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Töne des Gesanges, heilig hie Laute, welche dem Unglück und der Unschuld entsteigen; als ihre Wundcrstimmc erklang, ward cs still und ruhig um sie her;, das, wilde Geräusch, die Flüche, die, Lästerungen, die Töne des Verbrechens und der Verzweiflung schwiegen, die Geisel der Pcinigger ruhte, und Alles drängte sich zu ihr hin, um den wunderbaren Gesang zu hören. Ihre Laute riefen Mitleid und Erbarmen in die Brust der Entmenschten; sie ehrten von nun an hoch die Jungfrau und ließen sie nicht mehr,zu Fuße wandern, sondern hoben sie auf einen sanften Zelter; aber die gute Tochter bat und flehte so lange, bis es ehr vergönnt wurde, diese Erleichterung mit dem kraftlosen Vater zu theilcn. Der Ruf ihres Gesanges drang selbst zu dem An­führer der Polowzi, zu dem wilden Bagur. Er ließ Anastasia in sein Zelt gebieten , und befahl ihr. zu singen und zu spielen. Sie gehorchte und sang von dem Erlöser, wie er auf Erden gewandelt und gelitten habe. Auch Bagur empfand die Macht ihrer schönen Stimme: Du singst gut, sprach Bagur, aber dein« Weise ist traurig und beengt das Herz. Singe mir Lieder zum Lobe der Freude, der Liebe und unserer Götter- dann will ich Dich zu meinem Weibe erheben, denn Du bist schön und reizend. .

Anastasia trat mit Abscheu zurück, sie vergaß in ihrem verletzten Gefühle die Macht des Gewaltigen und antwortete stolz : Dein Weib, Heide, kann ich nicht werden, denn ich bin schon einem Christen versprochen; deine falschen Götter kann ich nicht loben, Heim ich verabscheue sie, und andere Lieder, als die zum Ruhme meines Glaubens, kommen nicht über meine Lippen.

Furchtbar, wie.ein gereihtes Unthier, fuhr Bagur von seinem Sitze empor, und seine Stimme bebte im höchsten Zorne: Vermessene die Du es wagst, mir zu widerstreben, vor dem Tausende und wieder Tausende im Staube liegen! Mein Weib sollst Du nicht werden, ich will mich nicht zu der Sclavin erniedri­gen, aber gehorchen sollst Du.meinem Gebote abschwören Deinen Glauben, anerkennen un­sere .Götter und singen sollst Du in Deinem tiefsten Schmerze, wenn dein Herz verblutet, frohe Lieder, oder Du und dein Erzeuger

und dein Buhle sterben che die Sonne acht mal wicderkehret. .

Auf den Wink des Unmenschen ward ste hinausgcschleppt und gemartert und gefoltert; bei jeder neuen Qual wurde sie gefragt: Willst Du abschwören deinen Glauben und anerken­nen unsere Götter? Aber .wie sie auch litt und duldete, sie blieb standhaft und betete in gebrochenen Tönen zu dem Herrn. Doch am dritten Tage, als sic ihrem zarten mit Wun» den bedeckten Körper keine Pein mehr anthun konnten, schleiften sie ihren Vater herbei und begannen ihm zu thgn, wie sie ihr gethan, ihn zu martern, wie sie sie gemartert hatten.

Da, als des Greises Wimmern an ihr Ohr schlug, als sic des Vaters Blut fließen und sein weißes Haar beflecken sah, brach ihr Muth, schwand ihre Entschlossenheit und sie stammelte: Haltet ein! ich will entsagen mei­nem Gotte und anbeten eure Götzen!

Die Unglückselige, die jetzt denjenigen ver­leugnet«:, von dem sie Trost und Gnade er­halten seit der Stunde ihrer Geburt, wurde hinausgcführt auf einen Anger, wo sich ein häßliches, riesenhaftes Stcingcbild erhob. Es war mit Menschenblut gefärbt und lebendige Schlangen wanden sich an demselben empor und nisteten in der Höhle, welche die Stelle des Herzens vertrat. So roh und schlecht die Stcingcstalt geformt war, so schrecklich und schaudererregend war sic anzuschauen, und noch jetzt fühlt der Wanderer kaltes Grauen, wenn er in der nördlichen Steppe des Kaukasus an den Ufern des Dongusle, Jei und Jegorlik diese verzerrten Bilder er­blickt. Die Götzenpricster sprachen zu der Unglücklichen; Knie nieder vor diesem und bete an; er ist der Mächtigste der Niegeboren, denn er erzeugt das Böse und ihm gehorchen alle Wesen. Und Anastasia kniete nieder und schwur mit furchtbaren, sündebeladenen Wor­ten ihren Glauben, ihren Gott ab, gelobte nimmer und nimmer zu ihm zurückzukehren, und betete dann jenes Unbild an, welches seine Anhänger selbst das Verbrechen nannten. Es waren nur Laute, ihr Herz bejahte nicht, was ihre Zunge sprach, dennoch übte sie schwere Sünde, daß sie nicht standhaft blieb in der Stunde, der Prüfung.

(Fortsetzung folgt.)