— 620 —
Freunden sprach. Selbst im Gespräch mit diesen war er oft sichtlich mit seinen Gedanken abwesend und lächelte stumm und schmerz, lich, wenn sie ihm männliche Fassung zur Pflicht machten und ihm Zerstreuung seines Kummers oder wohl gar ein Vergnügen an» riechen.
So waren einige trübe Monate vergangen, die Zeit des CarnevalS kam, war aber für ihn so reizlos uno düster, wie die bisherige. Er schien jeder Freude des Lebens für immer den Abschied gegeben zu haben.
Endlich war auch der Fürst dieses langen Trauerns überdrüssig. Es hatten sich zwar indessen schon manche Höflinge, wahrscheinlich bloS aus uneigennützigem Attachement für Se. Durchlaucht, bemüht, den Platz des nachlässigen GünstlingS ailSzufüllen. Schon mancher gelegentlich angebrachter feiner, ironischer Zug hatte der sombern Melancholie und der extravaganten Traurigkeit dieser modernen Orpheus gegolten, welcher noch immer: Eurpdice, Eurpdice! rufe. Aber ein ernster Blick des Herzogs hatte noch immer schnell den schönsten Erguß ihrer Laune gehemmt. Es that dem Fürsten im Ernste um einen Mann leid, mit welchem er von mehreren und besseren Dingen, als von dem auf der letzten Jagd eigenhändig erlegten Sechszehneuder oder von der neuesten Ballet - Tänzerin hatte sprechen können, und darum beschloß er. selbst an dessen Kur die Hand mit auzulegen.
„Es ist recht gut und löblich, Kammerherr," — sprach er einst, als Graf S. zwei oder drei Tage lang wieder nicht bei Hofe erschienen war, -- „daß Sie Ihre Frau so innig lieben, aber sie ist doch nun einmal todt, und ihre Trauer erweckt sie nicht wieder. Sie sollten sich deshalb doch nicht ganz mit allen Lebenden Überwerfen. Auch ich, denke ich, habe einigen Anspruch auf ihre Liebe, und doch vergehen oft ganze Wochen, in denen ich mit keinem Auge Sie sehe."
„Der schmeichelhafteste Verweis, Ew. Durchlaucht, der mir jemals gegeben wurde! Verzeihen Sie indeß, wenn eine kleine Unpäßlichkeit — "
„Welche Sie wahrscheinlich sich selbst durch Ihr stetes Trauern und ewiges Da- heimbleiben zugezogen haben. Lassen Sie - einmal hören, Graf! auf wie vielen Ballen waren Sie bereits in dieser Carnevalszeit?"
„Die Wahrheit zu gestehen auf keinem ,,
„Dachte ich eS doch! Aber auf einem wenigstens sollen Sie nicht ausbleiben dür» fen. Ich gebe übermorgen eine Redoute. Auf dieser, hoffe ich, werden Sie nicht fehlen."
„Wenn eS Ew. Durchlacht befehlen!—"
„Vortrefflich! Sie hätten Lust, auch hier auszuweichen? Sie wissen, daß ich das Wort Befehl nirgends sehr, und am wenigsten bei Ihnen liebe. Doch List wider List! Ja, ich verlange diese freundschaftliche Bereitwilligkeit von Ihnen."
Der Kammerherr konnte nichts anderes thun, als sich verbeugen und versprechen, daß er gehorchen wolle. Zur Nedoulc traf man sofort alle erforderlichen Anstalten. Die halbe Residenz freute und rüstete sich zu derselben. Sic wurde wirklich einige Tage darauf mit allem Glanze eröffnet. Eine große Anzahl Masken erschien in dem weiten, schön erleuchteten Schloßsaal. Auch der Fürst mii seinem ganzen Hofstaate fehlte nichr. Graf S., fast immer in der Nähe deS Herzogs und sehr oft im Gespräche mit ihm, zwang sich, wenigstens heiter zu er» scheinen. Zwei Stunden, oder auch etwas darüber, mochten verflossen sepn, als er, ebenfalls an der Seile seines Gebieters, Herumgehen und vielleicht auch von — verhehlter Langeiveile etwas ermüdet, sich, um auSzu- ruhen, an daS Gesimse eines Kamins lehnte, das mttten im Saale sich befand, und von welchem man die schönste Aussicht auf daS ganze Gewühl des Festes haben konnte. Nicht lange befand er sich hier, als eine weibliche, zwei bis dreimal dicht bei ihm vorbcistrcifende Maske seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war ein schwarzer Domino mit einer weißen, das ganze Gesicht verhüllenden Larve; sie ging immer ganz allein und hatte eigentlich in ihrer Tracht, so nett und neu solche auch zu sepn schien, nichts AuSzeichncndes, aberin ihrem schönen, schlanken Wüchse, in ihrem, gleichsam dahin schwebenden Gange, in der ganzen Art, wie sie ihren Körper hielt und trug, glaubte der Graf eine große Uebereinstimmung mit dem Wüchse und Gange seiner verstorbenen Gemahlin zu finden, Als sie endlich an einen Pfeiler, ihm schräg gegenüber, sich ebenfalls anlehnte unv, gleichsam unbekümmert um alles Getümmel und Gesäuse rings herum.