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ler zu haben sei, hatte ihm auch nicht im Traume einfallen können.
I, Du armer Junge! — riefen Vater und Mutter, als der Sohn mit der Kanne eintrat — Dich S Stunden weit nach Bier herzusenden! Du hast'S aber recht gemacht! Schlaf' aus! Morgen früh mit Tagesanbruch mache Dich auf den Rückweg.
Und mit herrlichem Lagerbiere versorgt, schreitet der Bursche, vom Vater 4 Stunden weit begleitet, der ihm so lange die Kanne tragt, rüstigen Schrittes wieder nach Berlin zu, wo der Meister, ungeduldig, schon in der nächsten halben Stunde Tages vor her, einen andern Boten nach Bernauer Bier sandte, und den ersten für einen Schuft hielt, der mit Geld und Flasche davongelau- sen sei. Müde und matt kommt der Gut- müthige indessen gegen Mittag in die Nahe von Berlins Thore.
Nun, Du wirst de» Knieriemen fühlen, daß du zeitlebens daran denkst! rief ihm ein Bursche seiner Bekanntschaft zu, den der Zufall ihm in den Weg führte.
Und mit Schrecken erfährt er, welchen albernen Streich er ohne Wissen und Willen begangen habe. Scham und Furcht bestürmen ihn. Hastig vergrabt er am 'Sande eines Wäldchens seine Kanne und wandert auf gut Glück in die Welt. Er kommt in die Dienste eines östreichifchen Offiziers und bald darauf wird er in dessen Regiment -enrollirt. DaS Glück begünstigt ihn. In dem Türkenkrieg unter Eugen steigt er in 16 Jahren bis zum Rittmeister empor. Von mancher Narbe entstellt, doch den Beutel mit erspartem Solde und vieler Türkenbeute gefüllt, sehnt er sich nun nach der Heimath und sucht den Meister auf, der ihn nach Bernauer Lagerbier geschickt hatte.
ES kostete Mühe, den alten Mann zu überzeugen, daß sein ehmaliger Lehrbursche und der stattliche Rittmeister ein und derselbe sei. Der Beweis kam ihm aber in die Hand. Der Rittmeister fand glücklich den Baum noch unter welchem die kupferne Flasche verborgen war. Und auch das Ber- nauer Bier fand sich noch darin; oben al
lerdings mit einer dicknn Haut bewachsen, aber so gut, „daß man hätte Kranke damit laben und gesund machen können," sagt mein alter Autor, dem ich diese Geschichte nacherzähle. — Das Bernauer Lagerbier muß aber sehr gut geweseu sehn, wenn cS 16—17 Jahre ausdauern, und dann noch Kranke laben konnte.
V.
In einer Stadt Hollands saßen zwei Reisende am Kamine, schmauchten behaglich neben einem Humpen Bier ihre Pfeifchen. Einer von diesen schlief, während daß sie behaglich da saßen, vest ein. Von ungefähr fiel dem Schlafenden von seiner Pjcise ein Funke auf seinen Nock, und dieser fieng nun an zu brennen. Ehe ihm aber sein Reisegefährte aufricf, fragte er ihn vorher wie er heiße: und als dieser sagte: „Jan heiße ich," dann ries er erst: „Run Jan sein Rock brennt."
Charade.
Wen» die Natur erwacht zu neuem Leben,
Und lauer Lüfte durch die Schöpfung weh»;
Wen» aus dem Knospen sich die Blüthc» heben, Im grünen Festschmuck wir die Fluren sch»;
Dan» prangen zart in maiinigfall'gcm Kleide,
Und Düfte spendend, meine erste» Beide.
Doch süßer» Hauchs, als ihre schönste Düste,
Und höher» Werths, als ihrer Farben Pracht, Durchhailt ei» süßer Laut die FrühliugSlüftc,
Ein Himmelsto», in tiefer Br,ist erwacht.
Die zweiten sind'S, und alles hier auf Erden, Kann ihrer Anminh nicht verglichen werde».
Durch sie wird uns das Göttliche verkündet,
Und jedes Große zeuget laut ihr Mund,
Und wenn das Herz sich zu dem Herzen findet.
So schließen sie den ew'ge», heil'ge» Bund.
Dem Arme» Wehe, dem des Schicksals Wallen. Das köstlichste der Güter vvrenthalten.
Doch wenn von Furcht und zarter Scham befangen, Die Liebe nicht die laute» zweiten wagt,
Und dennoch gern—obgleich mit zartem Bangen — Was sie durchglühet, dem Geliebten sagt:
Dann gibt sie still die ersten für die zweiten, Und Liebe wird das sinn'ge Ganze deuten.