versteckte Waldhütte. Diese armen Leute machten den eintretende» Jägern, die ganz durchnäßt waren, sogleich am Kaminfeuer Platz, obgleich sie nicht ahnten, daß einer derselben ihr Landesherr^ war. Der Herzog unterhielt sich fast eine halbe stunde lang Mil ihnen, und da während dessen das Wetter besser geworden war, so brach er wieder auf, nachdem er die Bewohner des einsamen Hauses Mit einigen Silberstücken beschenkt hatte.
„Wie vergnügt leben doch diese armen Bauersleute," sagte der Herzog zu Vvllrath, indem er auf dem Rückwege, mit diesem eine große Strecke seinem Gefolge voranritt. „Aus all' ihren Gesichtszügen sprach eine solche Zufriedenheit, wie sie gewiß nur unter wenig Dächern zu finden ist. Ach, wenn ich doch auch so glücklich wäre!"
Ihr habt vielleicht nur nicht den Much, es zu seyti, mein edler Fürst! cntgcgnete der Stallmeister. Was drücket Euer sonst so hohes Herz darnieder? Die Sorge» für das Wohl des Landes? Ihr seid der Mann, eine solche Last zu tragen, ohne sich von ihr erdrücken zu lassen. Und ist nicht Eure Regierung eine glückliche? Wohnt nicht der Friede innerhalb der Grenzen Eures Reiches? Blühen nicht die Felder eurer Marken jährlich im herrlichsten Schmucke der Natur? Lebt nicht die Mehrzahl Eurer Bürger und Landleute im Wohlstände? — Warum seid Ihr nicht glücklich, Ihr, dessen Weisheit und Milde sie dieses Glück zu danken haben? Euch gab der Himmel so viele Güter des Lebens, nach denen manche Andre vergebens trachten; er gab Euch die Höchsten; eine schöne, tugendhafte Gemahlin, die Euch unaussprechlich liebt, .und eineir holden Sohn, der, so hoffen wir Alle, einst Euer edles Geschlecht foripflanzen wird. Was fehlet Euch also noch, um einer der beglücktesten Fürsten zu seyn? Lasset doch den Kummer fahren, den Ihr Euch vielleicht nur selbst erschafft. Ach, Ihr wisset und bemerket wohl nicht, daß die Herzogin sich jetzt auch dem Grame hingiebt, weil sie Euch ko oft in Schwermutb versunken sieht?
„Was sagst Du, Vollrath," unterbrach ihn Ludwig betroffen: „so wäre meine theurc Katharina auch unglücklich!"
Wie könnte sie glücklich seyn, wenn sic Euch Vicht zufrieden weiß- Sie, welche sonst die Heiterkeit selbst war, geht jetzt immer mit gesenktem Haupte an uns vorüber, und schon oft hat mein scharf beobachtender Blick Thränen auf ihren Wangen gesehen.
„O Vvllrath, wie weh thttt cs mir, mein e-les vortreffliches Weib leidend zu wissen, ohne sie heilen zu können. Ach, und ich muß ihren Schmerz noch vermehre», statt ihn zu linder». Ich will mich dir vertrauen, treuer Diener. Einmal muß ja doch das Gchcimniß kund werden, einmal endlich doch der Schritt geschehen, de» ich, aus Liebe zu meiner Gemahlin, bisher immer noch gescheut habe. Ick fühle es, das Zögern schafft nur unnütze Oual, und oft mag die Furcht vor »cm ttehel de«, Maschen unglücklicher machen,
als das Nebel selbst. So höre denn: Als mein Vater vor drei Jahren auf dem Sterbebette lag, da ließ er mich vor sich rufen, befahl seinen Leuten, das Gemach zu verlassen, und sprach, als er mit mir allein war. Folgendes: „„Mein theurer Sohn! du nur allein fkaiinst meine zagende Seele aufrichten, daß sic nicht in bangen Zweifeln von diesem morschen Leibe scheidet, und vcrzweistungs- voll zum Orte der ewigen Finsierniß jhinabfährt. Ein blulizer Schatten, den ich nicht, wie ich gesollt hätte, vollständig versöhnt habe, stellt sich in meine» letzten Stunden vor meinen bald dahinschcl- dcndcn Geist, und mahnt mich an die schwärzeste Stunde meines Lebens. Ich habe einst rm rasenden Jähzorn einen meiner redlichsten Freunde ge- tödtet, weil ich in unverzeihlicher Verblendung ihn treulos glaubte. Bald nach der schrecklichen That ergriff mich die bitterste Rene; ich rhat Buße, erbaute zwei Kirche» und ein Kloster aber Ruhe ward mir dennoch nicht. Da reifete ich zu dem frommen Bischoff von Breslau, vertraute ihm in der Beichte mein Verbreche», welches bisher noch ei» Geheimnis! war, das ich, der Mörder, nur allein wußte, und beschwor ihn, mir eine Buße auf- zulegcn, die im Stande sei, den «schatten des Ermordeten, der mir oft in nächtlichen Träumen erscheine und Rache fordre, zu versöhnen, cdamit ich endlich Friede wieder finde» möchte. Der Bischof befahl mir: eine Wallfahrt zum Grabe Christi nach Jerusalem zu unternehmen, dort an geheiligter Stätte zu beten, unter heißen Rcuethräncn den Himmel um Vergebung und Gnade anzuflehcn, und keilie Last, kein Leid für zu groß zu achten, um der Barmherzigkeit des Höchsten würdiger zu werden. Zwar versprach ich, die mir auftrlegte schwere Pflicht zu erfüllen; doch ich zögerte nachher von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr, zur Ausführung zu schreiten. Die Erzählungen manches aus dem gelobten Lande zurückkchrcnden Pilgers von den Drangsalen und Gefahren, denen diesChri- sten im Morgenlünde ausgesctzt seyn sollten, schreckten mich und schlugen meinen Vorsatz nieder. Ich glaubte durch andre fromme Werke auch de» Weg zum Fricdui finden zu können, und so rückte mein Alter Hera», und in seinem Gefolge kamen Siech- thum und Gebrechlichkeit. Aber jemehr ich dem Grabe zuciltc, desto unruhiger wurde mein Herz, desto mehr Zweifel quälte» meine Seele. Nu» war es nicht mehr möglich, daß ich die weite und be« schwcrliche Wanderung unternehmen 'konnte. Ach, die Zeit, welche mir dieses gestattet hätte, war verflossen. Oester als je stellte sieb nun das Bi» meines gemordeten Freundes vor meine Erinnerung, und flößte mir Schauder vor der Zukunst jenseits des Grabes ein. Ach ich war sehr unglücklich! — (Fortsetzung folgt.)
Auflösung des LogogrpphS in Nro. 5. Schwind?!. Windel.