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Beilage zum Jnrelligenz-Blarr
Ilro. 86. Freitag den 2s. Oktober 1829.
Käthchen - Tau f e.
(Beschluß.)
Indes war Kälbchen bang und scheu, entsetzt von der Ankunft des strengen Vaters, und so bedrängt von innerem und äußerem Leid, daß sie von sich nichts wußte, in den Wald Berg aus geflüchtet, wo Vorübergehende sie ohnmächtig fanden. Der Regen goß in Strömen herab, die mitleidigen Landlcute suchten die Unglückliche zu sich selbst zu bringen, sie kam zur Besinnung, doch aus keine Frage brachte sic etwas anders hervor, als ,,laßt Mich nur gehen, ich suche mir eine gute Läufe!" Sie sagte das so beweglich und sanft, daß den Anwesenden dabei das Herz vor Wehmuth und Mitleid schmolz und sie nicht weiter in sie drangen, zurück in die Mühle zu gehen, denn sie bat sie knieend, ihr Ruhe zu lasten. Schon neigte sich der Tag, alsnsie mit unsicherem Schritt» den Berg hinab und den Wiesen entlang an/enRand derKirnitsch gieng. Urplötzlich erkannte sic die Stelle, wo sie mit Rudolph zu Nacht verweilt und ihm das.Lied vom Grafen und der Nonne gesungen. Die Vergißmeinnicht-,, von der hoch angcschwollencn Fluch bcnekk, schäme sie wie mit weinende» Augen an, und dlc dunkeln Fcldnclken schienen ihr Tropfen ihres Herzblutes zu scyn; denn sie fühlte das arme einsame Hcrzvcrbluten. «ie trat ermattet auf das Felsstück und blickte ohne Aufhöre» hinab in die wogende Liefe, ein Schleusten- dand war gesprungen.; unaufhaltsam rauschte der Waldstrom fort, Gesteine und Weile» kämpften mit einander und wie zürnende Stimmen klang es aus der Liefe herauf, dazu hob sich heulend der Sturm,: er zerknickte wie Spreu die gewaltigen Tannen, welche den hohen Felsen ringsum entsprossen. Blitze zischten wie Schlangen durch das Thal und der Donner rollte tausendfach wiederholt von den Felswänden über Kälbchens Haupt. Dazu klang es ihr immerfort aus Wogen und.Donnerschlägen: Suche nur eine gute Läufe für dich! und die brausende Fluch lockte dumpf: Komm mit! du wolltest ja gestern hier schwimmen, wie deine Blume auf meinen Wogen. — Komm mit! du bist eine abgerissene Rose, vom Sturme geschleudert, ein Hohn der Welt und vom Liebsten in den Staub getreten! O komm, 0 komm ! dich wäscht die klare Fluch vom Mackel rein! Käthchen schaute gedankenlos hinab, sie war rodesmüde und auf weiter Erde kein Herz, daran sie ruhen mochte, und
immer reißender und brausender stürzte sich der . Strom über das Fclsgestein, -und die zischende Fluih wogte auf und benetzte des Mädchens Füße. Die Sinne vcrgicngen ihr, ein Schwindel ergriff sie, Blumen, die sic vorhin auf dem Berge gepflückt, warf sie in das Wasser und stürzte sich nach, als wollte sic dieselben wieder .Haschen; kaum hatte der Strom seine Beute, so schleuderte sic die Gewalt des Strudels dergestalt an ein Feldstück, daß sie mit zerschmetterter Stirne dort liegen blieb, und. in namenlosem Jammer ihr junges schönes Leben verhauchte. Immer wüthendcr hob sich der Sturm, immer strömender, goß sich der Regen herab', niemand kam bei dem Unwetter des Weges; so blieb Käthchen einsam liegen, und Keiner wußte, wo sie hingckommen. Endlich legte sich das Toben, schwarze Dunkelheit umhüllte die Pfade, a» Käthchen vorbei eilten die jammernden Eltern, zweifelhaft hoffend, sie vielleicht in der Stadt zu finden; doch sie sahen sie nicht, auch waren sie weit entfernt, sie dort zu vermache».
In tiefem Dunkel lag die Dstrau-Äühle, die Räder stände«,still, schwere Wolken lagen dicht gesenkt über das Mühlendach, als Rudolph von -Konrad begleitet, zurückkchrend von Lichtenhain, dort vorüdcrgieng.
Wchmüthig und sehnend blickte er dahin, wo er vcrmeyntc, daß sic aihme und lebe, an der sein Leben hicng. Nur langsam kam er weiter bis an die Stelle, die vorige Nacht so lieblich glänzte bei dem Walten der Liebe und des schönen Frühlings. Hier wollte er verweilen, er wußte noch von seinem Unglück nichts, er hoffte noch und hatte schon wieder ganz sei» Herz der Wonne süßer Gefühle geöffnet. Eben drang der 'Mond aus den Wolken hervor und beglänzte hell den beruhigten Strom. Unwillkührlich hin- schaucnd stieß Konrad, so wie Rudolph, einen Schrei des Entsetzens aus. Den» mit Blut bedeckt lag Käthchen in ihrer weißen Kleidung auf dem Ufcb, holt vom Monde beglänzt.- Rudolph stürzte herab, holt- sie hervor,und wollte uhr mit Küssen und Tkränen neues Leben cin- hauchcn. Aber starr blieb sie in seinen Armen liegen, das treue Herz schlug nicht mehr an dem -feinen, das blau« Auge, obgleich geöffnet und noch im Tode schön, sah nicht seinen Jammer, und kaliem Marmor glich die längst noch lie- beswarme Wange. Rudolph kniete vor seines Mädchens cmseelten Hülle und überließ sich ganz seinem Schmerz. Konrad' konnte den entsetzt«»