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warfen, und ihn, mit Ketten beschwert, in einen finstern Thurm legten. Frau Hedwig erwartete ihren Herrn vergebens mit dem Millagsmahle, und als er auch die Nacht über weg blieb, sandte sic des felgenden Morgens alle ihre Knechte aus, um ihn zu suchen. Diese fanden seine» Hund und das blutige Wamms nebst dem Waidmesser unter der Eiche, und dachten nicht anders, als ihr Herr sey von den Mördern erschlagen und irgendwo einge­scharrt worden Vergebens suchten sie sein Grab oder seinen Leichnam, und kamen des Abends mit dem Gewehr und dem Kleide traurig nach Hoheu- geroldsck zurück. Als Frau Hedwig die grau­same Nachricht vernahm, und das blutige Wamms erblickte, das einer von den Knechten unter seinem Kittel hervorzog, sank sic in eine Ohnmacht, und wurde zu Belte getragen. Drei Wochen konnte sie ihr Lager nicht verlassen, und jedem, der ihren Jammer mit ansah, brach das Herz, Ritter Wal­ther war ein eben so guter Herr, als er ein guter Gemahl und Vater war; er wurde von Alten und Jungen beweint, und mehrere von seinen Baurcn machten sich freiwillig aus, um Kundschaft von ihm einzuzichen; sie kamen aber alle unverrichteter Sache zurück, und Niemand zweifelte mehr an sei­nem Tode.

Unterdessen lag Herr Walther immer in sei­nem Gefängnisse auf der Burg Lüzelhart, ohne baß er wußte, wo er war. Der Thurmwarl brachte ihm täglich zu essen und einen Krug Wasser; wenn er von ihm aber angercdet wurde, so gab er dem Gefangenen keine Antwort. Wißt Ihr, wen Ihr so grausam behandelt's sagte ernst Walther voll Verzweiflung. Ich will es nicht wisse», crwiederte dieser, und habe Befehl Euch zu tödten, sobald Ihr Euren Namen aussprechet. Der Ritter glaubte nicht anders, als daß er von fremden Räubern, die ein schweres Lösegeld für ihn verlangten, in ein frem­des Land geführt worden, und wunderte sich oft, wie seine gute Gemahlin und seine Freunde ihn so gar verlassen konnten. Zwei Jahre schmachtete er in diesem Kerker, ohne ein einzigcsmal die Sonne zu sehen, oder die freie Luft zu athmen. Nur wurde bisweilen in der Höhe ein Loch geöffnet, um den faulen Dünsten einen Auogang zu verschaffen, da denn einige Lichtstrahlen in diese Wohnung des Grauens hcrabglitten. Bei dieser Gelegenheit ver­nahm einst der Gefangene den lauten Schall eines Hvrnes/ der ihn aufmerksam machte. Es dünkte

ihn, diese Musik schon irgendwo gehört zu haben; er wußte sich aber des Ortes nicht zu erinnern. Einige Zeit hernach , als cs wieder und zwar in dein Augenblick erscholl, da ein anderer Wächter, der ahn erst seit drei Monde» bediente, zu essen brachte, wagte es Walther, ihn zu fragen, wo doch dieses große Horn geblasen würde's Der Knecht gab ihm zwar keine bestimmte Antwort; dennoch aber glaubte er, aus einigen Rede», die er fallen ließ, und aus verschiedenen kleine» Umständen, die er damit verglich, de» Ort seiner Gefangenschaft errathen zu haben. An einem andern Tage fragte Walther diesen Knecht nach seinem Namen und nach seinem,Daicila»de, Er mußte diese Fragen mehrmals und auf verschiedene Weise wiederholen, ehe er ihm die Antwort »blockte, daß er aus dem Lüzclkhal, Geroldsckkischer Herrschaft, gebür­tig seye, und daß sein Geschlecht de» Namen Nub- lin führe. Nu» zweifelte Walther nicht mehr, daß er aus der Burg Lüzelhart gefangen läge, und enidcckte zugleich i» diesem Ru bl in einen seiner leibeigen!» Drensiieuie. Er trug daher kein weiteres Bedenke», sich ihm zu erkennen zu g.bcn, und lhat es mit der rührenden Würde der be­drängte»'Unschuld. Ec beschwur ihn bei Eid und Pflicht und unter den vorrhcilhaftesten De.hcissun- ge», das Werkzeug seiner Befreiung zu seyn. R u b l i n. kannte seinen Gefangenen nicht, und haue von seinem Herrn, als er ihm die Stelle des verstorbenen Thurmhülers übertrug, bas Verbot erhallen, sich bei Lebenssträse' in kern Gespräch mit ibm cinzulasscn. Als er 'nun vernahm, daß er, ohne es zu wissen, der Kerkermeister seines Herrn gewesen, fiel er ihm zu Füssen, bat ihn um Ver­gebung, und versprach, ihm auszuhelsen. Wäret Ihr, sagte er, nicht mein natürlicher Herr, so würde kein Gelb noch Gut mich bewegen, Euch zu Willen zu leben. Nun erwärme Walther mit Ungeduld den Tag seiner Erlösung, der nicht lange ausblieb. An dem heilige» Psingstfeste, da Ritter Dieb old abwesend und der größte Theil der Burgleule nach Selbach in die Kirche gegangen war, kam Rudlin in das Gesängniß, nahmWal- thcrn seine Kette» ab, und entschlüpfte mit ihm in einen entlegenen Winkel des Zwingers. Hier klimmte er aus die Mauer, woran er ein starkes Hascngarn befestigte, das die Stelle einer Strick­leiter vertrat, an welcher beide sich glücklich hiuun« lerlicßen.

(Schluß folgt.)