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dem ander» hervor und spiegelte sich in den Silber- wclleii des lciserauschenden Strom». Doch ach! in Wilhelmi's gepreßtes Herz blinkten die Sterne keinen Trost! Sv manche bittere Kränkung hatte beute sei» feines Ehrgefühl verwundet, manches rauhe Worr, welches an diesem Tage seine Seele tief verletzte, zog wiedcrhallcnd noch an seinem Ohr vorüber und indem er vergebens darüber nach­sann, wie ec wohl die geliebte Gattin am schonend- sien mit der Vernichtung ihrer still genährten Hoff­nung bekannt machen könne, ohne sie all' die bar­ten Kränkungen, die ihm widerfuhren, mit empfin­den zu lasten, entquoll seinem getrübten Auge eine heiße Thräne nach der andern. Denn nichts preßt ein verletztes Herz schmerzlicher zusammen, als der Entschluß, den Kummer, de« es trägt, stumm im Busen zu verschließen.

Jndeß war auch des Mondes volle Scheibe glü­hend roch aus der lufibcgränzten Fluch empor ge­stiegen und verklärte nun mit seinem magischen Schsmmcr die schweigende Gegend. Da bewegte sich fernher, hart am Ufer des Srr«ms, eine dunkle Gestalt, näher und näher zu der Stelle, wo der fromme Flschec seine Sorge in Thräne» an das allumsaffende Herz des uncrschaff.-nc» Vaters legte. Ganz nahe vor Wilhclmi'n blieb ste sieben. Es ivar ein hoher Jüngling, von dessen Schultern ein rabenschwarzer Mantel in reichen Falten bis auf die Fersen wallte und in dessen marmorbleichen Zügen nur der Ausdruck milder Ruh« thronte. Wilhclmi trocknete die Augen, um das, was in seinem Innern vorging, nicht dem Fremden zu ver­lachen. Doch sein einmal zu lebhaft angeregter Kummer spottete des Zwanges und die Tb>änen, die er zurückzuhalten strebte, stoßen eben darum nur häufiger von seiner Wange. Der Fremde aber trat noch näher zu ihm hin und hauchte zwischen Len blaffen Lippen mit sanftem To» die Frage her­vor :

Was weinest Du?"

Diese Worte öffneten die verschlossene Brust des Gebeugten, er fühlte sich hingerissen, das, was seine Seele so schwer bedrückte, dem Unbekannten zu entdecken, der ihm mit steigender Theilnahme zuhörre, wodurch jener bewogen wurde, die Ge­schichte dieses Tages aufs Umständlichste zu erzäh­le», und als er geendet hatte, Hub der Fremde al­so an:

So Dein Kummer kein andrer ist, als der, einen Zeugen bei der Laufe Deines Kindes zu finden, so Du von mir diese Gefälligkeit annehmen und in der Thar auf das Pathcngeschenk »skzichten möchtest, darfst Du weiter keine Sorge tragen, denn gerne will ich Deines Knäbleins Pache seyn."

Da wich die Nacht der Schwermut!» vor Wil helmi's Bliken zmück, denn sein Inneres durch­strahlte das Licht des seligsten Trostes. Gerührt nahm er das zuvorkommende Anerbieten des Frem­den an indem er ihm mit tief gefühlten Worten seine milde Großmuth dankte und die Thräncn des Kummers verwandelten sich in Thränen der Wonne.

So nahe im Leben liegen sich häufig Schmerz und Freude!

Ziehe denn heim zu den Deinlgen mit fröhli­chem Gemüthe und bereite das Fest im Namen des Unendlichen! Morgen um die rechte Zeit will ich in deine Hütte kommen, Deine Wünsche zu erfüllen!" versetzte jener und verschwand.

Lange schaure Wilhclmi ihm mit feuchten Bli­cke» nach, wie er sich allmählig in die Gegend von wanne» er gekommen, veilor; zog dann heim, wie ihm der Andere geheißen, mit fröhlichem Gemüihe zu scineln harrende» Weide und geda-hke alles des­sen, was ihm heute die Brust so schmerzlich beengte nicht mehr, erzählte aber der aufmerksamen Gattin lind den lauschenden Kindern viel von dein feinen sinnigen Wesen des blassen Fremden, der ihm in der Stunde der äußersten Noch recht- wie ein Bote des Trostes erschienen und der bangen Sorge nicht mit leeren Worten, sondern wie cs die ächte Nächsten­liebe heischt, mit williger Thar abzuhelfen bereit

war.

Nicht allein die Freude, sondern auch die leb­haften Vorstellungen, welche die Schilderung von dem edlen Fremden in'der Familie deS Fischers er­regte, hielr in dieser Nacht den Schlummer von ihren Augen fern. Früh am Morgen schon war alles wieder lebendig in der Hütte und das muntere Treiben der Kinder verkündete ihre frohe Spannung auf das heute statt findende Fest. Grüne Zweige schmückten d'en Eingang zu der niedrigen Wohnung, vor den blinkenden Fenstern prangte in irdenen Ge­fäße» eine Fülle der mannigfaltigsten Frühlings- spendcn glänzend aukdcm reinlichen Fußboden kräu­selte sich der fein gestreute Sand, auf einem run­den bunt nmkränzten Tischchen stand die zierliche Tauffthate, auf einem schneeweiß gedeckte» größeren Tische daneben war Wein und feines Waizenbrod zur Erfrischung der erwartete» Gäste aufgesetzt und sanft am Multerbusen lächelte das kleine Wesen, drin alle diese Vorbcreiiungcn galten. Der schon gestern eingeladene Pfarrer des Orts erschien und bald auch zeigte steh in der Ferne der Fremde, dessen Gegenwart nur allein noch fehlle. Wilhclmi eilte ihm entgegen und führte ihn freudig in seine Behausung ein- Als aber Rosa und die Kinder in das unbeweglich blasse Antlitz des sie ernst be­grüßenden Jünglings schauten, durchziiterte sie ein seltsames Gefühl, fast wie ein leises Grauen. Allein sic bekämpften die unheimliche Regung und hießen ihn mi» Herzlichkeit willkommen. Auch neigte sich der Gast bald so hold und milde zu ihnen hin, daß der Fischerin unnöthige Furcht entwich und die Kinder recht behaglich in sein klares, ruhiges Auge blickten.

(Fortsetzung folgt.)