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Mutter Pflüger war ganz allein zu Hause geblieben, und sie fand es durchaus in der Ordnung, wenn eine alte Frau wie sie nicht als ein grauer Schatten den gesunden Ueber- mut der Jugend dämpfte. Im Grunde ge­nommen war sie freilich noch nicht so alt, wie sie selbst zu sein wähnte und wie die anderen m unbewußtem Eigennutz sie glauben mach­ten, wenn schon der Kummer um den ein­zigen Sohn, den ihr der große Krieg genom­men hatte, ihr dunkles Haar vor der Zeit mit vielen silbernen Fäden durchwirkt hatte. Damals war ein Riß durch ihr Leben ge­gangen, und auch die langen Jahre der Ge­wöhnung hatten ihn niemals ganz zu heilen vermocht. Sie, die vordem ein überaus froher und geselliger Mensch gewesen war, fühlte sich seither dem Dasein nur noch lose ver­bunden durch die gewissenhafte Erfüllung all­täglicher Pflicht, und oft drohte bas Gefühl gänzlichen Verloren- und Verlassenseins so übermächtig zu werdem daß einzig noch die Erinnerung an schöne Tage ihr so viel Kraft u geben Vermochte, daß sie die Last eines Lebens unter Fremden und für Fremde auch weiterhin ertrug.

In solchen schwarzen Stund.en verschloß sie sich hartnäckig icdem gutgemeinten Trostwort und floh in ihre Kammer, wo sie in Schrank und Lade alles sorgsam verwahrt hielt, was das Bild des Frühvollendeten stets aufs neue vor ihren Alugen leibhaft erstehen ließ. Manch einer und zumal die unbeschwerte Jugend ist geneigt, solchen Erinnerungsaltären altern­der Menschen mit mitleidigem Spott zu be­gegnen. Mutter Pflüger wußte das und dar­um hütete sie ihre Heiligtümer ängstlich vor unberufenen Blicken, Heute aber, da der

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sonnenhelle Tag alle Störenfriede ins Freie hinausgelockt hatte, durfte sie ungescheut die Kostbarkeiten, an denen ihr Herz hing, um sich her ausbreiten, von der Kasperlepuppe des Knaben bis zu den Kriegsbriefen des jungen Mannes. Sie hatte diese Briefe schon so oft gelesen, daß sie einen jeden auswendig kannte vom ersten bis zum letzten Wort. Gleichwohl fühlte sie sich, sobald sie nur das gilbende Papier in Händen hielt und auf die vertrauten Schriftzüge niedersah, auf eine ge­heimnisvolle, von Mal zu Mal tiefere und innigere Weise mit dem Abgeschiedenen ver­bunden. Zumal der letzte seiner Briefe hatte es ihr angetan, dessen Schlußsatz lautete: ,H»iex ist es, beinahe über Nacht, Frühling ge­worden. Vor mir am Grabenrand blühen, mitten in Graus und Verwüstung, ein Paar honiggelbe Schlüsselblumen, ein tröstlicher Beweis dafür, daß das Zarteste zuletzt auch das Härteste zu überwinden vermag. Man fühlt gerade jetzt in diesen kleinen und schein­bar nebensächlichen Dingen die heilige Gesetz­mäßigkeit des Lebens stärker als jemals und

nimmt unverdrossen auf sich, was der Tag fordert. Man sagt, daß es heute zur Nacht Wohl noch heiß hergehen wird und ich weiß nicht . -

Die tödliche Kugel war mitten durch den unvollendeten Brief gegangen, den der Sol­dat Wohl, vom Plötzlichen Angriff überrascht, schnell an seinem Herzen geborgen hatte. Und immer, wenn die unglückliche Mutter ihre Blicke darauf ruhen ließ, war es ihr zumut. als führe das kalte Blei auch durch ihr eige­nes Herz und hemme für eines Atemzugs Länge seinen Schlag.

Als sie nach einer langen Weile des Be­sinnens die Briefe, sauber gebündelt, wieder verwahren wollte, zuckte ihre Hand erschrocken zurück: aus dem Dunkel der Lade taumelte mit Mühsal ein großer, bunter Falter her­vor, stieß ungeschickt Wider ihre Hand, ihr tief herabgeneigtes Gesicht und sank endlich wie erschöpft in ihren Schoß nieder. Sie nahm das zarte Gottesgeschöpf, ein prächtiges Pfauenauge, behutsam auf und wärmte es mit ihrem Atem. Da begann es sich mutiger

zu regen, der Sonne zustrebend, die ihm Er­füllung der eingeborenen Sehnsüchte verhieß.

Mutter Pflüger öffnete das Fenster angel­weit und hielt den Schmetterling hinaus in den warmen Frühlingstag. Kaum spürte er das Fächeln der warmen Luft, so hob er sich auf und flog dahin. Die alte Frau sah ihm nach und ihr Herz ward so sehr erschüttert von dieser kleinen, zufälligen Begebenheit, daß sie laut in Sonne und Wind hineinsprach:

Tod. wo ist dein Stachel?"

Denn es ward ihr in diesem Augenblick zur unerschütterlichen Gewißheit, daß zwar die Form des Lebens stets wandelbar und ver­gänglich bleiben mußte, daß dies heilige Leben selbst aber unverweslich und von Ewigkeit war, mochte es sich nun in dem bescheidenen Lebenskreis eines kleinen Schmetterlings oder dem reichgefügten eines Menschen offenbaren. Diese Erkenntnis aber stärkte und tröstete aus eine wunderbare Art ihr Herz, das sich lange Zeit in der dunklen Haft fruchtloser Trauer versponnen gehalten hatte wie der Schmetter­ling in seinem Gehäuse. Und sie gelobte zu dieser Stunde, sich fortan wie jener freudig und ohne Zagen unter das ewige Gesetz zu stellen.

Große Musiker, die nicht Musiker werden wollten

Der mit seiner Trupve unstet durch die Lande ziehende Theaterdirektor von Weber benötigte nicht viel fremde Künstler. Er hatte aus erster Ehe acht bereits musikalisch und bühnenmäßig herangebildete Kinder, dazu ans zweiter Ehe den Jüngsten, den Karl Ma­ria. seine große Hoffnung. Ohnehin schon im­mer voll abenteuerlicher Pläne, überspannt in Großmannssucht, war der Direktor von der fixen Idee besessen, aus seiner Familie unbe­dingt einen Wunderknaben gleich Mozart hervorzubringen. So würde der zarte, schmäch­tige Karl Maria fchon in frühester Kindheit ans Klavier gesetzt und zum Neben gezwun­gen. Allein die sinnlose Methode des Uebens, die nichts anderes als das Experiment eines Zuchtversuches war und nur auf brillierende Effekte hinausging, verleidete dem Knaben jede Liebe zur Musik und machten ihm das Studium verhaßt. Vergeblich wartete der ehr­süchtige Vater auf das endliche Hervorbrechen der Genicblitze. Sie kamen nicht. Der Knabe schien überhaupt keine musikalische Begabung zu besitzen, er wollte nichts wissen von der

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dring überwachte, ihm verärgert mit dem Geigenbogen auf die Finger schlug und rief: Karl, du kannst vielleicht alles werden, aber ein Musiker wirst du nie!" Es erwies sich jedoch, baß die Anlagen des Knaben unter der falschen Methode nur verschüttet waren, daß es nur eines folgerichtigen exakten Un­terrichts bedurfte den er später bei Michael Haydn erhielt, um das Verborgene zu Wecken..., um später der Karl Maria von Weber tzn werden, der denFreischütz" schuf. *

Giuseppe Rossini war Stadtmusikant, seine bewunderungswürdige schöne Frau Sängerin. Beide zogen ambulant durch die Städte der Romagna und ernteten mit ihrem Gewerbe genug klingenden Beifall, um sich daheiin, in Pesaro, ein Hänschen kaufen zu können. Gio- achino, das einzige Kind, wurde während ihrer Abwesenheit der Obhut eines befreun­deten Garkochs und dem Musikunterricht des Bolognesen Prinetti überlassen. Denn was anderes sollte aus dem Jungen werden als ebenfalls ein Musiker! Gioachino jedoch zeigte nicht die geringste Lust zur edlen Tonkunst, fand die öden Exerzitien bei dem Tyrannen Prinetti unausstehlich; er verweilte viel lie­ber bei den leckeren Düften in der Garküche

und wandte viel mehr Sorgfalt auf hübsche Kleider und wohlriechende Pomade. Erbost über so viel Interesselosigkeit der heiligen Mustka gegenüber ordnete der Vater eine Ra­dikalkur an: Er gab den eitlen Widerborst zu einem Grobschmied in die Lehre. Statt des Klaviers nun der Blasebalg, statt Küchen­düfte übler Qualm, statt pomadisiertes Haar rußgeschwärztes Gesicht. Es dauerte nicht lange, bis Gioachino reumütig zu den Eltern zurückkam und gelobte, sich nun mit Eifer dem Musikstudium zu widmen, wenn man ihn nur aus dieser Lehre nähme. Man nahm ihn. Und er hielt sein Versprechen. Dreißig Jahre später spielten Bühnen in aller Welt die Opern von Gioachino Rossini, den seine Landsleute vergötternd denSchwan von Pesaro" nannten.

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Kurz nach der Geburt ihres Sohnes Niccolo soll der Mutter im Traum ein Engel erschie­nen sein, der ihr einen Wunsch bewilligte. Die Mutter soll gewünscht haben, ihr Sohn möge der größte Geiger der Erde werden. Jahr­aus, jahrein klangen nun aus jenem Hause in der Passo di Gatta Mora zu Genua von früh bis spät Geigentöne. Gezwungen von dem egoistisch harten Willen des Vaters, mußte der hagere, langmähnige Knabe in sei­ner Kammer täglich bis zu vierzehn Stunden auf der Geige üben, bei jeder eigenmächtigen Pause aufs neue angetrieben. Er kannte keine Freiheit. Wußte nichts vom Umhertollen mit anderen Kindern, vom Ball aus grüner Wiese, vom Zauber des Hafenlebens; er kannte nur seine Kammer und seine Geige. Heimlich hin­aus? Im Schutze der Mutter, die einzige, die tröstend zu ihm hielt? Ein Paarmal hatte er es versucht. Prügel, Hunger und Verdoppe­lung der Uebungsanstrengungen waren die Folge gewesen. Verschlossen, verdüstert ergab sich Niccolo seinem Los. ging mit freudlos verbissener Zähigkeit seinen endlosen Hebun­gen nach, vermochte schon als Sechsjähriger jedes Musikstück vom Blatt zu spielen, eigen­willig kühne, verblüffende Griffe auf dem Instrument auszuführen. Und träumte da­von, endlich erwachsen, frei zu sein, den Ge­genstand seiner Qual, die Geige, zu zerschla­gen. Er zerschlug sie nicht. Mit einer ver­lorenen Jugend hatte er sich eine Virtuosität auf seinem Instrument erkauft, die nahezu ans Unfaßbare grenzte. Er wurde Niccolo Paganini, der größte Geiger aller Zeiten.

^ Ltekan Leorgi

Föhremied

Erfaßt mich, ihr Windel ,

Erfaßt mich in zornigem Watinei ^ j

tzch bin ans Sem Berg eine singende Zöhre.

Mein Stamm ist der Mast, mein Gezweige die sudelnde . Zahne

Sie rausch« unö stimmt ein in Sie tosenden Ehöre.

Stürzt nieder, ihr Schauer!

Stürzt nieder in jagenden Böen!

der Sturm ist mein flhn, wie Sie Zlut meine flhnr. >

tzch stehe mit flaggendem Kleid über Tälern und '

Höhen:

Es klatscht um den Mast meine jauchzende Zahne!

Entfesselt die Lüste,

Ihr tobenden Sturmesgewaltenl

Noch stehe ich fest, ein gewappneter Wächter.

Mein flmt ist, die blanke, zerflatternde Zahne zu

halten,

die peitschend dahinfegt mit gellem Gelächter!

du Sturm unterm Himmel, dein Wüten ist mir zu GefallenI Zrohlockend ertönt dein Gesang mir zur Seite, tzch höre die winkenden Wälder erbrausen unö Hallen Unö schwenke die Zahne hinaus in die weite!

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Oesterreich war im Frühling 1809 in den Krieg gegen Napoleon eingetreten. Doch war es allein nicht stark genug, sich gegen den Korsen, der über eine zahlenmäßig weit über­legene Truppenmacht verfügte, siegreich zu behaupten. Zwar hatte der eine der beiden österreichischen Befehlshaber, der Erzherzog Karl, in der Maischlacht bei Aspern dem Franzosenkaiser seine erste große Niederlage beigebracht, doch verlief in oer Folgezeit der Kamps zuungunsten Oesterreichs, und im Herbst des Jahres mußte es sich nn Frieden zu Wien von Napoleon die Bedingungen dik­tieren lassen, die es wertvoller Gebiete be­raubten.

Als die Donaumonarchie es gewagt hatte, dem machtgierigen Franzosenkaiser entgegen­zutreten, rieten führende preußische Patrio­ten, unter ihnen Blücher, König Friedrich Wilhelm HI., dringend, die Preußen an der Seite der Oesterreicher marschieren zu lasten.

Doch der König konnte sich aus seiner Lau­heit und Mattigkeit nicht aufraffen. Wahr­scheinlich wäre sonst schon damals die Macht­probe gegen Napoleon zu dessen Schaden aus­gefallen.

Blücher war im Innersten verknnrrt ob solchen schwächlichen und törichten Zauderns des Königs. Auch persönlich hatte er Grund, verärgert zu sein.

In einem Brief an den Grafen Götzen machte er seinem Herzen Luft:Unseliger Verdruß ist mir zuteil geworden. Seine Maje­stät schien auch Mißtrauen gegen mich zu äußern. Diesem begegnete ich denn dadurch, daß ich meinen Abschied verlangte. Statt des­sen hat man mich zum General der Kavallerie ernannt. Ich habe ihm gedankt, aber dabei auch geradeheraus gesagt, daß der General der Kavallerie nie anders denken und handeln würde als der Generalleutnant und baß die Ernennung keinen Wert für mich hätte, wenn ich nicht mehr im Besitz seines Vertrauens wäre. Noch will ich eine kleine Frist, geben. Ordnet es sich dann nicht und kommen wir nicht zu einem Entschluß, so gehe ich und ver­wende die Kräfte, die ich noch habe, ander­weitig zum besten meines Vaterlandes. Trage Fesseln wer da will ich nicht!"

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. Königskerzen

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Fest in Sanssouci.

Es war kein kurzweiliger Abend, aber der König konnte nicht fehlen.

Friedrich stand in einer Fensternische, sprach bald mit diesem, bald mit jenem der Gäste, und dann war er wieder allein.

Da fiel es ihm plötzlich ein, den langweili­gen Abend doch noch nutzbringend zu ver­wenden.

Er zählte die Kerzen, die im Saal brann­ten, und prägte die gefundene Zahl seinem Gedächtnis ein.

Ein Paar Tage später wurden Friedrich die Rechnungen der letzten Zeit vorgelegt.^

Er pruste sie mit gewohnter Sorgsamkeit, und plötzlich ruhte sein Blick auf den Aus­gaben sür das letzte Fest.

Vierhundert Kerzen waren da verzeichnet.

Vierhundert? Sollte er sich verzählt haben? Nein, unmöglich, es waren an jenem Abend genau dreihundertundfünfzig Kerzen im Saal , gewesen.

Der König sah zu dem Manne hinüber.

> dem er bisher stets vertraut hatte.

! Er wollte ihn heiMrufen, sagte dann aber nur:

Er kann gehen, die Rechnungen bleiben . hier, ich will sie noch in Ruhe überprüfen."

Einen Augenblick stutzte der Angereoete, dann verbeugte er sich und ging hinaus.

Beim Hofkerzenmacher trat der König eine Weile später ein.

,Meib' Er ruhig bei der Arbeit, wollte , nur wissen, wieviel Kerzen Er zum letzten

> Fest ins Schloß geliefert?"

Vierhundert. Majestät, vierhundert Ker-

> zen bester Sorte. Darf ich fragen, ob Majestät nickt zufrieden waren?"

Doch, doch, Bulemann, sehr zufrieden bin , ich. Leb' Er wohl, Hab' keine Zeit mehr, muß weiter"

Zum Teufel, durchzuckte es den König, da stimmt etwas nicht! Wo stecken die fünfzig Kerzen?

Der König ritt hinaus, ganz allein, wie er es gern tat. wenn ihn etwas beunruhigte; da fand er am besten die rechten Entschlüsse.

An einem Dorf begegnete er einem Hoch­zeitszug.

Keiner erkannte den König, der einen alten Wetterhut tief ins Gesicht gezogen hatte und einen vergilbten Mantel trug.

Im Dorfkrug stellte Friedrich das Pferd ein.

Allmählich war es Abend geworden.

In einer Nische des Tanzsaales in Hut und Mantel, von niemanden beachtet, stand der König und sah, wie sich der Hochzeitszug nun in Paare auflöste und bald em fröhlicher Reigen begann.

Plötzlich durchzuckte es Friedrich, nnd er begann, fast unbewußt, die Kerzen zu zählen, die den Raum erhellten. Er zählte einmal, zweimal, dreimal, und immer wieder kam er auf die Zahl fünfzig.

Sag' Er, Wirt, wer ist der Bräutigam?"

Das wissen der Herr nicht, wo das ganze Dorf seit Wochen nur von dieser Hochzeit spricht?"

.Mn nicht von hier, Wirt, bin von Pots­dam herausgeritten."

Da kennt der Herr vielleicht auch den Schloßverwalter Luchter, das ist nämlich der Onkel vom Bräutigam, der auch Luchter heißt und eine Gärtnerei hat. Doch da kommt er ja selbst, der Herr Schloßverwalter. Welche Ehre für mein Haus!"

Der Wirt eilte davon.

Der König tat. nachdem er sich durch einen raschen Blick aus den Eintretenden überzeugt hatte, daß jeder Zweifel ausgeschlossen war, desgleichen und ritt nach Potsdam zurück.

Hat Er sich gut amüsiert auf der Hoch­zeit des Neffen, Luchter?" fragte Friedrich den Verwalter am nächsten Tag-,

Majestät wissen?"

Der König Nickte.

Er hat mir nicht schlecht gedient die Fahre über. Luchter, aber das mit den Kerzen hätte Er nicht tun sollen. Er kann nicht länger Schloßverwalter bleiben. Ich könnte ihn foick- jagen mit Schimpf und Schande, denn Er hat mich betrogen. Doch Er hat Frau und fünf Kinder, die hungern müßten, wenn ich's täte. Das Haus und den Garten lasse ich Ihm, und eine kleine Rente soll Er auch haben,, denn ich glaube. Er ist kein schlechter Kerl, sondern hat nur eine Dummheit gemacht. Aber eins mache ich zur Bedingung: Im Gar­ten vor seinem Hause pflanzt Er in jedem Jahre fünfzig Königskerzen, nicht mehr und nicht weniger, versteht Er mich? Das soll Ihm immer vor Äugen halten, daß Er ein­mal ein Lump gewesen ist, und soll ihn hin­dern, daß er wieder einer wird, verstanden?"

Das weise Llrteil

Ein Bauer, von Maur, namens Greller, be­klagte sich bek dem Landvogt über die Unver- tragsamkeit seiner Frau, die immerfort mit ihm zanke, ihn mißhandle und ihm sogar in ihrLr Wut eine Schale siedenden Kaffee auf die Brust gegossen habe, wovon die Spuren noch sichtbar waren. Landolt ließ sich mit diesem Manne in eine lange Unterredung ein, ohne mit sich selbst einig werden zu können, wer von den beiden Eheleuten eigentlich der bösere Teil sein möchte. Endlich sprach er:Ich sehe wohl, daß du ein geplagter Hiob bist und will dir Recht schaffen. Künftigen Sonntag laß ich dein Weib in die Drille sperren und dann kannst du den giftigen Satan vor der ganzen versammelten Gemeinde drillen, so lange es dir gefällt!" Der Bauer erschrak und beteuerte dem Landvogt, dazu könne er sich unmöglich verstehen. Wenn auch böse, so sei sie doch seine Frau, und es stehe ihm nicht an, dieselbe vor den Äugen der Welt der Schande vreiszu- geben. Er hätte eigentlich nur gewünscht, der

Herr Landvogt möchte ihr einen kräftigen Zuspruch halten. Landolt lieh ihn abtreien und die Frau rufen.Ich höre", begann er zu dieser,du lebest in einer schlimmen Ehe und geratest öfters in einen heftigen Wortwechsel mit deinem Manne. Es muß Wohl ein nichts­nutziger Kerl sein!"Jawohl ist er das", erwiderte das Weib, und fing nun an, sich mit geläufiger Zunge in einen ganzen Strom bitterer Klagen über des Mannes Fehler zu ergießen.Wenn dem so ist", sprach Landolt, so werde ich dir Wohl Ruhe verschaffen müssen. Weißt du was? Wir lassen den Schwe­renöter am Sonntag in die Drille setzen und daun kannst du ihn selbst nach Herzenslust kuranzen." Jetzt funkelten die Äugen der Xanthippe, und freudig rief sie aus:Ja. ja, Herr Üandvogt! Das will ich mit tausend Freuden tun; ich will ihn drillen, daß er an mich denken soll!" Nun wußte Landolt, wen er vor sich hatte und ließ die Zänkerin zwar nicht drillen, aber doch sür ein Paar Tage bei Wasser und Brot einsperren, bis sie mürbe geworden war. vavw llel!

Heitere Ecke

Eduard und Adele sehen eine Modenschau. Ein Mannequin in einem fabelhaft schönen aber ebenso teuren Abendkleid erscheint auf dem Podium.

Ach, Eduard", flötet Adele hingerissen, ,glaubst du nicht, daß grade dieses Kleid auf unserer Abendgesellschaft nächste Woche ganz entzückend aussehen würde?!"

Warum nicht?" sagt Eduard,schick' ihr halt in Gottes Namen eine Einladung!"

Leni, ich verstehe dich wirklich nicht, daß du einen Mann heiraten willst, der solch blödsinnige Liebesbriefe schreibt."

,L>m, dafür schreibt er um so entzückender« Schecks aus."

Herausgegeben tm Austrag der NS.-Presse Würt­temberg von Hans Revbtna. Ulm ». D.