zugegen war, als der Diener erschien. Doch erhielt bald die Freude das llebergewicht, den» zu ihr gesellte sich die Hoffnung: cs würde Antoines Kunst wahrscheinlich Hülfe bringen. Das edle Weib, die ihre» Valcr, trotz der Härte, mit welcher derselbe sie einst zu verhaßt,m Bündniß gezwungen, dennoch wahrhaft kindlich liebte, konnte sich nicht enthalten, nach dessen Derhälinissen zu forschen und häufte Fragen auf Fragen, deren einige bis auf die kleinsten Linzelnheite» sich erstreckten. Dem darüber in Verwunderung geralhcndcn Diener sagte Antoine: „Meine Frau ist eine gebotene Französin und war einst die Jugendfreundin der vetstorbenen Tochter Deines Heirn. Daher ber^lcbhafte Anihcil, den sie an dessen Familienver- HLltnissen nimmt!"
Ach dann, verehrte Dame, sagte der Franzose hierauf, anFclicien sich wendend; werde» Sie doppeltes Mitleid für meinen guten Herrn empfinden, wenn ich Ihnen sage, daß Reue und Bclrübniß über das unglückliche Schicksal der armen Madam Dillon die erste Ursache seines jetzigen Elends geworden sind. Ich bi» zwar erst zwei Jahre i» seinen Diensten und kannte ihn früher nie, allein ec ist mir bald sehr gewogen geworden, und hat mich zum Vertrauten seines Kummers gemacht.
„L> erzähle mir recht viel von ihm, ehrlicher Landsmann!" bat Felicie: „Du glaubst nicht, wie anziehend Alles für mich ist, was ich über ihn höre!"
Schon als Madam Dillo» noch lebte, so erzählte der gesprächige Diener, empfand mein Herr bittre Reue über seine gegen die gute Tochter bewiesene Härte, besonders als er sah, daß die arme junge Frau von ihrem Manne unwürdig behandelt, und sowohl darüber, als über den Verlust ihrer Jugendliebe von nagendem Grame verzehrt wurde. Aber der leidcrsüllte Vater verbarg damals noch seinen Kummer, um sich nicht die Vorwürfe seines bbsen, ihn ganz beherrschenden WeibeS zuzuzichen. Als aber die arme Madam Dillon i» der Blüthe ihres Lebens starb, da konnte der unglückliche Alte seinen Schmerz nicht mehr ziuückhalkcn. Er klagte sich selbst als den Mörder seines einzigen Kindes an, und wies allen Trost zurück. Täglich ging er auf der Tochter Grab, und netzte die Erde mit seinen Thränen- Anfangs gab sich seine Frau zwar , einige Mühe, ihn zu beruhigen, aber da ihr dieß .nicht gelang, so überließ sie ihn seinem Treiben,
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wahrscheinlich! in sder schändlichen Hoffnung: der Kummer müsse dcnlaltcn ohnehin schon kränklichen Mann bald aufreiben, und ihr fiele dann die ganze beträchtliche Erbschaft allein zu. Ihre heimliche Freude auf dieses wahrscheinlich bald bevorstehende Ercigniß mag noch um Vieles erhöht worden seyn, als etwa drciviertel Jahr nach dem Tode der Madam Dillon, Dcrbois Vermögen durch ein bedeutendes Vermächtnis- von seinem zu Amiens verstorbenen Britder beträchtlich vermehrt wurde. Der gramerfüllte Mann empfand über Len Zuwachs seines Reichthums kein Vergnügen. Was sollten ihm jetzt solche irdische Gkücksgütcr? er konnte sie ja doch keinem geliebten Kinde, sonder» einer la- chcnden Erbin überlasse», deren häßlichen Charakter er in der letztern Zeit genugsam zu erkennen Gelegenheit gehabt hatte. Aber das Schicksal fügte es anders. Die böse Frau sollte die gehofften Früchte nicht crndtcn. Sie folgte in Jahresfrist ihrer Stieftochter ins Grab. Niemand bedauerte sie; auch meinem Herrn ging ihr Tod nicht sehr zu Herzen, denn er verlor in ihr kein liebendes zärtliches Weib, sondern nur eine fühllose selbstsüchtige Tyrann!». Seine Thränen stoffen nur um sein armes, früh verblichenes Kind. Durch allzu- häufiges Weinen halte er sich eine Augencnrzündung zugczogcn, die von einem, in diesem Fache der Heilkunde, unerfahrncn Arzte behandelt, endlich eine volle Blindheit zur Folge hatte. Hätte eine zum unvermeidlichen Tode führende Krankheit ihn befallen, er würde sich vielleicht ihrer gefreut haben; aber zu leben und nicht zu sehen, das mußte das Maaß seines Unglücks voll machen. Mas hilft ihm sein bedeutendes Vermögen? er steht allein, ein blinder Mann, ohne Kinder, ohne liebende Verwandle, losgerissen von allen Freuden der Welt und mit dem nagenden Gefühle im Herzen, daß sein Elend eine Strafe für die Härte scy, durch welche er daS Lcbensglück seiner eignen Tochter einst zerstörte.
Felicie wandte tief gerührt sich ab; sic war unvermögend, ihre Thränen zurückzuhalte». „Ich danke Dir für Deine Mittheilung," sagte Antoine zu Dcrbois Diener. „Geh jetzt und melde Deinem Herrn, daß ich gern bereit sei, ihn in die Kur zu nehmen. Wenn irgend Heilung noch möglich ist, so will ich all' meine Kunst und Wissenschaft aufbieten, um ihm das Augenlicht, diese edle Him- melsgabe wiererzuschenke». Sag ihm ferner; daß