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Da sprang der Almami entrüstet aufund sprach, indem aus seinen Augen des Zornes Gluih funkelte: Erzeugt das Land der Weißen so schlechte Men­schen? Ich möchte nicht dort wohnen; da ist cs hier doch besser, hier darf kein Mann die Seinen verstoßen. Rede Du Arme," fuhr er zu Manuelen sich wendend fort, und Mitleid mischte sich in seine gerechte Aufwallung:sprich, wo setzte der Elende Dich aus ? Ist cS nicht weit von hier, so will ich meine Bondu ausscndcn, damit sie ihn fangen und vor mich hicher schleppen; ein strenges Gericht werde ich dann über ihn halten,"

Ach edler Almami" antwortete Manuele;er ist fern von hier, Deine Treuen würden ihn nicht cinholen. Und könnten sie dies auch, so wüßte ich doch bitten, ihn ruhlg ziehen zu lassen. Ich wün­sche sei» Unglück nicht, in meiner Brust glüht keine Rache."

Da erheiterte sich des GreiscS Antlitz wieder. Freundlich reichte er Manuelen dje Hand, und sprach: Du bist gm, fremdes Weib und eS mag wohl unter Deinem Volke noch mehr brave Menschen neben den vielen schlechten geben. Bleibe hier, Du arme AuSgcstoßene, gastfreundlich sollen KonumbaS Hütten Dich aufnehmc» !"

Des DankeS Thräncn rollten über Manuelens Wangen. Sic konnte vor Rührung nicht sprechen und wollte, um das Gefühl, welches mächtig ihre Brust bewegte, zu äußern, deS Greises Hand küsse». Dieser machte aber in demselben Augenblicke ein Zeichen gegen die versammelte Negermcnge, worauf Alle niedcrknictcn. Die Sonne ging eben unter und umsäumle die Spitzen der fernen Bergkette mit zartem Golde. Eine feierliche Stille herrschte ei» paar Minuten lang in dem großen Menschcn- kreise. Mil entblößtem Haupte und zum Himmel emporgehobencm Blick stand der Almami und schaute «oll frommen Ernstes dem scheidenden Lichte des Tages nach. Dann rief er mit lauter Stimme: Marabout beginnt Euer Amt I" Und vier Männer, in welchen, wegen der ausgezeichnelen Kleidung, Manuele nicht mit Unrecht Pruster vermulhetc, traten hervor und begannen unter mancherlei Gc- dcrdcn eine» Gesang, in welchen bisweilen der Chor der Neger cinficl. Obgleich Manuelens Glaube mit dem dieser Afrikaner nicht übereinstimmte, so mußte doch dies der Gottheit dargcbrachtc einfache, aber wie cs schien, recht herzliche Dankopfer, eine rührende Wirkung auf das Gemüth der frommen

Pilgerin hcrvorbringcn und ihre Seele mit wahr. Haft religiösen Gefühlen erfüllen. Tief ergriffen von den Wundern der Allmacht kniete auch sie nieder und dankte ihrem Gott: daß er sic mitten in Afrika's Einöden so gute Menschen hotte finden lassen. Der Almami schien mit Wohlgefallen zu bemerken, daß Manuele sich von dem Geber nicht ausschloß. Als dasselbe beendigt war, reichte er ihr die Hand und sagte: ,,Wnl Du fromm und edel bist, so wird cs Dir auch gewiß noch gut ge­hen. Darum scy nicht bange! Jetzt aber bezieh Dich zur Ruhe, arme Weiße,. Du wirst von der weiten Reise sehr müde feyn."

Bei diesen Worten winkte er einer Frau aus seinem Gefolge, welche Manuelen in seinen Palast führte. Der Weg ging zuerst durch ein langes Gemach, welches eine Wachlstubc zu seyn schien, da mehrere Neger darin auf der Erde auSgcstreckt lagen. Dan» betrat Manuele einen geräumigen Hof, der von einer lange» lehmigien Erdmauer cingcschlosscn war. In diesem Hofe befanden sich mehrere Häuscvcn von länglicher Form- Eines davon wurde der Fremde» zur Wohnung angewie­sen. Sie trat hinein und fand zu ihrer Freude ein Lager von weichen Binsen, über welches die Frau eine baumwollene Decke breitete. Ein Neger er­schien jetzt, legte eine Matte auf den Fußboden, deutete dem Gaste an: sich darauf nicderzulaffcn und setzte ihr Früchte und Palmwein vor. Darauf entfernte er sich mit der Frau. Nachdem Manuele sich an der erquickenden Abendmahlzeit gelabt harte, warf sic sich ermüdet auf das für sie zubereitete Lager, und fühlte dankbar das Entzücken: wieder einmal bequem auSgestreckt unter einem Schutz ge­währenden Obdach entfchlnmmcrnzu könne». Welch eine herrliche Ruhestätte war die heutige gegen die der vorigen Nächte, wo die arme Wandernde gleich den Vögeln, auf de» Acste» der Bäume schlafen mußte.

Als Manuele am späten Morgen nach einem langen erquickenden Schlummer erwachte, fand sie ei» Gefäß voll frischer Milch neben der Matte stehen. Daß man, ohne ihren Schlaf zu stöben, sie mit einem labende» Frühstück versehen, verriet!» eine feine Aufmerksamkeit ihres gütigen Windes, und Manuele mußie sich gestehen: daß diecinfache natürliche Höflichkeit hier mehr zu Hause sey, als in dem hochgebildeten Europa. Nach einer Weile wurde die Thüre deS Gemachs leise geöffnet; dir