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mein Her; umgewandelt. Reicht mir Eure Hand, Regina! unsere Väter sind versöhnt, warum sotten wir uns feindlich trennen?" — „Reiche ihm deine Hand Schwester!" sagte Joseph, „ziehe mit ihm nach Elbing, ich folge Euch auch dorthin, auch ich will die Schiffsbaukunst lernen, denn leider bin ich bis jetzt von einem Gewerbe zum andern gegangen. Manches habe ich begonnen, nichts vollendet, denn meine Erziehung war mangelhaft. So geschah es, daß ich unter die Schleichhändler gericth und an ihrem Verkehr Theil nahm; aber ich brachte es darin nicht weit, und will fortan nichts wieder Mit ihnen gemein haben."
„Was habe ich zu hoffen, Regina?" fragte Herrmann Blässe und Rothe wechselten auf Reginens Gesicht; ein heftiger Kamf schien in ihrem Innern vorzugchcn. Da nahm Joseph wieder das Wort und bat zu Hermanns Gunsten. —„Laßab,Bruder!" antwortete sie; „du weißt so wenig wie ich, was hier Recht und Unrecht ist. Hermann Dannebcrg," fuhr sic fort, „hätte ich Euch unter andern Verhältnissen kennen gelernt,
— nur Euch, ich fühle cs — hätte ich zu menwm Gatten gewählt; aber so, bedenkt cs
— würde mein Anblick, meine Gegenwart Euch mcht unaufhörlich an meines Vaters Unrecht erinnern ? Könnten nicht böse finstere Augenblicke cintrcten, wo Euch der alte Geist dcS Hasses übcrmannte! Ja wer weiß, ob selbst die Seelen unserer Väter — ob Gott selbst
— Wohlgefallen an unserer Verbindung hätte." — „Still Regina!" unterbrach sic Hermann, „Ihr bedenkt nicht, was Ihr jetzt sagt. Könnte Gott mit Mißfallen auf uns schauen, wenn wir sein Gebot, Feindschaft in Liebe zu verwandeln, erfüllen? Ruht Gottes Fluch auf dem Haß oder auf der versöhnlichen Liebe? Könnte Eures Vaters Geist zürnen, wenn Ihr sein Vergehen dadurch gut macht, daß ihr den Sohn dessen beglückt, dem er so großes Leid zufügtc?" — „Aber," wandte Regina .ein, „soll nicht die Sünde der Väter an den Kindern bestraft werden bis ins dritte und vierte Glied? werde ich demnach nicht des Vaters Schuld büßen müßcn? und darf ich dann wohl Euer Schicksal an das meine ketten?" — „Gott ist gerecht," crwicdertc Hermann, „aber auch barmherzig. Sein Gericht ist über Euren Vater gegangen, laßt uns nun versuchen, ob wir durch treue, fromme Liebe, durch einen redli
chen Wandel den Fluch entkräften können, der die Kinder des FrevlerS selbst nicht treffen soll. Reicht mir Eure Hand, Regina, zu Wohl und Weh fürs ganze Leben!" — Regina weinte heftig. „Laßt mir Zeit bis morgen; ich will mich mit mir selbst bcrathen, will an des Vaters Grabe Gott bitten, daß er mir an zeige, was ich thun soll. Verlaßt mich jetzt! Morgen früh, sobald die Sonne diese Gräber bcscheint, erwarte ich Euch hieran der Ruhestätte meines unglücklichen Vaters. Dann wollen wir sehen!" Sie umarmte den Bruder, und reichte Hermann die Hand mit einem Blicke, in dem sich das reinste, vollste Gefühl der Liebe aussprach. Lange ruhten des Jünglings seelenvolle Äugen auf der schönen blassen Reg ina, dann drückte er ihre Hand an seine Lippen, seufzte tief, und entfernte sich mit Joseph.
Beide fanden in der Hütte des Fischers Jost eine dürftige, aber freundliche Aufnahme. Caspar sah blaß aus, und.hatte seine frühere Munterkeit verloren. Die alte Fische- rinn erzählte weinend, daß ihr Sohn fast vor Herzeleid vergehe, weil Regina seine treu« Liebe nicht erwicdcre. Hcrrmann war gerührt, aber auch zu bewegt von der eigenen Erwartung, um viel der Trostworte für Andere zu haben. Nur Josephs Herz war voll Hoffnung. — Die Nacht war verflossen. Die Sonne stieg empor, in ihrem Lichte funkelten die Wellen der See ii- goldblaucm Glanze, die Lüfte wehten frisch und kühl und auf dem Rasen und den blühenden Gewächsen lag der Thau in silbernen Tropfen. Hermann und Joseph traten vor die Thür der Fischerhüttc, wo sic die Fischerin mit einer bejahrten Frau im Gespräche begriffen fanden. So wie Frau Jost ihre Gäste gewahrte, sagte sic: Diese Frau ist Reginens Wirthin, — und sic sucht Reg inen, welche die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen ist." Die beiden Jünglinge crschracken. „So wird sie auf dem Kirchhofe geblieben scyn," sagte Joseph; „eilen wir zu ihr." Sic verdoppelten ihre Schritte, Reginens Wirthin folgte ihnen keuchend. Sic erreichten den Kirchhof; die -Pforte wurde geöffnet. Mit bang klopfendem Herzen trat Hermann in den Bezirk der Gräber und wendete sich rasch nach des Thürmcrs Grabstätte. Da lag Regina das Gesicht in den Rasen gedrückt. „Regina!" rief Hermann, aber sic regte sich nicht. „Sie schlaft wohl noch fest," sagte