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etwas Spitzbübisches, besonder-, wenn sie den Jäger der Madame Paul ansieht. Auch jehe ich die Modisten ungern, welche jeden Tag durch den Hof schreiten mit Car- tonS für den zweiten Stock, und die Unzahl hölzerner Pferde, Puppen und Hanswurste, und andere kostbare Spielsachen aus dem Magazin des Herrn Giroux, und den rei­chen Juwelenschmuck von Foffen, den Herr d'Egville seinen Enkeln zum Präsent machte. Dieser unnütze Luxus hat etwas Beängstigendes. Am liebsten ist mir der dritte Stock. Der Eigenthümer oder viel­mehr Inhaber, Herr Alphonse d'Egville ist ein liebenswürdiger junger Mann, sünf und zwanzig Jahre alt, von eleganten Manieren und lebhaftem Geiste. Nach Herrn Alphonse pflegte ich mein Tagewerk einzutheilen; des Morgens, wenn sein Fechtmeister kam, stand ich auf, stellte mich ansFenyer, und bewun­derte die anmuthige Behendigkeit, womit er die Terzen und Quarten seines Fechtmeisters ausparirte. Sah ich ihn am Schreibpulte, an welches ihn sein Vater einen Theil des TageS über gefesselt hielt, so nahm ich meine Arbeiten wieder vor. Des Abende, wenn er sich auf den muthigen Schecken schwang, UNd nach dem lle Loulogne zusprcngte, legte ich die Feder nieder, und begab mich in mein Lesekabinet oder zum Restaurateur.

Was mich besonders an dem jungen Manne anzog, war seine menschenfreundliche muntere Laune, seine liebenswürdigen Ma­nieren, er war höflich gegen Jedermann, selbst gegen feinen Groom. Gieng der Baron auf Reisen, so wartete Alphonsen das Schließen deS Bureau nicht ab. Er eilte zu Tortoni, brachte den größten Theil des Tages im Gehölze von Boulogne zu, und kam eine halbe Stunde zu spät zum Essen. An Win- tertagen, wenn die Straßen mit Schnee bedeckt waren, sah ich ihn durch den Hof fahren auf einem zierlichen Schlitten, wel­cher einen Drachen mit vergoldeten Flügeln darstellte. Seine Schwägerin setzte sich zwi- scheu beide Flügel, während d'Egville die rothsafsianrncn Zügel anzog und den Muth des vorgespannten Rosses zu bändigen suchte. Nicht ohne Besorgniß sah ich den Drachen davonschießen, doch bald verkündete mir das Läuten der Schellen seine glückliche Rückkehr.

Die glücklichste Zeit für den jungen d'Eg­ville war der Winter. Felix, sein treuer

Felix brachte ihm bald da» Costume eine» Postillon de Lonjumeau, bald die Mütze ei­nes calabrischen Räubers. Alphonse gieng z» Valentino oder zu Musard, ein Elysium für den Pariser Dandy, wo er nicht gerne will gesehen seyn. Am Samstage Abends wurden kostspielige Vorbereitungen getroffen, Valentino und Musard mußten den Bällen in der großen Oper weichen. Der junge d'Egville putzt- sich so sorgfältig heraus, als habe er ein Emladungsdillct zu einem Bot­schafter erhalten.

Ich erinnere mich in Bezug dieser Bälle einer kleinen Scene, die meine Neugierde reizte. Es war an einem Sonntagmorgen bei bitterer Kälte, ich war in meinen Man­tel gehüllt, als ich plötzlich eine glänzende Equipage um die Straßenecke biegen sah. Alphonse saß im Wagen neben einem schwar­zen Domino, dessen feine Hände und zarte Taille eine Dame von höchster Eleganz ver­kündeten. Der W'gen hielt an, Alphonse stieg aus, der Domino bot ihm die Hand und ersuchte ihn dringend, seinem Wagen nicht zu folgen. Alphonse gehorchte schwei­gend, und gieng langsam auf sein Hotel zu.

In solchen Liaisons glanzte Alphonse. Wie viel parfümirte Briefchen habe ich vor­beispazieren sehen. Nach Pariser Sitte werden die Briefe an die Familie beim Concierge abgegeben: die Btiefe für Herrn Alphonse machten eine Ausnahme. Sobald sie angelangt waren, wurden sie sofort in den dritten Stock befördert. Die meisten waren sehr preffirt. Der Jockey, der sie überbrachte, durfte nicht ohne Antwort zu- rückkommen, er sollte das Billet selbst dem jungen Herrn einhändigen. DeS Abends öffnete Alphonse zuweilen das Fenster; dann sah ich ihn, wie er den Blick ausdas Papier geheftet, jeden Satz, jedes Wort zu entzif­fern suchte. War es eine erste Erklärung, die Präliminarien zu einem neuen Verhält­nisse. so sah man, wie ihn der Inhalt de» Briefes berauschte. Einmal an einem hei­tern Maymorgen überraschte ich ihn im Augenblicke, wo er ein rosafarbenes Briefchen an den Mund preßte. Wurde gebrochen, und enthielt' die Epistel Vorwürfe, so sah ich durch die Mousselinvorhange seines Zim- mers, wie er im Bette gähnte, die Arme dehnte, und hundertmal den Brief hin und her wendete, che er ihn öffnete, und wie t-r nach Durchlesang noch stärker gähnte..