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Das Sprüchwort sagt: man könne den Lenten nicht vor das Maul sitzen, was auch wirklich gut ist, denn da würde cs manchmal, wenn so infame Lügen und Verunglimpfungen ausgehcn, Maulschellen setzen. Es werden denselben die Besen womit man vor eigener Thüre zu fegen hat, rckommandirt, und da bei Manchem einer nicht hinreichend ist, um gehörig zu säubern, so wäre es rathsam, '/z Dutzend zu nehmen, dann bekommt man einen drein. V.
Die Erste, die Beste.
Eine altdeutsche Geschichte.
(Beschluß.)
Da meinte Peter, er habe endlich diejenige gefunden, deren Bild er nach seiner erlernten Weisheit im Herzen trug, und verfolgte die schöne Fannp, als wäre er ihr Schatten, um schleunig zum Ziele seiner Wünsche zu gelangen.
Eines Tages belauschte er die anmuthige Miß aus einem versteckten Gebüsch im Parke, wo er zufällig lustwandelte; und siche da! als sie sich unbemerkt und allein glaubte, ward sie eine ganz andere, als in Gegenwart deö Junkers Peter. Sie wischte mit einem feuchten Tüchlein einen Thcil ihrer Schönheit von den Wangen, um cS durch frische Farbe zu ersetzen; dann trat eine Kammerfrau zu ihr heran und brachte ein Kindlein, so sie mit mütterlicher Zärtlichkeit an die Brust drückte. Sie sprach dann folgender, maaßen: „Wie wehe thut doch meinem Herzen, daß ich den deutschen Lumpengrafen soll zu meinem Gemahl erkiesen, die ich die Tochter eines angesehenen LordS bin, dessen Vorfahren Könige waren! Aber ist er erst mein Ehemann, so soll er seine Niedrigkeit schon kennen lernen; denn ich bin stark und im Boxen nicht unerfahren. Nur meine schlechten DermögenSumstande zwingen mich, seine Bewerbungen anzunehmen, und ihn durch erborgten Witz und Geist und crheu- cheltes Gefühl zu fesseln." -- Da lief Herr Peter eiligst von dannen und sprach: „Ohne Natürlichkeit keine Frauentugcnd Werth! Wohl mir, daß ich der Verstellung frühe genug auf den Grund komme!"
Peter wurde betrübt in feiner Seele und zog heim über's Meer, Hub sich auf sein Roß und ritt nach seines Vaters Burg. Der war gerade nach Hofe gefahren. Da trat ihm sein Mühmchen Ilse entgegen, und Peter dachte: „Sie ist nicht glänzend schön, aber lieblich, und mag einen Mann wohl beglücken." Er grüßece sie und küssete ihren rothcn Mund, und sie erröthete sittiglich. Da dachte Peter: „Ihre Sittfamkcit ist nicht prunkend, aber wohl zu bemerken." Als er in die Burg trat, verneigte sich Ilse und ließ ihn Vorgehen. Da dachte Peter: „Sie ist anspruchlos und bescheiden, denn sie neigt sich vor mir, der nicht edleren Geblütes sich rühmen kann." Er sah die Ordnung und Reinlichkeit des Hauswesens und dachte: „Ihre Wirthlichkeit mag wohl bestehen, wenn sie auch nicht weit und breit ausposaunt ist." Er trat die Muhme von ungefähr auf den Fuß; ein leiser Seufzer war Alles, was darauf von Ilsens Seite erfolgte. Da dachte Peter: „Ihre Sanftmuth und Geduld muß beglücken!" Er fand auf ihrem Zimmer. Ms sie während seiner Abwesenheit geschrieben und gedichtet, und sprach: „Wer hatte in dieser solchen Geist vermuthet!" und endlich sprach er: „Liebe Ilse, nimm mich zum Manne!" Da erröthete sie schlug die Augen nieder, fiel ihm aber dann um den Hal» und rief: „Mit Freuden!" Da dachte Peter: „Wie natürlich, gefühlvoll und herzlich!" Da kam sein Vater heim vom Hofe und fragte seinen Sohn hastiglich: „Nun, Peter, wo ist deine holde Braut?" Da führte ihm Peter sein Mühmchen vor und sah beschämt zu Boden. Der alte Graf von Fraucnfels aber sprach also: „Mein Sohn! Du hast nach Art der Weltwelsen das in der Ferne gesucht, was Dir nahe vor den Füßen lag. Danke Gott, daß Du es endlich gefundcnj! Sepd glücklich mit einander!" und gab ihnen seinen Segen.
Wenn man späterhin das häusliche Glück Peters bewunderte, wurde er oft befragt, durch welche Weisheit er sich bei seiner Frauenwahl habe leiten lassen ? Dann sprach er: „Nicht die griechische, sondern die deutsche Weisheit hat mich geleitet, das ist die Erfahrung; denn nachdem ich lange durch alle Lande einem glänzenden Schimmer nach-