und hob sie liebkosend zu sich auf sein Roß. Sie wagte keinen 'Widerstand. Unbedingter Gehorsam gegen den Herrscher ist Litte Le- Landes. Und bei Jdli kam noch die Allge­walt der beginnenden Liebe hinzu, die nur um so mehr sich ihres Herzen» bemeisterte, je neuer ihr diese süße Empfindung war.

Die Liebe war Kubo's Wegweiserin; in wenigen Stunden erreichte er mit seiner schönen Beute seine Residenzstadt Veddo, und am folgenden Tage wurde Jdli'ö und Kubo'S Vermählung gefeiert. Ein königli­ches Kleid umwallte die Hüften der schönen Hirtin. Busen und Stirne, gestern mit Blumen der Wiesen geschmückt, funkelten heute von Perlen und kostbaren Edelgestei- nen. Doch ungetäuscht vom Schimmer der Pracht blieb Jdii in Sitten und Denkart das vorige schäfcrliche Mädchen, nur nicht so heiter und fröhlich. Ost flog ihr lieben­der Gedanke zu Mutter, Blumen und Läm­mern hin. Ihr Gemahl richtete sie mit der Hoffnung aus. Von Zeit zu Zeit ihre Mutter besuchen zu dürfen, und diese wurde durch einen von ihm abgeschickten Boten von der Erhöhung ihrer Joli zur Beherrscherin von Japan benachrichtiget. Der Bote fand die Alte krank, und untröstlich über die Tren­nung von ihrer Tochter. Man verbarg der forschenden Jdii, in welchem Zustande der Bote die Mutter gefunden hatte. Jdliwahlte Von ihrem Brautgeschmeide daS schönste Kleinod nebst einer Schnur großer Perlen aus, und schickte sie heimlich ihrer Mutter.

Zehen Tage waren in rauschenden Er- götzlichkeiten vorübergegangen, und m>t jedem Tage fühlte Jdli eS drückender, daß sie bei aller Pracht und Herrlichkeit nur Sklavin sep. Ihr Herz blieb leer und kalt. Eines Morgens blickte sie traurig und sehnsuchts­voll nach den Gebirgen hin, die sie von ih­rer heimischen Flur trennten. Da trat ein stummer Zwerg in ihr Gemach, reichte ihr einxn Brief und verließ sie eilends. Sie las, sie netzte das Blatt mit Thränen, ihr Gemahl trat herein. Sie verbarg den Brief in ihrem Busen, aber der Kuba sah es. Da hauchte ein feindseliger Dämon den

Argwohn der Eifer>ucht in sein Herz. Er fordert das Blatt von ihr, sic schweigt und §r dringt heftiger in sie, sie wei­gert sich. Er will den Brief ihrem Busen entreißen; sie hält entrüstet feine Hand zu­rück. Er ringt mit ihr, es gelingt ihm, den Brief zu fassen. Aber indem er ihn aus ihrem Buse» hervorzichen will, fällt sie mit beiden Händen darüber her, entreißt ihm das Blatt, steckt es, ehe er es verhindern kann, in ihren Mund, und verschlingt ei im Augenblick. Sie schnappt nach Luft, sie schluchset; von Erstickung entseelt, sinkt sie erblaßt zu KuboS Füßen. Man rief Aerzte zur Hülfe, aber vergeblich. Kein Sterblicher konnte die entflohene Seele zu- rückzaubcrn. Man öffnete den weißen Schwa­nenhals, und zog das unglückliche Blatt hervor. Der Beherrscher Japans las mit Entsetzen folgende Zeilen von einer zittern­den Hand geschrieben:

Abgezehrt von Krankheit dankt deine Mutter dir für dein Geschenk. Tien belohne dich dafür."

Verzweiflung ergriff, wie eine Harphie, sein Herz, er stürzte vor der tobten Ge­liebten auf's Angesicht, und umschlang sie mit starre» krampfhaft geschlossenen Ar­men. Drei Tage weigerte er sich, Speise und Trank zu sich zu nehmen. Dann sandte er Aerzte zu Jdlis Mutter, die sie vom Rande des Grabes, wohin die Nachricht von Jdlis Tod sie gebracht hatte ins Leben zu- rückricscn. Alsdann nahm er mit SohneS- Sorgfalt die Wittwe zu sich in seine Kai- serburg. Jdlis Körper ließ er balsamirt in einen Sarkophag legen, und gelobte ihrem Schatten, unvcrmählt zu sterben. Täglich, so lang er lebte, besuchte er die noch im Tode geliebte irdische Hülle seiner Jdli. öff­nete den Sarkophag, und beträufelte den Leichnam mit bittern Zähren. Noch bis auf den heutigen Tag erhält sich in Japan daS Sprichwort: Schön und unglücklich, wie Jdli.