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Er konnte die Nacht kaum erwarten, um an den Spieltisch zu kommen. Sein Glück blieb sich gleich, so daß er in wenigen Wochen, wahrend welcher er beinahe jede Nacht gespielt, eine bedeutende Summe ge- wounen hatte.

Es giebt zweierlei Arten von Spielern. Manchen gewahrt ohne Rücksicht auf Ge­winn das Spiel selbst als Spiel eine unbe­schreibliche. geheimnißvoUe Lust. Die son­derbaren Verkettungen des Zufalls wechseln in dem seltsamsten Spiel, das Regiment der höhern Macht tritt klarer hervor, und eben dieses ist es, was unser Geist erregt, die Fittige zu rühren und zu versuchen, ob er sich nicht hineinschwingcn kann in das dunkle Reich in die verhangnißvolle Werkstatt jener Macht, um ihre Arbeiten zu belauschen. Ich habe einen Mann gekannt, der Tage, Nachte lang einsam in seinem Zimmer Bank machte und gegen sich selbst pointirte, der war meines Bedüntens ein achter Spieler. Andere haben nur den Gewinnst vor Augen,? und betrachten das Spiel als ein Mittel, sich schnell zu bereichern. Zu dieser Klasse schlug sich der Chevalier, und bewahrte da­durch den Satz, daß der eigentliche tiefere Spielsinn in der individuellen Natur liegen, angeboren seyn muß.

Eben daher war ihm der Kreis, in dem sich der Pointeur bewegt, bald zu enge. Mit der sehr beträchtlichen Summe die er sich erspielt, etablirte er eine Bank und auch hier begünstigte ihn das Glück dergestalt, daß in kurzer Zeit seine Bank die reichste war in ganz Paris. Wie eS in der Natur der Sache liegt, strömten ihm, dem reichsten, glücklichsten Bankier auch die mehrsten Spie­ler zu.

Das wilde, wüste Leben beS Spielers vertilgte bald alle die geistigen und kör­perlichen Vorzüge, die dem Chevalier sonst die Liebe und Achtung erworben hatten. Er hörte auf, ein treuer Freund ein unbefange­ner, heiterer Gesellschafter, ein ritterlich ga­lanter Verehrer der Damen zu sepn. Erlo­schen war sein Sinn für Wissenschaft und Kunst, dahin all sein Streben in tüchtiger Erkenntnis Vvrzuschreiten. Auf st'inein todt- bleichcn Gesicht, in seinen düstcrn, dunkles Feuer sprühenden Augen lag der volle Aus­

druck der verderblichsten Leidenschaft, die ihn umstrickt hielt. Nicht Spiclsucht, nein, der gehässigste Geldgeiz war eS, den der Sa­tan selbst in seinem Innern entzündet! mit einem Wort, es war der vollendetste Bankier, wie es nur einen geben kann!

In einer Nacht war dem Chevalier ohne daß er gerade bedeutenden Verlust erlitten, doch das Glück weniger günstig gewesen, als sonst. Da trat ein kleiner, alter, dürrer Mann, dürftig gekleidet, von beinahe garsti- gem Ansehen, an den Spieltisch, nahm mit zitternder Hand eine Karte, utz.d besetzte sie mit einem Goldstück. Mehrere von den Spielern, blickten den Alten an mit tiefem Erstaunen, behandelten ihn aber dann mit auffallender Verachtung, ohne daß der Alt» auch nur eine Miene verzog, viel weniger mit einem Worte sich darüber beschwerte.

(Fortsetzung folgt.)

R ä t h s e l.

Ast oder Zweig vom Baume,

Der seinen Stamm versteckt;

Sie sind längs ihrem Raume Mit weichem Kleid bedeckt.

Um ihren Stamm im Kreise Stehn alle rings umher.

Sie ziehn aus ihm die Speise Und für sie kochet er.

Doch, wenn zu warm er kochet, Gedeiht es ihnen kaum,

Und kocht er heiß, so sochct Und stirbt der ganze Baum.

Drum halte du den lauen Stamm unter guter Hut,

Laß keinen Zweig abhaucn,

Sonst fließt des Baumes Blut.

Doch pflanze nur daneben Den rechten Bruderstamm,

Und alle Zweiglein leben, Gedeihen wundersam.