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schrecken? Du weißt, wir haben öfters darüber- gestritten. Du fandest das sBild gerade so au- zredcnd, weil man die Züge nicht sah und hin­zu denken konnte, was man wollte; ich behaup­tete immer, es wäre nur ein Kunstgriff des Ma­lers, der es nicht gewagt, den Schmerz und die Verzwcifluug des Gefangenen darzustellen. Nun habe ich es vernicht, die Aufgabe zu lösen, ich habe dem Gefangenen das Gesicht des Räuber­hauptmanns gegeben.

Hu! rief Luitgarde, und schauderte.

Es ist so ähnlich wie möglich, kann ich dich versichern, und dein Entsetzen bcweißt für den beabsichtigten Effekt. Aber komm doch unchsich es noch einmal an!

Um keinen Preis der Welk! rief sie mit Ent- schloffcnheit; das Zimmer betrete ich nie wieder.

Sen nicht so kindisch! Es war ein kühner Einfall von mir, ich gestehe ; aber ich müßte bedauern, daß cs so vollkommen gelungen ist, wenn ich dir dadurch das Bild verleidet hätte. Ich finde

Kinde du, was du willst! rief sie. Aber sey versichert, du hast mir unendlich weh gcihan.

Verzeih, mein Kind, das wollte ich nicht, u»d wenn ich auch fasse, daß der erste Anblick dich erschrecken konnte, so begreife ich doch nicht

O mein Gott, mein Gott, rief Luitgarde, Und ihre Lhränen brachen hervor.

Friedrich stand erstaunt. Er suchte sie zu beruhigen, aber so weh es ihm that, die dolde Braut in solcher heftigen Erschütterung zu se­hen, schmeichelte es im Grunde Loch seiner Ei­telkeit, weil er die ganze Sache der auffallenden Wirkung seiner große» Kunst zuschrieb,

Luitgarde faßte sich endlich. Sie gieng auf ihr Zimmer, aber nicht wieder durch den Saal, wo die umgcwendetc Gestalt mit der unglückli­che» Achnlichkeit und dem Ausdruck der fürch­terlichsten Verzweiflung ihr wie ein schreckendes Gespenst vorkam.

Der alte Graf hörte den Vorfall, er mißbil­ligte sehr seines Sohnes eitle» Einfall und ließ das Bild an einen andern Ort bringen, um sei­ne Nichte nicht täglich mchrmal zu einem lan­gen Umweg über kalte Gänge und Treppen zu zwingen, aber auch als das Gemählde entfernt, und ihr Weg wieder frei war, gieng sie nie durch den Saal, ohne daß das Bild des Unglücklichen, die Verwilderung, in die ein von Natur edles Wesen gesunken war, sich schmerzlich vor ihr er­hob, und der Ausblick in eine schreckliche Zukunft wo er eben so von Ketten belastet, der Freiheit, des Tageslichts beraubt, die Dauer eines jam­mervollen Daseyns in düstrer Verzweiflung an den eingegrabenen Strichen abzählen würde, ihr Innerstes zerriß. Und hinter dieser Lüstern Ker- kerscene was zeigte sich ihren Blicken da 's

Der Tod burch'Hcnkershand und die ewige Vor« dammniß einer Seele, die Gott zum Heil ge­schaffen, für die des Erlösers Blut geflossen und die vielleicht jetzt noch eines bessern Gefühls fä­hig war!

Ein Gedanke ergriff sie am mächtigsten und beschäftigte sie unaufhörlich cs war ein lichter Punkt, auf den sich ihre Seele in dem wüsten Gewirre, das sie umfleug, mit Eifer und stets wachsender Liebe richtete; seine Seele zu ret­ten, wenn es möglich wäre, und diesen Jüng­ling, dem sie die innigste Theilnabme nicht ver­sagen konnte, der sich gegen sic edel und liebe­voll bewiesen hatte, vielleicht von seinen schreck­lichen Wegen zurückzubringen! Icmehr sie die­sem Entwürfe nachsann, je glänzender strahlte er ihr entgegen; sic glaubte, daß das eine recht

keitcn, wie das überhaupt, wie cs am liebsten durch sie geschehen möchte.

Unterdessen fieng der Winter allgemach an, sich seinem Ende zu nähern. Laue Lüfte fuhren über die Erde hin und schmolzen aller Orten den Schnee von den Bergen, das Eis der Strö­me zerbrach, das stumme Erstarr cur des Winters wich .vor dem Geräusch der fallenden Tropfen und der entfesselte» Wellen, F.üblings- und Sehnsuchts-Gefühle regten sich i» der vckcbccn und unbelebten Natur'.

Friedrich dachte mit erhöhtem Vergnügen an sein nahendes Hochzcitfcst/ Luitga.de fühlte die Brust von schmerzlich süßen Adnungcn gedrhni, deren Gegenstand aber jenes Fest nicht war; ja vielmehr schlug jede Mahnung daran, Heren eS jetzt täglich immer mchrigab, wie mit eisiger Hand in den warmen Blumenflor ihrer dunkeln, düster» Hoffnungen. Doch es war der Wunsch ihres verehrten Oheims, der deutlich ausgesvro- chene Wille der ganzen Familie, und Friedrich war so rechtlich, so aufmerksam gegen sie, haß sie ihr rebellisches Gefühl mit strenger Vernunft zur Ruhe sprach und sich alle Mühe gab, dir Freude des ganzen Hauses über das nahende fro­he Ercigniß zu kheilcn.

Indessen schob sich durch einen Zufall ein kleiner Aufenthalt dazwischen. Ein unvorherge­sehenes, wichtiges Geschäft, das des alten Grafen Anwesenheit >» Prag für längere Zeit forderte, zwang ihn, das Hochzeitscst seines Sohnes auf unbestimmte Frist zu verschieben. Diese, sollte indcß im Schlosse bleiben und alle Anstalten und Vorkehrungen betreiben, Luitgarde aber, die nicht schicklich bei ihm verweilen konnte, den Vater begleiten.

Die Reise ward mit den nöthigen Vorsichts­maßregeln, wozu Friedrich eifrig ermahnte, an-