Nachdem er einen Tag ansgeruht, begann er mit seinem treuen Vellrath und vier Knappen die wßwander»»g nach der uralten heiligen Stadt. Sr und seine Begleiter hatten Pilzertracht ange­legt und keiner war von dem ander» äußerlich zu unterscheiden; nur an der stillen Würde und Ho­heit hätte ein scharfblickender Fremder den HcrzSg leicht zu erkennen vermocht»

Mit frommer Ehrfurcht wallten die Pilger aus dcm merkwürdigen Boden dahin, der einst durch hohe Thatc» verherrlicht worden war. Hier hatte ja in früher längst verrauschter Zeit das Volk Is­raels seine blutigen Schlachten um Freiheit und Religion gekämpft, hier war der Erlöser umherge­wandelt, die hohen Wunder der Liebe und des Glaubens verrichtend, diese Erde hatte ja erst vor ein paar Jahrhunderten das Blut so vieler tausend hcldenmüthigcr Kreuzfahrer getrunken; kurz, je­der Schritt, den die Wandernden vorwärts thalen, erweckte in ihnen hehre und ernste Benachtunge».

Am zweiten Morgen ihrer Fußleise gelangten sie zu den Anhöhen des berühmte» Berges Tabor. Auf einem mit schönen jungen PistazicnBäume» defekten Hügel bemerkten sic schon in einiger Ent­fernung die Klause eines christlichen Einsiedlers, deren hohes Kreuz auf dcm Laubdacde weit über die Bäume hinwegragte, welche die Hütte umgaben.

,,Dort wohnt ein Glaubensbruder!" rief der Herzog.Laßt uns zu ihm hinaufstcize», um bei ihm auf diesen heiligen Höhen zu beten und frische Kräfte für die weitere Reise zu sammeln.

Bald erreichte» siechte Spitze des Hügels. Der Klausner mußte sie schon früher gesehen haben, denn er kam ihnen entgegen und bewillkommnete sic mit einem frommen Gruße. Ec war ein freund­licher Mann , noch in den besten Lebensjahren; seine Gesichlszügc hatten viel Angenehmes und Ein­nehmendes, und seine Stimme klang sanft und wohllönend. Er hieß die Ankommenden in saine Hütte treten, und bot ihnen frische Milch zur Er­quickung dar. Er redete seine Gäste in lateinischer Sprache an, und Ludwig, der etwas davon ver­stand, antwortete ihm in derselben. Als der Ere­mit erfuhr, daß die Pilger aus deutschen Landen käme», entdeckte er ihnen, daß er sich auch in ihrer Muttersprache noihdürfiig mit ihnen unterhalten könne, da er in seiner Jugend durch halb Europa gcrciser sei), und die Zungen mehrerer Völker kenne. Darüber hatten die Wallfahrer eine Freude, und Ludwig fühlte sich besonders zu dem frommen Bru­der hingczogen, der die seltene Gabe besaß, auf den ersten Augenblick Herzen zu gewinnen.

Den Zweck der Reise konnte der Einsiedler leicht errathen, aber das wunderte ihn: daß die Wandrer nicht schon gestern Abend seine Klause zu erreichen gestrebt hätten, um, wie alle pilgernde Christen, die auf dieser Straße nach der Stadt Jerusalem wallten, Nachihcrbergr bei ihm zu nehmen; da sie doch sonder Zweifel in den umliegenden sarazeni­schen Dörfern, durch welche sie gezogen, erfahren haben müßten; daß am Fuße des Berges Tabor

ein christlicher Eremit wohne, der seine Glaubens­genossen gern bewirthe und ihnen de» Weg auf den erhabenen Gipfel zeige, wo einst der Heiland seinen Jüngern im Glanze der Verklärung erschienen sey.

Ludwig erwiederte hierauf: daß er sich gestern mit seinen Gefährten verirrt, und die Nacht unter freiem Himmel zugebcacht habe, weil er, nicht auf dem rechten Pfade gehend, durch kein Dorf gekom­men sey. Er versprach dafür aut der Rückreise von Jerusalem nach Ptvlcmäis oder Acre gewiß wieder bei ihm einzukchren, und dann eine Nacht­ruhe bei ihm zu halten; über welches Versprechen der Klausner, welcher sich Mar^ilus nannte, eine große Freude und Zufriedenheit bezeigte.

Ludwig fühlte sich auf diesen heiligen Höhe» so zur Andacht gestimmt, daß er den fromme» Bru­der bat: er möge ihn Beichte h'örcn, segne» und dann mit ihm für eine glückliche Vollendung der Wallfahrt beten. Der Einsiedler zeigte sich hierzu gern bereitwillig, und Ludwig vertraute ihm: daß ö er kein gewöhnlicher Pilger, sondern ein schlesischer z Herzog sey, der nicht um eigne Verbrechen adzu« i büßen, obgleich er auch ein sündhafter Mensch zu i seyn bekenne sondeL» um die Seele seines un­glückliche» Vaters aus der Pein des Fcgfeucrs zu s retten, den Zug nach Palästina in Begleitung ci- ; Niger wenigen Treuen unternommen habe- z Marcell schien gerührt zu seyn.Frommer Fürst!" sagte er in einem salbungsreichen Tone: Du wirst durch dieses Gott wohlgefällige Werk nicht allein den gequälte» Geist Deines armen Va­ters erlösen, sonder» auch die Gnade des Himmels auf Dein Haupt Herabrufen!"

Nach einer Stunde führte der Klausner seine Gäste aus den Gipfel des Tabor hinauf, wo sich alle Niederwürfe» , den geheiligten Boden küßten, und mit erhabenen Gefühlen beteten- Die scharfe schneidende Lust aber, die hier oben wehte, erlaubte kein langes Verweilen, darum gingen sie nach geen­digter SeelcnErhebung wieder hinunter, um nach einer kurzen Rast in des Klausners Wohnung, die hcriiige Tagereise fortzusetzen. Beim Abschiede legte Ludwig einen Beutel mit Silberstückc» i» MarcellS Hände und bat den frommen Bruder: daß er von dieser Spende armen und nothleidende» Pilgern, die künftig bei ihm einkehrcn würden, eine Unter­stützung zukommen lassen möge. Dankend nahm Marcell das Geschenk und versprach, cs dem Wil­len des Gebers gemäß zu verwenden. Nachdem Ludwig noch einmal versprochen, in einer Zeit von drei bis vier Wochen auf der Rückkehr nach der syrischen Hafenstadt, hier zu übernachten, trennten sich die Wallfahrer von dcm Eremiten, der sie ein Stück Weges begleitet hatte, und stiegen allmählig in die grasreichen Thälcr von Sichcm hinab.

Als sie nach zwei Tagen, da eben der Abend- thau sich über die Fluren senkte, sich dem Gebirge wieder näherten, sahen sie aus einer,'Schlucht einen Reiter in der buntesten morgenländische» Tracht auf sich zugcsvrengt kommen, der ein gebundenes Mädchen, das reiche türkische Kleider trug, ge-