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sen, und hätten lieber statt ihrer kalmücki­schen oder ihrer afrikanischen Nase eine griechische oder römische.

Aber darin ist die Nase eigensinnig. Wie sie einmal ist, so bleibt sie; und der Himmel sch dem gnädig, der sich einfal­len ließe, ihr mit Gewalt eine andere Form geben zu wollen.

Ja! im i6ten Jahrhundert konnte ge­holfenwerden. Damalen war in Bologna ein Wundarzt, Namens Tagliacozzi, der eine eigene Nasen-Fabrik hatte, und je­dem aus den muskulösen Theilen eines Arms eine Nase fabrizirtc, groß oder klein, und von welcher Form sie verläufst wurde. Aber leider! ist mit diesem Erztauscnd- künstler seine Kunst begraben worden.

Noch gibt cs zwar auch in unfern Ta­gen Nasen-Fabriken.

Aber diese sind von einer ganz andern Gattung, und werden schriftliche Nasen genannt.

Sie werden von spitzigen öfters der­ben Federn gemacht, und der, welcher sie bekommt, macht dabei ein krummes Maul, und steckt sie gemeiniglich in die Tasche.

In Liebesbriefen und in Versen lobt man zwar nur die schönen Augen, die schönen, rosenrothen Wangen, die schönen Purpur-Lippen.

Von der Nase schweigt man aber, und das ist nicht recht.

Es geht ihr, wie Manchem, aus dem man sich nicht viel macht, so lange er da ist, und dessen Werth erst geschazt wird, wenn er nicht mehr da ist.

Wer die Nasen genau beobachtet, der wird finden, daß die meisten, wie der' schief gebaute Thurm zu Pisa, mehr oder we­niger seitwärts stehen.

Das Sprichwort sagt: der Mensch geht seiner Nase nach.

Ist aber die Nase schief und man rich­tet sich nach ihr, so bleibt man auch nicht auf dem geraden.Wege.

Daher kann es kommen, daß der Mensch öfters auf krummen Wegen wandelt.

Tritt ein Kindlcin in die Welt ein, so schreien Vetter und Baasen: die leibhafte Nase des Vaters!

Diese Urtheile sind aber nichts weniger als sicher, denn man hat viele Beispiele, daß eben so, wie Contreband eingeschwarzt wird, auch fremde Nasen auf den Heimat» lichen Boden sich einschleichcn.

Desto gewisser kann man aber von der Nase sagen, daß sie die erste und geschick­teste Schulmeisterin des Menschen ftp, denn sie lehrt Vorsichtigkeit. Sind die Kinder nicht vorsichtig, so fallen sie auf die Nase.

Sagt man: es ist ein kluges Kind, so versteht man darunter, es ist schon oft auf die Nase gefallen.

Von alten Leuten, die durch die Erfah­rung klüger werden, sagt man: sie haben sich die Nase verstoßen.

Don allen Gliedern des menschlichen Körpers hat keines so große Vorzüge, wie die Nase, denn sie hat ihre eigene Weisheit, welche vor der andern Weisheit sich dadurch auszeichnct, daß sic die Na­senweisheit genannt wird. Sie hat ihre verschiedenen Grade, wie die Weltweiö- heit.

Es giebt Candidaten der Nasenweisheit, Magister's und Doktor's.

Mit den Candidaten kann man noch so ziemlich zurecht kommen. Aber vor de­nen, die in der Nasenweisheit den Doktors­grad erworben haben, darf jeder das Kreutz machen, so oft er ihnen auf dem Wege begegnet.

Die Nasen haben nicht zu jeder Zeit gleichen Werth. Zum Exempel, die Nase eines artigen 17jährigen Mädchens wird weit höher geschäzt, als eine fünfjährige Nase. Bekanntlich ragen die Nasen wie Vorgebirge in die Welt hinaus. Verdrüß- licher kann daher nichts geschehen, als wenn bei gewissen Veranlassungen ein