222
zustellen, eine bedenkliche Sache sch. Die Bitte allein bei ihm anzubringcn, der sie gar nicht kannte, und an den sie keinen Empfehlungsbrief hatte, schien aber ein kecker und zudringlicher, zu hoffnungsloser Schritt zu schn. Die Lage, in der sie sich befand, war inzwischen so dringend, daß sie den überall, nur nicht hier bedenklichen Schritt thun mußte.
Begleitet von ihrer Tochter, erschien sie unter der großen Zahl derjenigen, die bei dem menschenfreundlichen Kardinal Hülfe suchten, im Palaste desselben. Ihr sittsames, bescheidenes Derweilen, die holde Schüchternheit der herrlichen Tochter, ließen sie vor Andern, die sich herbei zu drangen suchten, bemerkt werden. Sie wurden von dem auf- und abgehcnden Kardinal bald gesehen, und mit zuvorkommender Güte in ein Nebenzimmer geführt, wo er nach ihrem Begehren fragte.
Thronen im Auge und mit gebrochener Stimme schilderte die Mutter ihre trostlose Lage. „Ich bin hundert Thaler auf mein Häuschen schuldig, und habe sie zu bezahlen kein Mittel. Mein Gläubiger will nur Nachsicht haben, wenn ich ihm die Unschuld dieser meiner Tochter opfere, die mein einziger Reichthum ist. Ich flehe Ew. Eminenz um Schutz gegen den vornehmen Mann, um durch einen Vorschuß jener Schuld die Plane seiner Bosheit zu vereiteln. Mit stetem Danke werden wir ihnen die Schuld abzutragen bemüht sepn."
Der Kardinal durchsah die nöthigen Papiere, die sie ihm mitgebracht hatte, die Wahrheit ihrer Angaben, den Besitz ihres Hauses, und die darauf haftende Schuld betreffend, mit flüchtigem Auge, und schrieb dann sogleich einige Zeilen. „Tragt dieß Papier, sagte er freundlich mild, zu meinem Haushofmeister, er wird euch sogleich die nöthigen hundert Thaler geben.
Die Wittwe, entzückt, stammelte ih
ren Dank, und ihre Tochter bedeckte seine wohlthatige Hand mit Küssen, mit heißen Thronen der Rührung. Der Kardinal entzog sich mit einiger Mühe. Die Geretteten eilten zu dem Haushofmeister, dem sie das Billet gaben. Er zahlte, als er es kaum gelesen hatte, zweihundert Thaler hin. Die Armen waren erstaunt; sie glaubten, es sei) ein Mißgriff, und sagten daher, daß sie nur um hundert Thaler gebeten hatten. Sie fürchteten, man wollte ihre Ehrlichkeit auf die Probe setzen. Der Haushofmeister war ein trockener Mann, der sich an dem Befehl seines Herrn nicht zu klügeln und zu deuten erlaubte, sondern ihn streng befolgt wissen wollte. Entweder sollten sie die zweihundert Thaler nehmen, oder mit dem Billet zu dem Kardinal zurückkehren, und ihn auf sein Versehen aufmerksam machen. Sie erschienen noch einmal in sei- nem Vorzimmer. Kaum hatte er gehört, was sie herbrachte, als er das Billet aufs neue nahm. „Es ist wahr, sagte er, ich habe mich geirrt; ich wollte fünfhundert schreiben." Und damit gab er es umgeändert zurück. „So viel Tugend und Reinheit des Herzens verdienen nicht mit Kummer und Noth zu kämpfen. Wenn ihr etwas von diesem Gelds ersparen könnet, so hebt es zum Brautschatz eurer schönen Tochter auf."
Und damit entließ er die vor Verwirrung sprachlos Dastehenden. Man kann denken, wie heilig das Andenken des Mannes gehalten wurde, der so edel und uneigennützig handelte. — Der Kardinal Farnese lebte übrigens zu Ende des sechzchemen Jahrhunderts.
Druckfehler.
In der Charade Nro. 52 in der dritten Linie von unten, lieS: statt veral- len, veralten.