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einer^Rcise durch die Schweiz und das südliche Frankreich nach seiner Vaterstadt Paris zurückkehrte, und blickte mit wchmükhigem Lächeln aus das schöne abendliche Gemälde, das vor seinen Augen ausgcbrcitct da lag. Die reizende Landschaft mit dem frischen Grün, mit de» kleinen bunten Bauerhäusern zu beiden Seiten und der stattlichen Kirche im Hintergründe, kam ihm wie ein großes Gemälde von Dstade, Tenicrs oder Veriot vor, welches durch einen Zauber belebt worden war. Antonie's, durch eine unglückliche Liebe zur Schwer- muth und sanften Schwärmerei sich hinneigenoes Gemüth fand nur allein noch in den stillen Freuden, welche die Natur dem Menschen bietet, einen ihm zusagenden Genuß. Jetzt sollte er auch diesen aufgeben in dem lärmenden Treiben der geräusch- vvllcn Hauptstadt, wohin Verhältnisse und sei» Beruf ihn führten. ,,Hier auf diesen ländlichen Fluren, wo der heitre Friede zu wohne» scheint," so ^ sprach er leise: ,,möchte ich wohl ein paar Jahrt ^ meines Lebens zudringen! — Und würdest du dann wohl glücklich seyn'i Ach nein, armer Antoine! das konntest du doch nicht eher werden, als bis du gewisse schmerzliche Erinnerungen aus deiner Seele zu verwischen vermöchtest."
Die Ankunft eines Reiters, der in diesem Augenblicke vor der Thür des Wirthshauses hielt, und sein Pferd einem Aufwärter übergab, störte Antoine in seinem Selbstgespräch. Nach ein paar Minute» trat der Angckommene in das Gastzimmer. Beide junge Leute sahen einander mit forschendem Blicke an, und erkannten Einer in dem Andern einen lange nicht gesehene» Schulgcfährten. „Gre- goire Sombrcil! — Antoine Latour!" riefen
Beide, und sanken Brust an Brust. Nun gab cs ein Fragen und Erzählen; denn seit mehreren Jahren halte» sie nichts von einander vernommen. — „Meine Begebenheiten," nahm Gregobre das Wort: „sind höchst einfach, und daher auch kurz. Ich sollte, wie Du weißt, studieren, und mein älterer Bruder die Handlung meines Vaters übernehmen; allein der Erstcre starb, und nun drangen meine Eltern in mich, die akademische Laufbahn zu verlassen, und zum Handelssiand übcrzutrctcn, damit die berühmte Firma! Sombrcil unv Compagnie, nicht eingehcn möchte. Ich gehorchte dem väterlichen Willen, und habe auch nicht Ursache, diesen Wechsel zch bereuen, denn es geht mir sehr gut. — Eben» komme ich von einer kleinen Geschäftsreise'
zurück. Du aber scheinst von einer weilen Wan« derung hcimzukehre»
Ja, Freund! antwortete Latour: seit zwei Jahren bin ich von Paris entfernt gewesen, und habe die romantischen Thäler der Schweiz und die milden, lieblichen Fluren SüdFrankreickS durchstri- chcn, thciis um mich in der Botanik zu vervollkommnen, theils um den Gram einer unglücklichen Liebe im Genüsse der schonen Natur und durch den steten Wechsel neuer Gegenstände in meinem wunden Herzen zu criödtcn. Ach, das Letztere ist mir nicht gelungen! Etwas beruhigter zwar, aber nicht geheilt, kehre ich in die Vaterstadt zurück, wo hundert durch die Oenlichkeit aufgeregte Lrinnee rungen die kaum verharrschte Wunde wieder aus- rcißen werde»! —
„Armer Freund!" sagte Gregoire theilnehmcnd r „hast Du des Schmerzliche» denn so viel erfahre», daß in der schönste» Zeit des Lebens , wo ein leichter Sinn die Seele des Jünglings über die kleinliche» Erdensorgen hinweghebt, schon Kummer und Schwermut- in Deinem Innern so tief -Wurzel fasse» konnten'i"
Ich will offen und vertraulich gegen Dich seyn, Sombrcil! erwiederte Antoine, des Freundes Hand mit Wärme drückend. „Warst Du mir doch von Kindheit auf der liebste Schulgefädrte, und schon damals, in der schönen frohen Zeit der Knaben- jahrc, vertrauten wir uns gegenseitig unsere kleinen Jugendgchcimnisse. Aber komm hinaus in eine der Lauben des Wirthsgartcns, — hier in dem öffentlichen Gastzimmer dürften wir nur zu oft gestört und unterbrochen werden. —
Beide Freunde setzten sich in ein nettes, geschmackvoll eingerichtetes Sommerhäuschcn, wohin man ihnen das bestellte Avendbrod brachte, und Latour begann:
„Als mein Vater sein in der Nähe des Pallastes von Luxembourg gelegenes Haus veräußert, und ein anderes in der Vorstadt St. Germain gekauft harte, schloß er mit seinem Nachbar, dem Juwclenhändler D e r b o i s, ein für das Alker beider Männer höchst seltenes FreundschaftsBündniß. Es fühlte sich einer zu dem Andern allmävlig so hingczogen, daß sie nicht einen Tag ohne einander leben zu können vermeinten Die gegenseitige Liebe der Väter trug sich bald auf die Kinder über. Mir war nur wohl, wenn ich in der Nähe der licbkichen Fclicic, Derdois einziger Tochter, seyn konnte.