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ist ja das Loos der Armuth, bas ihr keine Freude ungemischt'zu Theil wird, denn auch in den Kelch der reinsten Wonne gießen ihre düstere» Sorgen bittere Wermuthstropfen ein. Zwar durfte Wilhclmi nicht fürchten, daß sein frommes Vertraue» auf den Allliebendc», sein redlicher Fleiß und der treue Beistand seines braven Weibes ihn je ganz sinken laste» würden; dennoch aber war es eine schwere, bange Sorge, die ihn mitten im Taumel des Entzückens mit ihrem düsteren Flügel recht nahe umkreis'te. Ec erinnerte sich nämlich gar wohl, welche unbeschreibliche Mühe eS ihm schon bei der Geburt seiner älteren Kinder und vorzüglich bei der des holden Annchcns gekostet hatte, die nöthigen Zeugen zu der Weihe ihrer Laufe zu finden; denn'in der volkreichen Stadt, vor deren Thoren des Fischers Hütte am Ufer eines vielbe- schifften Stromes lag, waren die Reichen und Wohlhabenden zu stolz, Pathe bei dem Kinde eines so dürftigen Mannes zu werden, wiewohl unter dem groben WamS, welches seine Brust bedeckte, ei» edleres Herz, als unter dem prunkenden Gewände mancher seiner vornehmeren Mitbrüder schlug. Die Unbemittelten und Aermcrcn aber schellten die Ausgaben des üblichen Pathengcschenko und schlugen ihm, obgleich er auf diese Gabe gern verzichtet haben würde, die Bitte darum ab.
Wilhelm! faßte indeß neuen Muth, alS er an jedem der nächstfolgenden Tage einen größeren Fang als je aus den Fluchen zog. Segnete der Himmel doch also, jetzt da sich die Bedürfnisse der Familie vermehrt Harfen, sichtbar, auch den Erwerb mit doppeltem Gewinn! Und als Rosa nach acht Tage», genesen vom Krankenlager erstanden, wieder wie sonst nach ihrer sorgsamen Weise' das Hauswesen verwaltete und das süße Lächeln ihres Säuglings den hcimkchrcnden Vater zum erstenmal entzückte, da richtete dieser das reine Auge vertrauend in die Wolken und Lachte: der welcher die jungen Raben speist und die Lilien auf dem Felde kleidet, wird auch sorgen, daß mein Knäblein die heilige Weihe des Christcnthums erhält l
Es war am letzten Tage in der dritten darauf folgenden Woche, da machte Wilhelmi sich auf, belud sich mit den gefüllten Fischkörbcn und verließ mit dem junge» Morgenstrahl die Hütte. Indeß bemühte sich Rosa, ihr kleines Hauswesen gar hübsch und sauber zu ordnen, die beide» ältesten Söhne leistete» ihr dabei hülfrciche Hand und Annchen schaukelte die Wiege des Jüngsten. Das Wohn- gemach wurde heute nicht nur mit der höchsten Reinlichkeit geschmückt, sondern auch mit bumen Wiesenblumen recht zierlich herausgeputzt, denn morgen, als am Sonntage, wenn das Glück ihm nicht ganz abhold war, sollte der Kleine ja die Weihe der Laufe empfangen. Wilhelm! zog getrosten MuthS von dannen, munter vorwärts auf dem Wege in die nahgelegene Stadt. Nicht blos in der Absicht, die Gaben, welche ihm der Strom seit einigen Lagen hescheerte, den Einwohnern ver
käuflich zu überlassen, sondern auch, um unter ihnen die Pathen seines Kindes zu suchen.
Das Geschäft des Fiscders führte ihn zuerst in die Pallästc der Großen mid in der Hoffnung, wenigstens ein geneigtes Herz unter ihnen zu finden, ließ er ihnen seine Bitte durch ihre Diener vortrage». Der Erste machte leere Ausflüchte, der Zweite entschuldigte sich mit einer Unpäßlichkeit, der Dritte sollte am morgenden Tage grade einem seiner früheren Diener diese Gunst erweisen, der Vierte wies ihn rauh ab, ohne die Ursache seiner Weigerung zu nennen, und so bliebe» seine Versuche, wie er sie der Reihe nach bei den Vornehmen unternahm, alle sruchtlos. Jagender betrat er die Schwelle eines wohlhabenden Bürgers und wiederholte hier die schon so oft zurückgewicsene Bitte. Ein kränkender Vorwurf seiner Dürftigkeit war alles was er zur Antwort erhielt. Verletzt im Innersten seines Herzens wandelte er durch mehrere Straßen, und bot nur noch den Rest seiner Waare feil, ohne aufs Neue den Versuch, einen Zeugen bei der Taufe seines Kindes zu gewinnen, zu wagen. Allein bald wieder gedachte er des Kummers, den seine vergeblichen Bemühungen der geliebten Hausfrau, die, wie er wohl wußte, daheim schon alles zur morgenden Feier vorbereitete, verursachen würde. Er raffte daher noch einmal seinen Muth zusammen und machte in vielen, vielen Häusern neue Versuche. Schüchtern nahte er sich den Gewölben der Kausleute, vertrauend den Arbeitsstätte» der Handwerker. Doch überall wies man die bescheidne Bitte des armen Fischers wie ein lästiges Gesuch zurück. Jetzt blieb ihm nicht- mehr übrig, als die Wohnungen der Unbemittelten und Armen ui suchen. Aber umsonst blieben auch hier seine Wünsche, umsonst gab er seine willige Verzichtleistung auf das übliche Pathengcschenk offen zu erkennen, wenn nur die heilige Handlung selbst nicht verzögert werden dürfte. Seine armen Mit« brüdcr versagten ihm aus falscher Schaam eine Gefälligkeit, die sic ihm, nach ihrer Meinung, doch nur zur Hälfte leisten konnten.
Tief betrübt verließ Wilhelmi die Stadt, der Abend neigte sich bereits herab und ermattet von den vielfältigen Anstrengungen des Tages, zog er, alö er das Freie erreicht' hatte, langsam am Ufer des Stromes hin. Etwa eine Viertelstunde noch von seiner Wohnhütte entfernt, warf er sich unter einen Fliedcrbanm nieder ins weiche Gras und dachte traurig den Wiedcrwärtigkeitcn dieses Tages nach. Also sollte die heilige Handlung, wie innig sich auch sein und seines Weibes frommes Gcmüth nach deren Vollstreckung sehnten, dennoch nicht voll, zogen werden. Am schmerzlichsten aber war es ihm, das bloß ihre unverschuldete Armuth die Erfüllung der ihnen so thcurcn Christenpflicht verhinderte. — Die lauen Abendlüfre spielten sanft mit seinen schwarzen Locken, der blühende Flieder hauchte ihm süße Lüfte zu, das zu ihm herüber tönende Geräusch wurde attmählig stiller, am azurblauen Himmelsgewölbe trat ein funkelnder Stern nach