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unb ich durfte mich ftr meiner höchsten Freude überzeugen, daß mein Erscheinen dem lieblichen Mädchen stets angenehm war. Mein Herz gab den süßeste» Hoffnungen Raum; eine schöne Zu­kunft winkte mir in der Ferne, und auch die Ge­genwart war so beseligend. Es mußten zwar, da ich meine Studien noch nicht beendet hatte'/ noch ein paar Jahre vergehen, ehe die Geliebte mein Weib werden konnte, aber ich wußte ja, daß die Zeit dem Glücklichen schnell enteilt, daß Felicie mir gewiß «reu blieb, und daß die Väter unsere Liebe nicht mißbilligten, sich vielmehr über sie zu freuen schien en. Aber es folgten rasch zwei Bege­benheiten au^ einander, die beide geeignet waren, meine Brust mit bangen Zweifeln zu erfüllen, ob das Glück, das ich mit solcher Zuversicht voraus- gesehen hakte, mir auch wirklich erscheinen werde. Der alte Derbois vcrheirathcte sich noch in einem Alter von sieben und fünfzig Jahren zum zweiten­mal, und seine eigensinnige, herrs.ksüchtige Frau schien von Tag zu Tag über seinen Charakter einen immer größere» Einfluß zu gewinne». Mein Va­ter haue bald Gelegenheit, nur zu deutlich wahr- zunehmen, daß die Freundschaft feines Nachbars täglich kühler wurde- Ich ging von nun an weit seltener in des Nachbars Haus; aber diese Entbeh­rungen hatten viel Bitteres für mich. Mein ein­ziger Trost war die feste Ueberzeugung vonFeliciens treuer Liebe. Alles hatte sich in Derbois Hause verändert, nur mein holdes Mädchen war dieselbe geblieben. Obgleich nicht selten bange Zweifel in meiner Seele aufstiegen, so gewann doch die Hoff­nung noch immer die Oberhand. Ich hatte meine akademische Laufbahn beendigt, und fing an, durch eigne Mittel meine Subsistenz zu sichern. Das Glück schien mir günstig werden zu wollen; durch einige gelungene Kuren gewann ich bald eine für einen jungen Arzt bedeutende Praxis. Mein Vater, der seit längerer Zeit an einem Brustübel litt, freute sich sehr über mein Forischrcite»; sdoch diese i Fdeude war die letzte seines Lebens. Er starb bald darauf in meinen Armen. Bei Regulirung seines Nachlasses, zu welchem Geschäfte auch sein Freund Derbois zugezogen wurde, ergab eS sich, daß sein j Vermögen bedeutend geringer war, als man all­gemein geglaubt hatte. Mich schmerzte dieß wenig; denn meiner Mutter blieb immer noch so viel, daß sie davon anständig leben konnte, und ich war ja jetzt im Stande, mir meinen Lebensunterhalt selbst zu erwerben. Doch bald haue ich Ursache, einzu-

sehn, daß das, was ich 's» leicht zu verschmerzen dachte, meine schönsten Hoffnungen zerstörte, und die Ursache meines Grames wurde. Felicie kam mir eines Abends, als ich sie nach einer Abwesen­heit von einigen Tagen besuchte, mit verweinten Augen entgegen, und vertraute mir, daß ihre El­tern ihr geboten hätten, allen Umgang mit mir aufzuheben, weil der reiche Juwelier D i l l o n um sie angehalten habe, und diese vorlheilhaftc Parchie nicht ausgeschlagen werden könne.Ach lieber thcurer Antoine!" fügte das weinende Mädchen hinzu: glaube mir, ich fühle und ahne es, ich werde bald dem Kummer und Schmerze erliegen, und früh eine Beute des Todes werden; den» cs ist mir nicht möglich, dem häßlichen rauhe» Dillon, der »och dazu um zwanzig Jahre älter ist, als ich, jemals gut zu werden. Und wäre er auch wirklich jung und hübsch; ich könnte ihm doch nimmer mein Her; schenke», denn das gehört nur Dir, geliebter Freund k Vergebens habe ich meinen sonst so guten Vater beschworen, mich nicht für mein ganzes Le­ben unglücklich zu machen, und mein wahres Wohl und Glück nicht einer Spekulation aufzuopfern. Ach, die Stiefmutter, die mich nicht leide» kan», und mich gern recht bald aus dem Hause haben möchte, hat ihn ganz umgewandclt. Meinen Licd- kosungen und Bitten setzre er zum erstenmal Härtr entgegen. Schlage Dir den armen Doktor aus dem Sinn, sagte er; denn nie wird er Dein Gatte werden- Gehorche lieber meinem und der Mutter Willen, der Dein Bestes bezweckt. Noch einmal sage ich cs Dir: Du mußt dem reiche» Dillen Deine Hand geben; alle Deine Widersprüche merk' es Dir! werden unbeachtet bleiben. Eigen­sinnige und verblendete Kinder muß man zu ihrem Glücke zwingen! Er riß sich von mir los: denn meine Lhräne» schienen ihn zu erweichen, und er wollte sich wahrscheinlich in Gegenwart seiner Frau von keiner Rührung dcmeistcrn lasten. Ach Antoi­ne, thcurer, geliebter Freund! welches wird mein Loos seyn k"

(Fortsetzung folgt.)

Auflösung der Räthsels in Nro. 4Z. Wachtel.