chem an ein weiteres Entkommen schlechterdings nicht mehr zu denken war. ,,Hab ich dich er­wischt!" ries Anten, indem er wie ein Pfeil da­her schoß;warte! jetzt sollst du für deine Necke­rei den gebührenden Lohn empfangen!"Bit­te! bitte! lieber Anton, nur dies einigemal noch laß mich zufrieden; in meinem ganzen Le­ben will ich dich nicht wieder bei der Arbeit stö­ren!" crwicderte die Geängstigte, die wahrschein­lich etwas viel Schlimmrcs, als er ihr angc- brokt hatte von seiner Rache befürchtete. Die Verlegenheit, in welcher sie sich befand, ließ ihr aber so gut, und ihre Mienen und Bewegungen waren von so anziehendem Reize begleitet, daß Anton, unfähig der lockenden Versuchung zu wi- dcrsteken, und von einem, ihm bisher unbekann­ten Gefühl überwältigt, mit stürmischem Eifer seine Arme um ihren Nacken schlang, und Bravo! bravissimo! Herr Premier-Lieute­nant!" rief eine raube Baßstimme in dem Augen­blick, da Aiuon den Beweis, daß er ein Mann von Wort sey, eben so augenscheinlich als un­widerruflich an den Tag legte. Beide fuhren, trotz des ermunternden Beifalles, der in diesem Zurufe sich verlautbarte, erschrocken auseinander, als sie ihn vernahmen; und während Karoline, die mit der Schnelligkeit eines Rehes von dan­nen floh, sich überzeugte, daß die Flucht ans dem Dorngestripp mit viel geringeren Schwie­rigkeiten verknüpft sey, als sic sich Anfangs vor- gestellt hatte, nahm Anton, der gleichfalls durch kein wcitres Geschäft sich all Ort sind Stelle ge­bunden glaubte, eine entgegengesetzte Richtung, und langte nicht ohne Verwunderung, daß man binnen wenigen Minute» so wichtige Dinge aus- zuführcn vermögend sey, wohlbehalten bei seiner Orangepflauzung wieder an.

Die Baßstimme, die auf so störende Weise sich vernehmen ließ, gehörte dem Feldwebel Dros- sig zu, einem allen Invaliden, der in der Nähr des Lchloßgartcns ein kleines Häuschen besaß, worin er mit musterhafter Sparsamkeit von sei­ner Pension lebte. Wegen des heitern und zu­friednen Sinnes, mit welchem er auf seinem Stelzbeine getrosten Mukhes durch das Leben dahin wandelte, war er überall geschätzt und be­liebt; ob man gleich ans seinen abentheuerlich seltsamen Grillen und Einfällen auch hin und wieder den Verdacht schöpfte, daß es zu man­chen Zeiten unter seiner Mütze nicht so ganz richtig und geheuer sey. Viel waren geneigt, Pies der geheimen Gewalt zuzuschrcibe», mit wel­cher der jedesmalige Vollmond auf eine alte, schlechtzugeheftete Kopfwunde einwirke, die von der kahlen. Glake des Helden bis zu dem Na- senknorpcl hinab sich erstreckte; und in der Thal arbeitete auch sein ganzes Benehmen darauf hin, die Leute in ihrer, von ihm gefaßten Meinung nur mehr und mehr zu bestärken. Niemals

pflegte er nämlich, sobald die Mondscheibe sich gefüllt hatte, ein Beit zu best igen, sondern in wachsamer Acmsigkeit ging er dann immer, mit einer alten Flinte bewaffnet, vor seiner Hütte auf nieder, rief durch die Stille der Nacht von Zeit zu Zeit ein donnerndes: Werda! wenn auch nicht die mindeste Veranlassung dazu vorhanden zu seyu schien, und zog erst mit dem andrechen- den Morgen, das Gewehr von den Schultern nehmend, und gutmüthig über schweren Dienst murrend, sich in das Innere seiner Wohnung zurück.

Mit unermüdlichem Fleiß und Eifer hatte er hier im Verlauf der Jahre sich damit beschäf­tigt, Gräben zu ziehen, Schanzen aufzuwerfen, und auf diese Weise sein kleines Grundgebret zu befestigen und in Verthcidizungsstand zu fetzen. Von^schiimcndcn Wällen umringt, ragte mir das Strohdach feiner Hütte hinter denselben her­vor ? auch bestand der einzige Zugang nach den Iunenwerken aus einer Zugbrücke, welche, mit genauer Beobachtung des Sluudenschlages, je­den Abend aufgezogen, und am folgenden Mor­gen wieder hcrabgelaffen ward. Alles war das Werk der eigenen Hände, und mir schien daS Gefühl, der Zufriedenheit mit sich selbst dem Al­ten einen köstlichen! Genuß zu gewähren, als wenn man ihn i» dienstfreien Augenblicken mit der glimmende» Tabakspfeife im Munde auf einer seiner Bastionen verweilen und behaglich in die flache Umgegend hinausblicken sah.

So wie er aber, in Bezug auf sein eignes Thun Und Wirken niemals von der einmal festgesetz­ten Regel abwich, eben so streng und gewissen­haft hielt er auch aufIucht udOrdnung, wenn des Sonntags nach der Predigt die Knaben des Orts aus einem in der Nähe der Festung befind­lichen Anger mit ihren hölzernen Flinten und Säbeln sich einfanden, um den Waffcnübungcn bcizuwvhncn, die er regelmäßig mit ihnen hier anzustellcn pflegte. Ernst und bedächtig kam er zur bestimmten Stunde von seiner Burg daher geschritten; scharf musternden Blickes ging er, bevor die ausgestellte» Reihe» sich in kriegeri­sche Bewegung setzten, eiuige Minuten lang an ihnen auf und nieder und mit eben so feierli­chem Gesicht als kräftig ergreifendem Ton er- theilte er darauf die Befehle und Verhalmngs- rcgel», die er in Betreff des nunmehr in Aus­führung zu bringenden Entwurfs für nblhig er­achtete , und zu deren Beobachtung jeder Ein­zelne sich auf das Unerläßlichste verpflichtet sah. Auch ging aus diesen Sonntagsbelustigungen so manches Gute hervor das selbst noch für die künf- tigenLebensverhältniffe der Teilnehmer ersprieß­lich zu werden versprach. Denn in gleichem Ma­ße, wie die körperliche Kraft entwickelt und zur rüstigen Gewandtheit ausgedilLet ward, erzeugte und »ährte der Wetteifer, mit welchem einer den