3

der Eiel hatte ihm einen derben Schlag auf die Knöchel gegeben) und sie mit der rechten Hand fest um den Leib hielt, wäh­rend sic die linke auf seiner Schulter ru­hen ließ. So langte man unter trösten- ten Worten, vielseitigen Bedauern und fortwährendem Kichern der Frankfurter Schelminn in Wiesbaden an. Die Mäd­chen verfügten sich in ihren schwarzen Bä­ren, wohin sie der Fremde geleitete, und sich, nachdem er von der Verunglückten die Erlaubniß erhalten hatte, sich den fol­genden Morgen persönlich nach ihrem Be­finden erkundigen zu dürfen, zärtlich eine geruhsame Nacht wünschend, ehrfurchts­voll empfahl.

Auf ihrem Zimmer angekommen, ent­kleideten die Mädchen ihre Unglücksgefahr- tinn, besahen ihre Wunden, und fanden weiter nichts als einige unbedeutende Ver­letzungen und einige blaugelbe Flecken; andere Spuren hatten die Füße des Esels nicht zurückgelaffen. Die Blesuren wur­den verbunden, die Flecken mit Essig ge­waschen und gerieben, Tina in ihr Nacht­gewand gehüllt, und sie befand sich so wenig unwohl daß sie die ganze roman­tische Begebenheit in der blumenreichsten Sprache in ihr Tagebuche eintrug ein Lied an den Mond dichtete, es nach der Me­lodie: ,,Es reiten drei Reiter zum Thor hinaus," sang, sich mit ihren beiden Freundinnen noch bis beinahe Mitternacht von dem artigen und gefälligen Erretter unterhielt, und in tausend Vermuthungen über seinen Stand rc. verfiel. Endlich schlug die schauerliche Geisterstunde; un­sere Unzertrennlichen trennten sich mit dem Versprechen, sich mit Tagesanbruch wie­der bei der Patientin» einzufindcn, und suchten ihre Schlafstätte auf, um in den Federn und Pferdehaaren ihre auf den Eseln müde gewordenen Glieder auszuru­hen, und sie zu den Strapatzen des an­dern TageS zu stärken.

Es brummte eben eilf, als der fremde

7 ^

Retter in Tina'S Stube trat, und die drei Reiterinnen von gestern, in zierli­chem eleganten Morgenanzug nebeneinan­der auf dem Sopha sitzend, in traulichem Gespräche begriffen antraf. Tina'ö gan­zes Wesen verrieth einen schmachtend lei­denden Zustand, und ihre Toilette etwas phantastisch Schwärmerisches. Sie er- wiederte des Fremden Begrüßungen und theilnehmende Nachfragen wegen ihres Ge­sundheitszustandes mit halb - und klein- laurcm Geflüster. Nach und nach wurde das Gespräch animirter; Tmchen vergaß ihre Schmerzen, Linchen lachte und Sin- chen bejahte oder verneinte. < Man theilte sich gegenseitig etwas von seinen Verhältnissen und seinem Stand mit, und erfuhr nun daß der rettende Ritter ein wohlhabender Gutsbesitzer aus Franken seh. Eine im Zimmer liegende Gui­tarre verrieth die musikalischen Talente der Bewohnerinn desselben, welche nach anhaltendem und inständigem Bitten und Zureden sich bewegen ließ:Lausch', o Geliebter! dem Tone der Saiten," zu singen, was Herr R... (so nannte sich der Fremde) mit einem bewundernden Bravo und mit den Exclamationen : herrlich, himmlisch göttlich" reichlich belohnte. Auf den Abend wurden Pro­menaden auf den Geißberg, für den an­dern Tag eine Spazierfahrt nach Bibe- rich verabredet, und in wenig Tagen be­merkten Tina's unzertrennliche Freudin- nen eine sonderbare Veränderung an ihr; sie schien es nämlich ungern zu sehen, wenn diese sie mit ihrem Besuche zu den Stunden beehrten , wo ihr Hr. R . . . seine Aufwartung zu machen Pflegte; ja, eine Aufwärtertnn wollte sogar gesehen haben, daß Tina in dessen Begleitung schon mehrere Mal, noch vor Aufgang der Sonne, sentimentalische Morge»Pro­menaden gemacht hatte, was sich die bei- den Mädchen bei ihrer Freundin» Man- nerscheue, gar nicht enträthseln konnten.