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ein versiegeltes Papier mit der Aufschrift Meine Trauer! Man öffnete daS Versiegelte und nun las man:

A li' Tage nach meiner Beerdigung soll Herr Prediger Gilto n einen Trauer- Gottesdienst für mich halten. Folgen­des von mir öffentlich ablcscn und dann die anwesende Freunde um Fürbitte für meine arme Seele ersuchen.

Ich William Sk »re, der Sohn eines armen Dorfpfarrers zu Hampton kn der Grafschaft Warwick, hatte zwar frühe viele körperliche Leiden, erfmrkte aber doch so, daß ich in meinem achtzehn­ten Jahre einem vollendeten Manne glich. Mit meiner Erstarkung wurde auch die Liebe zum andern Geschlecht sehr mächtig in mir. Ich fand bald Zutritt in dem Hause des Fabrikherrn Wakefild und erwarb mir die Zuneigung seiner schönen Tochter Mathilde. Da ich arm war und Herr Wakefild sehr reich, so durfte ich nicht erwarten, daß einmal in eine Ver­bindung mit dieser vorzüglichen Tochter gewilligt werden würde. Ihre Zuneigung zu mir war außerordentlich und sie war bald entschlossen, mit mir das väterliche Haus zu verlassen. Wir führten dieß aus und beraubten bep unserem Austritte die Kasse des reichen Mannes. Da er eben in Geschäftsreisen abwesend war, so gieng unsere Entweichung leicht vor sich. Wir wählten Schottland zu unserm künftigen Aufenthalt. Bald war das Geraubte dahin und ich entschloß mich auf ein Theater zu gehen. Ich gefiel,: aber meine Mathilde gefiel sich nicht in dieser Lage. Sie überhäufte mich täglich mit Vorwürfen. Ich wurde unwillig und verließ sie. Sie gebahr, wie ich nachher erfuhr, bald darauf einen Knaben, den sie srmordete, weil sie ihn nicht ernähren konnte.

Meine L ebe zu ihr erwachte wieder in ihrer ganzen Stärke. Ich kehrte nach

einigen Monaten zu ihr zurück, fand sie aber wahnsinnig. Das konnte ich nicht ertragen. Nirgends hatte ich Ruhe.

Ich suchte einen Werber auf und eN- gagirte mich an ein englisches Regiment, das nach Ostindien gieng. Man nahm mich gerne an und ich wurde bald Unter- oisizier. Nach einem Feldzüge, in dem der grüßte Theil meiner Kameraden fiel, wurde ich Olfizicr. Da gieng mirs gar wohl. Ich vergaß Mathilde und knüpfte mit der Gemahlin meines Obristen ein Liebesversiändniß an. Da derselbe un­sere Verbindung entdeckte, so schafften wir den liebenswürdigen Mann, dem ich mein Glück zu verdanken hatte, durch Gift aus dem Wege.

Mein Gewissen strafte mich bald mit den peinigendsten Anklagen. Ich legte meine Stelle nieder und begab mich nach Goa.

Hier kam ich zufälliger Weise mit ei­nem Geistlichen des dortigen JnquisikionS- gerichts in Bekanntschaft. Die Freund­lichkeit dieses Mannes öffnete mein Herz und ich gestund ihm mein Verbrechen und meine innere Qualen. Davon kön­nen Sie, sagte er zu mir am besten be­freit werden, wenn sie in den SchovS der alleinseligmachenden Kirche zurückkeh­ren. Ich nahm dieß Anerbieten an, und verfluchte am Tage meines Uebertritts meine protestantischen Verwandten, ach! auch meinen guten Vater, der mir Treue für di.e evangelische Lehre mit so vieler Warme am Tage meiner ersten Commu- nion ans Herz gelegt hatte. Mancherlei) Büßungen, Zerflcischung meines Körpers, Hunger und Durst wurde mir zur Aus­söhnung für mein Verbrechen auferlegt. Ich befolgte Alles mit der dcmüthigsten Unterwerfung. Man beobachtete mich genau. Ich lebte in dem Pallaste des Jnquisitionsgerichts, wurde öfters zum Groß-Jnquisttor geholt und erhielt bald die Priesterweihe. Einige Monate dar-