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tcr Vergießung vieler Thranen den Kopf ab; nachdem er den Stein wieder einge- sezi hatte, gieng er mit seines Bruders Kopf nach Hause.

Am anbrechenden Tag gieng der Kö­nig hin, um zu sehen, ob er in der Schlin­ge jemand finden würde. Wie sehr er- schrack er aber, als er den Rumpf eines Menschen ohne Kopf fand; wobei er nicht einmal den Ort entdecken konnte, wo der Dieb hingekvmmen. Er ließ den Kör­per außen an die Mauer hangen, und stellte eine Wache dabei, mit dem Befehle diejenigen sogleich zu arretiren, die bei dem Anblick des Körpers weinen, oder einiges Mitleid bezeigen würden. Auf diese Nachricht konnte die Mutter ihren Schmerz nicht verbergen, und sie ver­langte von ihrem Sohne, daß er ihr, es koste was es wolle, den Körper seines Bru­ders bringen solle; widrigenfalls wolle ste selbst zum König gehen, und alles ent­decken.

Der junge Mensch suchte zwar seine Mutter zu besänftigen; als er aber nichts ausrichten konnte, belud er einige Esel mit Schläuchen voll Wein, und nachdem er sic an den Ort Hingetrieben hatte, wo der Körper seines Bruders hing, machte er unvermerkt drei bis vier Schläuche los. Als der Wein auslief, sieng er an zu schreien und sich die Haare auszuraufen, als wenn er nicht wisse, zu welchem Esel er laufen solle. Die Soldaten von der Wache, welche so vielen Wein fließen sa­hen, liefen mit Gefäßen herzu, um ihn auszufangen. Er stellte sich darüber un­gehalten, lenkte seine Esel vom Wege ab, als wenn erste wieder beladen wolle, und gab den Soldaten einen Schlauch voll Wein, unter der verstellten Bitte die an­dern unberührt zu lassen. Die Soldaten lagerten sich sogleich um ihren Schlauch, siengen an zu saufen, nöthigten den der sie zu betrügen suchte, auch dazu, welcher auch so lange mit ihnen sof, bis sie ohne

Sinne hinficlen und einschliefen. Hier­auf band er bei einbrechender Nacht den Körper seines Bruders los, warf ihn auf einen seiner Esel, und brachte ihn also zu seiner Mutter.

Als der König erfuhr, daß man den Körper entwendet hatte, entschloß er sich zu etwas, das fast unglaublich scheinen wird. Er gab seiner Tochter den Befehl, alle diejenigen mit ihrer Gegengunst zu beschenken, welche ihr erzählen würden, was sie in ihrem Leben am feinsten und ärgsten begangen hätten, und denjenigen alsdann fcstzuhalten, der ihr auf diese Weise etwas von dem Diebstahle entde­cken würde.

Die Prinzessin gehorchte den Befehlen ihres Vaters; Der Dieb welcher wohl merkte, warum dieses alles geschehe, nahm sich vor, den König noch ferner zu hin­tergehen, und stellte sich bei der schönen Tochter desselben ein. Er schnitt aber ei­nem Menschen, der eben gestorben war, die Hand ab, und versteckte sie unter sei­nem Mantel. Als die Prinzessin ihn ausfragte/sagte er: die ärgste That, so ich in meinem Leben ausgeübt, ist die, daß ich in des Königs Schatzkammer mei­nem eigenen Bruder den Kopf abgchaucn, und die feinste, daß ich den Körper dessel­ben losgeknüpft, nachdem ich die Soldaten besoffen gemacht habe. Als die Prinzes­sin dieses hörte, wollte sie ihn fest halten, weil es aber schon finster war, reichte er ihr die abgehauene Hand und entwich.

Der König, der von seiner Tochter die­sen neuen listigen Streich erfuhr, erstaunte noch mehr, und wurde immer begieriger, einen Menschen kennen zu lernen, der Witz und Dreistigkeit genug habe, dergleichen Ränke auszuführcn. Er ließ in allen sei­nen Staaten kund machen, daß er dem­jenigen, welcher sich als den Dieb angeben und zu erkennen geben würde, nicht al- lein Vergebung, sondern auch seine Toch­ter zur Frau schenken wolle. Voll Zu-