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auf übertrug man mir die Stelle eines Anklägers bep diesem Höllengen'chte. Ich entsprach der Erwartung vollkommen, und brachte durch meine Anklagen die reichsten und angesehensten Familien in Armuth und durch die schrecklichsten Foltern in den Tod. Je mehr ich mich in boshaf­ten Anklagen übte, desto mehr verhärtete ich mein Gewissen, und vieles unschuldige Blut, zu dessen Vergießung ich bepgetra- gen, schien meine Missethaten zu vertil­gen. Das Zutrauen, das der Gros-In­quisitor zu mir faßte, wuchs mit jedem Tag. Zwei) Jahre nach meinem Eintritt in das Amt eines geheimen Anklägers wurde beschlossen, ich sollte mit einer gro­ßen Menge Goldes, das den auf der Fol­ter Gemordeten abgenommcn worden, nach Europa reisen und dieselbe als einen Beweis unsers Eifers für Gottes Sache (d. i. für die Gewalt der Kirche) dem General-Inquisitor in Portugal! überbrin­gen. Mit Vergnügen übernahm ich die­sen Auftrag. Wir segelten ab. Fürch­terliche Stürme brachten uns in die grö- sten Lebensgefahren. Ein englisches Schiff nahm uns auf; aber statt nach Europa mußten wir mit demselben nach Amerika. In dem Hafen von Boston landeten wir. Man gab uns all unser Eigenthum zurück.

Ich kam in den Besitz der Goldsumme. Niemand wußte, daß ich ein katholischer Geistlicher ftp. Ich hatte die Dominika- ncrkutte in Goa zurückgelassen, mich auf Befehl des Groß-Inquisitors als Kauf­mann gekeidet und meine Tonsur unter einer Perücke verborgen. Das viele Gold gefiel mir. Ich gieng nicht nach Portu­gal!, sondern blieb in Amerika und nahm wieder den Namen Skure an, nach­dem ich denselben öfters gewechselt hatte. Anfänglich hatte ich im Sinne, in Boston zu bleiben. Allein ein Engländer, der mich vormals in Ostindien kannte und mein Verbrechen wußte, begegnete mir einmal auf der Straße, und ich in Schre­cken gesezt durch seinen unerwarteten An­

blick, begab mich eilends von Boston hin­weg, und schlug bald da bald dort meine Wohnung auf, bis ich endlich zu euch kam.

Das Geld, das ich in der Inquisition entzogen, betrachtete ich als ein von mir selbst erworbenes Eigcnthum. In den er- sten 10 Jahren meines Aufenthaltes unter euch, schwelgte ich im Stillen und ver­übte manche Greuel an jungen Mädchen, die ich dem Vorgeben nach, erzog, und dann nach vollbrachter That, von Zeit zu Zeit wieder auf die Schiffe verkaufte.

Spater, ja! nur zu spat, kam ich zum Besinnen. Die vielen Ermahnungen mei­nes seligen Vaters wachten wieder in mir auf, ich bereute mein lasterhaftes Leben und fieng an, Buße zu thun. Dicß wich­tige Geschäft, das ich mit Eifer trieb, wurde aber gar oft durch Gewissens-Mar­ter gestört. Nie bin ich zu einer vollen Ruhe gekommen. Es machte zwar einmal eine Predigt, die über die Worte.-Heute wirst du mit mir im Paradiese sepn!" hörte, einen erquickenden Eindruck auf mich, das war aber nicht von Dauer. Ich- tete mich in meinen lezten 10 Jahren vor Rückfällen in meine Lieblingssünde, ich kämpfte und bin im lezten Augenblick meiner Lebens ein armer Sünder. Ach Gott! Wie wird mirö gehen?! Betes für mich!

Allgemeines Erstaunen und Entsetzen ergriff die Gemeinde, als Gilton das Be- kenntniß des sonst so hochgeachteten Skure vorlas. Es wäre das öffentliche Vorle- sen dieser schrecklichen Beichte nicht gesche­hen, wenn nicht der Verstorbene bestimmt hatte:Sein hinterlassenes Vermögen solle zu einem Besserungshaufe für die durch Wollust gefallene Jugend alsdann verwen- bet werde», wenn seine Geschichte als war­nendes Beispiel Von der fürchterlichen Macht der Wollust öffentlich vorgelcsen würde."

Auflösung der Charade in Nro. so»

Wildberg.