf die Brust) in die Tasten geschlüpft. Man muß etwas dagegen tun."
„Untersteh dich!" protestierte er. „Ich weiß niemand, der meine Lieder besser singt als du. Und im übrigen werde ich unermüdlich dafür sorgen, daß der bisherige kleine Vorrat nicht ausgeht."
Nina zog die Knie an und legtö die gefalteten Hände darum. „Manchmal denke ich: Wo kommen ihm alle diese wundervollen MSlodien eigentlich her? Das kann doch nicht nur einfach so ersonnen werden?"
„Wo das herkommt?" wiederholte Edvard. Er sah sinnend der Rauchfahne eines Schif
fes nach, das in der Ferne gemächlich nordwärts zog. „Das sage ich wohl am besten mit den Worten unseres großen Landsmannes, des norwegischen Geigers Ole Bull. Als ich mit ihm einmal von Bergen aus in die Fjorde wandelte, wies er umher und erklärte: Siehst du, die Berge da. die Seen und Flüsse, die- Täler und Haine und der blaue Himmel darüber, die haben meine Musik gemacht, nicht ich; so ist mir s auch oft beim Spielen, als ob ich nur mechanische Bewegungen ausführe und stummer Zuhörer sei, während die Seele Norwegens in meiner Seele schwingt."
„Das ist schön gesagt," nickte das Mädchen andächtig.
„Oh, unser Ole Bull!" rief Edvard schwärmerisch. „Das ist ein ganz Großer, als Mensch und Künstler. Und wenn er es nicht gewesen wäre, der meine musikalischen Anlagen entdeckte, so säße ich Wohl noch heute zu Hause und plagte mich unmutig mit Theologie, wäre nicht nach Leipzig zum Studium gekommen, nicht hierher, nach Kopenhagen, in den befruchtenden; wegweisenden Freundschaftskreis mit Rikard Nordraak, dem kraftvollen Künder nordischer Kunst. Und hier, Nina, hier fühle ich, wie mir Flügel wachsen."
Er legte ferne Hand auf die des Mädchens. Nina wurde ein wenig rot dabei. „Ja," fuhr Edvard fort und setzte wieder sein übertrieben ernstes Gesicht auf, „dann ist mir in Kopenhagen allerdings noch etwas ganz Schreckliches Passiert. Ich habe hier nämlich meine Base getroffen, eine gewisse Nina Hagerup; ja, dieselbe Nina, die schon so lange aus ihrer norwegischen Heimat fort ist. daß ich sie hier erst kennen gelernt habe."
„Oh. das muß wirklich ganz schrecklich sein!"
Da lachten sie beide, sprangen auf, reichten sich die Hände.
„Es dunkelt schon. Die Mutter wird warten," sagte sie.
„Die Mutter!" sagte auch Edvard. Aber er tat einen tiefen Seigrer dabei.
Doch die unbekümmerte Zuversicht der Jugend war stärker. Als er sich von Nina verabschiedet hatte, wurde das leichte Bangen, das ihn beim Gedanken an Ninas Mutter befiel, schon wieder von etwas anderem verdrängt. Es saß ihm etwas im Kopf, etwas Melodisches, sehr Bedeutungsvolles, eine Melodie zu einem Gedicht von Andersen, das er schon lange mit sich herumtrug. Diese Melodie, dieses Lied, wollte er niederschreiben, wollte es morgen, wenn er zu Hagerups ging, Nina mitbringeu. Er eilte, beschwingt von dem Klingen und Singen, das m ihm war. seiner Wohnung, seinem Klavier zu.
Frau Hagerup, die ehemals gefeierte Schauspielerin, hatte ihre geheimen Bedenken. Dieser junge Verwandte aus Bergen, „dieser junge Edvard", und die Nina, die beiden steckten ihr zu oft beieinander. Nun, vielleicht irrte sie sich, vielleicht sah sie in mütterlicher Besorgnis zu schwarz.
Als Edvard am nächsten Tage kam, hatte er für Frau Hagerups Kaffee- und Kamilien- gespräche wenig Aufmerksamkeit. Er habe eine neue kleine Komposition geschrieben, erklärte er. die müsse er gleich einmal mit Nina durchspielen. Damit ging er mit seiner Base ins Musikzimmer und brachte das Manuskript hervor.
„Ein neues Lied?" forschte Nina?
„Eigentlich," sagte er und wurde nun doch ein wenig stockend in seinen Worten, „eigentlich ist es mehr als nur ein Lied."
Sie nahm das Blatt und las den Titel: Ich liebe dich!
Frau Hagerup, die sich im Nebenzimmer zu schaffen machte, hörte die neue Melodie, hörte die jubelnd hinausgerufenen Worte:
„Du mein Gedanke, du mein Sein und . Werden.
Du meines Herzens erste Seligkeit!
Ich liebe dich wie nichts auf dieser Erden,
Ich liebe dich in Zeit und Ewigkeit!"
Da machte Frau Hagerup ein paar unschlüssige, abwehrende Handbewegungen und ließ sich in den Sessel fallen. „Also doch! Die Nina! Das arme Kind! Und dieser junge Edvard! Er wäre besser in Norwegen geblieben, statt hier dem Mädel den Kopf zu verdrehen."
Sie klagte noch am gleichen Abend ihren Gästen ihr Leid. Aber Herr Steenberg. Opernsänger am Königlichen Theater, war ein verständiger Mann und konnte die Befürchtungen Frau Hagerups keineswegs teilen. „Ich glaube an diesen jungen Edvard Grieg. Und nicht nu> ich; auch alle anderen aus den Kreisen nordi scher Kunst sind gut Freund mit ihm und halten viel von seiner Zukunft."
„Zukunft!" fiel Frau Hagerup ein. „Künstler pochen gewöhnlich so lange auf ihre große Zukunft, bis sie darüber zugrunde gehen. Ich war selbst lange genug in dieser Branche uni weiß Bescheid. Ein Musiker! Er ist nichts und
at nichts und macht eine Musik, die niemand ^ören will. Von seiner letzten Liedersammluna sind zwei Exemplare verkauft worden. Zwei Exemplare, Herr Steenberg I Ein Künstler» Nein, ich will es nicht! Ich bin dagegen!"
Der junge Edvard Grieg und die noch etwa? jüngere Nma Hagerup aber waren durchaus dafür. Dagegen war nicht anzukommen. Und als Edvard einige Zeit später m,t einem Konzert in Christiania aufsehenerregenden Erfolg hatte, mußte Frau Hagerup Wohl oder übel
"*He^rr^Steenberg aber sollte Recht behalten mit seiner Prophezeiung: „Er wird in der Welt noch einmal von sich reden machen." Es dauerte nicht mehr lange, bis der Name des e jungen norwegischen Komponisten über die Grenzen Skandinaviens hinausürang und mit „Peer Gint" schließlich Weltruhm erlangte Und ebeiiso weltbekannt wie sein Name, ist auch Edvard Griegs Liebeslied geworden.
HerariSgcael'en im Auftrag »er NS.-Prege Wart- tcmbera von Hans Revbino. Mm ». D.