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Ein Abend in Rohrdorf

an der Nagold.

Von ganz besonderer Art durchbebte mein Innerstes ein Gefühl, als ich von der Ferne und von der Höhe aus das liebliche Dorf erblickte, von dessen Gewerbsthätigkeit man auch in weiten Landen spricht. Ein herrli­ches Thal mit üppigen Auen lag vor mir. Zur Rechten und zur Linken, auf den Hö­hen der Hügel richtete der Tannen unzählige Zahl ihr Haupt gen Himmel empor, und deutete an durch das Mispeln der Lüfte in ihren weit sich ausdehnenden Aesten: ,.sieh, Wanderer! der Segen kommt von oben! Da drunten im Thale ist des Wasserwerks schaffende Kraft, die Wohlstand und Froh­sinn verbreitet unter des Dorfes wackern Be­wohnern." Schon war meines Schattens Lange bedeutend gewachsen, als ich i" boo- psc« im Dorfe einzog und hinsegelte in den Hafen der Ruhe, um zu erfrischen die ermat­teten Glieder nach langen Strapazen des Tages. Freundlich begrüßt trat ich ein in ein freundliches Zimmer, wo ringsum die Tische beseht von ruhenden Zechern sich fanden. Was beliebt, mein Herr? so fragte sogleich, nachdem ich an die unterste Ecke eines Ti­sches mich gesetzt hatte, ein wohlgenährter Mann von rundem Bäuchlein und menschen­freundlicher Miene. Mein Verlangen war: Bier, um zu löschen die Flammen des Dur­stes. Mit Blitzesschnelle versehen damit, hörte und sah ich nun zu, was thaten und sprachen die Gäste des Hauses. In Trau­lichkeit unter einander gemischt saßen die Ho­hen und Niedern, die Herren und Diener in witziger Laune hinter dem Glase des schäu­menden Biers. Wohl konnte man sehen, daß Wohlstand da blühet, wo neben dem Landbau Gewerbe im Flore sind. Wohl konnte man hören, daß Fabriken es sind, die bei Tag und bei Nacht mit immer neuer Kraft die Besitzer gar reichlich ernähren. Vom mcrkantilischen Stande, so bildete ich mir ein, saß ein Herr an der Nähe der Fenster, der mit vieler Routine den Stand der Sache im gewerblichen Fache seinen Bürgern erzählte, mitunter auch, namentlich gegen zwei Män­ner, die ziemlich sich glichen, Witze ausgab, und unter dem schallenden Gelächter der Menge baar wieder sie cinnahm. Won Cy- lindern und andern Maschinen sprach in

fremdem Dialecte ein anderer Herr und rühmte die jetzige Arbeit hinsichtlich des Glan­zes und der Schönheit der Tücher. Ein an­derer sprach von der Mischung der Farben, von Bereitung des Garnes und vom Ver­schlüsse der Waare. Draußen aber am west­lichen Theile des Hauses da rasselten eilig auf ebener Bahn die Kugeln dahin um zu stürzen die Gesellschaft der Neune. Und drunten im Thale giengen emsig die Räder an verschiedenen Werken. Redlich muß ich gestehen: es sind von wackerer, thätiger Art des lieblichen, von der raschen Nagold durch­strömten Dorfes Bewohner. Die Sonne tauchte unter hinter dem SchwarzwaldGe- birge, und schwarze Nacht brach ein auf Berg und Hügel und in Thäler.^ Allmählig nahm ab die Gesellschaft des Hauses unter herzlichen Wünschen der Ruhe. Gute Nacht? sprach immer zuletzt der freundliche Wirth zur goldenen Sonne.

Die Maske.

Ein« wunderbare Geistergeschichte aus dem 17.

Jahrhundert.

Graf v. S^, Kammerherr am herzoglich Büschen Hofe, hatte durch eine hitzige, rasch überhand nehmende Krankheit seine junge und schöne Gattin verloren. Kaum ein Jahr hatte die überaus glückliche Ehe gedauert, und der Verlust der Theuren, welche er über Alles geliebt, schlug den jungen Wittwer fast ganz zu Boden. Er war reich, geach­tet von seines Gleichen, ja sogarwas in den Augen der meisten Kammerherren wohl zeknmal mehr gegolten hatte, als alles häus­liche Glückein offenbarer Günstling sei­ne» Fürsten. Er durfte nur winken, und alle Töchter des fürstlichen Hofes wie de» HerzogthumS boten ihm ihre Hand: Aber dieß Alle» tröstete ihn nicht, der, trotz seiner üblichen Abkunft, bürgerlich genug dachte, ein gefühlvolle» Herz und in demselben dauernde Empfindungen zu haben. Halb menschenscheu, floh er alle größeren Zirkel und ließ den Fürsten sogar ohne seine Be­gleitung auf die Jagd oder ins Schauspiel fahren, während er halbe Tage lang, ganz allein mit seinem Grame und wohlgctroffe- nem Bilde seiner Gemahlin, im wohlver- schloffenen Kabinet saß und höchsten» dann und wann Mt zwei oder drei vertrauten