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?4us 8iadt und Kreis Calw
Briefe ins §el-
Der Brief ins Feld ist mehr als eine Mit- teilung. Der Soldat weilt in Bezirken, m denen allein das Schicksal über Leben und Tod entscheidet. Und das alles spiegelt sich anbewußt in seinen Briefen. Sei es durch eme wortkarge Sprache oder der besonderen Form des Ausdrucks. . ,
Viele Frauen und Mutter lesen die Briefe aus dem Felde und fühlen, daß irgend etwas in den Herzen 'dort draußen „anders" geworden ist. Das Erleben ist noch zu elementar, um die richtige Einstellung zu den Dmgen m der Heimat zu finden, und es ist nicht immer leicht, den richtigen Ton in den Brief zu bringen. , , . „, .
Der Soldat draußen sorgt mH im stillen um seine Familie und ist für jede Mitteilung, die seinen Lebenskreis zu Hause betrifft, dankbar. Er freut sich aber nur dann, wenn diese Tlachricht nüchtern und sachlich an ihn kommt. Denn er ist Soldat und spricht eine einfache Sprache. Der Führer selbst hat an besonderer Stelle die psychologisch nicht zu unterschätzende Bedeutung des Brieses ins Feld hervorgehoben.
Vielen Frauen müßte der Augenblick gezeigt werden, in denen die Männer ihre Briefe lesen. Da hocken sie schweißbedeckt mit geöffneten Feldblusen auf einem Baumstumpf, in der nächsten halben Stunde einen Angriff erwartend. Tagelang sind sie hinter Motoren
gesessen oder steigen gerade aus der'Maschine, als man ihnen den Brief übergibt Sie sind mit ihren Gedanken noch in anderen Bezirken und fühlen oft eine tiefe Kluft zwischen dem wuchtigen Kampfgeschehen und dem faden Brief, der den tiefgreifenden Erlebnissen nicht zu folgen vermag. Der Brief löst eine leichte Enttäuschung aus, und dabei sollte er gerade das Gegenteil bringen. Es zeigt von großem Verständnis des Briesschreibers, wenn er sich auf die Umgebung des Empfängers einstellen kann. Darin liegt der erhöhte geistige Wert eines jeden Briefes. Die Frauen und Mütter haben das richtig in ihrem fraulichen Wesen empfunden und fühlen, daß das Denken ihrer Soldaten „anders" geworden ist. Aus ihrer Haltung heraus belasten sie nicht den kämpfenden Soldaten mit nichtssagenden Sorgen, sondern nehmen die Lasten des Kriegsalltags aus sieb.
Die Soldaten draußen werden ihnen dieses Verstehen danken, Venn sie fühlen aus den Briefen, daß die Heimat der Front näherzukommen versucht. Maßstäbe früherer Zeiten reichen für unsere Tage nicht mehr aus. „Wir wißen nichts wie wir einmal heimkehren werden. Vieles ist über uns hinweggegangen und es wird schwer für uns sein, heimzufinden. Ihr zu Hause müßt uns entgegengehen..."
Das schrieb einer aus dem Feld und sprach damit aus, was Tausende seiner Kameraden denken und fühlen.
Preissenkungen in Gaststätten
In einem gemeinsamen Erlaß an die Preisbildungsstellen haben der Reichskommissar für die Preisbildung und der Staatssekretär für Fremdenverkehr mit Rücksicht auf die kriegsbedingten Leistungsminderungen der Gaststätten und die veränderten Verhältnisse im Äeherbergungsgewerbe die Nachprüfung der Preise dieser Betriebe angeordnet.
In dem Erlaß sind Richtlinien gegeben, nach denen die Preise der Gaststätten nur bei Speisen, Kaffee und Wein sowie die Preise der Hotels und der Pensionen für Zimmer, Tages- und Halbpensionen und Frühstück, soweit sie den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr entsprechen, zu senken sind.
Das Ausmaß der Senkung bestimmen die Preisbildungsstellen, die sich dazu mit den örtlichen Vertretungen der Wirtschaftsgruppe Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in der Reichsgruppe Fremdenverkehr ins Benehmen setzen, an Hand der erwähnten Richtlinien je nach den örtlichen Verhältnissen.
Wildfrüchte nicht ablieferungspflichtig
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht einen Erlaß über das Sammeln von Pilzen und Wild- flüchten, in dem es heißt:
Es' sind Zweifel entstanden, ob meine Erlaffe vom 4. Mai und vom 27. Juni 1942 betr. unmittelbare Abgabe von Obst und Gemüse von Erzeugern an Verbraucher auch auf den Verkehr mit Wildfrüchten und Pilzen Anwendung finden. Diese Frage ist, wie sich aus dem Wortlaut der Erlasse ergibt, zu verneinen.
Es ist ferner Beschwerde geführt worden, daß Personen, die Wildfrüchte und Pilze für den eigenen Verbrauch gesammelt haben, gezwungen worden sind, diese gegen Erstattung des Marktpreises an Sammelstellen abzuliefern. Derartige Maßnahmen können sehr leicht zur Folge haben, daß sich Volksgenossen nicht mehr bereit finden, die in diesem Jahre reichlich wachsenden Wildfrüchte und Pilze Äberinipt noch zu sammeln. Sie würden daher für die menschliche Ernährung in erheblichem Umfange verloren gehen.
Ich bitte daher, von derartigen Maßnahmen abzusehen und etwa getroffene Anordnungen Wieder aufzuheben.
„Wiener Blut"
im Volkstheater Calw
In Wien, der Stadt der Lebensfreude, fließt das Blut leichter und schneller als anderwärts. Das macht, cs hat Musik in sich, Musik im Dreivierteltakt, und einen Spritzer Leichtsinn und Liebesseligkeit. Diese Feststellung ist keineswegs neu, aber wenn man sie so entzückend Urständ feiern läßt wie Willy Forst in seinem famosen Lustspielfilm „Wiener Blut" doch immer wieder anziehend genug, um sich eine gute Weile an den heiteren Beweismitteln zu er- aotzen. Johann Strauß gleichnamige Operette schenkten dem Regisseur den Vorwand und die zauberhafte Musik. Zum Hauptakteur ist der Wiener Walzer erhoben. Er beschwört die toll-; sten Konflikte herauf und löst sie mit gleicher Eleganz. Wir erleben die Wandlung eines Diplomaten, der von seinem Souverän zum Wie-
Nlein Zunge
Meln Zunge fiel ln »er Schlacht, lln seiner Zügen» Reinheit un» Pracht. ^ die Kugel hat ihm »ir Stirn zerschnitten, dann hat er noch zwei Tage gelitten,
Vis sie ihn haben In fremder <kröe begraben.
Sein Blut ist so kostbar, so gut un» so treu, das macht gewiß deutschlan» von Feinden frei!
Das muß üem Siege zugute kommen,
)1ber m i r hat'» meinen Zungen genommen!
warte, meine Zunge, ich komme bal»
Zu dir in öen heiligen Coöeswalö, wo Eichen zu euren Häuptern steh'n, wo winde um Fahnentücher weh'n,
Dort leg' ich mich zu Sir hin, weil ich, mein Kind, deine Mutter bin!
Dann erzählst du mir leise von »einer Schlacht > Und wie tapfer du deine Sache gemacht.
dtarlkia dlartlus
ner Kongreß gesandt ist, vonr überkorrekten Aktenmenschen zum lebensfrohen Kavalier und Gatten einer klugen Wienerin, die er erst verlieren muß, um sie richtig zu verstehen, lieben zu lernen und auf immer wiederzugewinnen. Der Film erschöpft alle Mittel, um das glanzvolle Wien der Kongreßzeit in seiner bieder- meierlichen Anmut und überschäumenden Lebensfreude im Bild wiederzugeben. Ausgezeichnete Darsteller wie Willi Fritsch, Hans Moser, Theo Lingen, Paul Henkels, Maria Holst, Doris Kreysler und- Hedwig Bleibtreu sind mit durchschlagendem Erfolg eingesetzt. Das Erstaunlichste ist indessen die von Willy Forst in künstlerischem Streben erzielte vollkommene Harmonie von Bild und Ton. Sie macht diesen schönen, heiter beschwingten Film zu einem Meisterwerk.
b°r. Hans Loüssls.
Strümpfe aus kohle und kalk
Besonderes Aufsehen dürfte auf der Internationalen Messe in Budapest, aus der oas Reich durch eine Gemeinschaftsausstellung von über hundert Textilfirmen vertreten ist, die Weltpremicre der vollsynthetischen Perlon-Fasern erregen, die, Höhepunkt der JG.-Schau, eine Umwälzung auf dem Textilgebiet bedeuten. Auch aus Kunstseide und Zellwolle sind in Budapest staunenswerte Spitzenleistungen zu sehen: der millionenfach begangene Teppich, kochfeste Wäschetrikotagcn, Autoreifencord und vieles andere.
Das Hauptinteresse dürfte sich aber auf die
neuen vollsynthetischen Fasern erstrecken, zu denen der Chemiker weder Holz nach andere Zelluloseprodukte, noch ausländische Erzeugnisse benötigt, sondern für die er als Ausgangsstoffe Kohle, Kalk und Wasser verwendet. Die erste dieser Fasern war PeCe, die es auch in Form von Fäden, Borsten oder Drähten gibt. Diese alle weisen gegen Säuren und Laugen wie gegen Fäulnisbakterien eine chemische Widerstandsfähigkeit auf, die bisher für Textilmaterial unvorstellbar war. Nur ist PeCe gegen hohe Temperatur empfindlich. Ist PeCe ihrer Natur nach eine Faser für technische Zwecke, so hat Perlon eine umfassende textile Bedeutung, insbesondere auch für die Bekleidung. Ihre wichtigste Eigenschaft ist die hohe Reißfestigkeit, die ungefähr 50 Prozent über der besten Naturseide liegt. Aber auch in bezug auf Scheuerfestigkeit in trockenem und nassem Zustand und auf Elastizität wird sie von keiner anderen Faser erreicht. So sieht man z. B. einen Perlon-Strumpf, der ?vmal getragen und gewaschen und noch immer unbeschädigt ist
Oer Rundfunk am Samstag
Nelchsvr-gramm: 1» bis 11 Ubr: unterbaltlame konzertante Musik: 14.15 bis 15 Ubr: tänzerische Weisen der Gegenwart: 20.15 bis 21 Ubr: zeitgenössische Unterhaltungsmusik unter dem Titel „Melodie und Nlmtbmus. — Deutschlandsendrr: 17.1V bis 18.80 Ubr: die Konzertttundc bringt Ludwig Kitsches „Wiener Abendmusik" für Klavier und Orchester, gespielt vom Komponisten, Werke von Mottl, 3tl- cher, Schubert und Mozart: 20.15 bis 22 Ubr: Ooern- uud Overettcnmusik
... und am Sonntag
Neichsvrogramm: S bis 10 Ubr: „Schabkästlein" , ländliche Dichtungen, musikalisch umrahmt: 12.40 bis 14 Uhr: das „Deutsche Volkskonzert", unter Mit- Wirkung von Alsons Süsel. Georg Hahn und anderen: 10 bis 18 Ubr: „Bei Verwundeten in Berlin": 18 bis 10 Ubr: Konzert mit Werken von Bach. Brahms und Schumann: 20.20 bis 22 Uhr: bunte musikalisch« Unterhaltung in Verbindung mit heiterem Wort. — Deutschlandsendcr: 18.10 bis IS Ubr: Fröhliche Unterhaltung, unter Leitung von Willi Bub: 20.20 bis 21 Uhr: Lieder und Balladen von Carl Löive, gesungen von Gertrud Pibinger, Elisabeth Schwarzkovf und anderen, unter Begleitung von Michael Raucheisen: 21 bis 22 Ubr: schöne klassische Melodien von Mozart bis Richard Straub.
HVickÜKe« in ItürLv
Das Markenbild zweier Sondermarken zu 6^4 und 12^88 Pfennig und einer Sonderpostkarte zu 6-st 4 Pfennig zeigt einen Nürnberger Brautbecher (16. Jahrhundert) und einen Sahnengießer, Löwe aus dem Lüneburger Silberschatz. Die linke Hälfte der Postkarte trägt eine Abbildung des deutschen Goldschmiedehauses der Stadt Hanau. Die Deutsche Reichspost gibt die Wertzeichen vom 8. August 1942 an bis Ende Oktober nur bei den Postämtern am Sitze der Reichspostdirektionen und in einigen größeren Orten ab.
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Im Rahmen einer Arbeitstagung der Reichsgruppe Fremdenverkehr und der angeschlossenen Wirtschafts-Fachgruppen fanden Verhandlungen über die Plane der Gemeinschaftsgaststätten statt, die in den kommenden Monaten verwirklicht werden sollen, um den Volksgenossen, die kriegswichtige Arbeit leisten und außerhalb der Familie verpflegt werden müssen, eine schmackhafte und markenbillige Ernährung zu sichern.
Oie Kinder /
Ein gutes Leben führte der Meister Ulrich, seit jedermann wieder in Arbeit stand. Die halbe Stadt ließ bei ihm besohlen und lobte ihn. Seine Frau war ein Prachtmensch, sein Nachbar, der Bäcker, ein alter Schulkamerad und treuer Freund. Die brave Tochter hatte vor ein paar Jahren aus der kleinen Heimatstadt weggeheiratet, der Sohn wurde nach vollendetem Arbeitsdienst Soldat. Es wurde trotzdem nicht einsam un Schuhmacherhaus. Der Meister hielt eine sonderliche Freundschaft mit den Kindern: die Kleinsten kamen an Mutters Hand zum Schuhebringen, die Größeren spielten im engen Gäßchen vor dem Schaufenster Ball, Kreis und Kreisel.
Dann kam der Krieg und nahm des Meisters Wilhelm ins Feld — in den polnischen Vormarsch. Vor Warschau fiel der Junge. Die Mutter verweinte ihren Jammer in hittere Tranen, der Nachbar ließ zehnmal am Tage den Backofen stehen und kam herüber zum Mlttragen und Trostsprechen. Der Meister aber fiel ins Bodenlose. Er haderte nicht mit Gott, der ihm so groß und gilt wie je schien. Er gab den Menschen die Schuld am Tode des Jungen. „Wenn es keinen Krieg gegeben hatte .... — wenn alle Menschen Söhne ins Feld schicken müßten . . so vergrübelte er sich täglich tiefer. Alles war ihm zuwider. Er unterließ seine weiten Sonntagswande- rnngen, auf denen er Glieder und Herz bisher sreigeatmet hatte, und verhackte sich m der Enge seiner Werkstatt. Der Kundschaft tat er sehr leid, und jeder brachte gute Worte mit herein. Die Kinder aber, des Leides unge- ^?ont gingen fast auf Zehenspitzen und mit feierlichem Gesicht am Haus vorüber.
Die Erwachsenen, vor allen der Freund und die tapfere Frau, versuchten, die Mauer von Kummer auszubrechen, die um den Traurigen stand. Sie bekamen immer die gleichen Antworten: „Der Junge sieht das nun nicht mehr.. . — er war mein bestes Kind . .. — der Junge hat noch gar nichts von seinem Leben gehabt. . ." Seine Arbeit verrichtete der alte Mann weiter treu und zuverlässig. Aber seltsam! Es schien, als wären die Schuhe verzaubert, die von so einem beschlagen sind, der mit Bolk und Vaterland zerfallen ist. Die sie trugen — und das waren viele — bekamen schwere Füße und Herzen, und es begann, daß auch sie sprachen: .Hätten wir doch ... — wäre es nicht besser . . . — wie lange soll denn der Krieg bloß noch dauern!" Der Nachbar Bäcker schüttelte finster den Kopf und stellte seine Besuche ein. hatte ^ ^ Trauernde groß beachtet
diese Zeit tauchte unter den Kindern Plötzlich und heimlich das Wort auf — nie- !??'^Werß, woher sie es hatten: „Geht nicht U^rE! Er macht die Kinder krank! Erst spreiten die Kinder am anderen
Ende der Gaffe, dann kamen die Pimpfe nicht mehr mit heimlichen Löchern und offenen Anliegen, schließlich gingen die schmuk- ken Mädel andersherum zur Schule und guckten nicht mehr ins Schaufenster.
Von Zeit zu Zeit litt es den Meister nicht mehr auf seinem Schusterschemel. Dann wanderte er nach dem kleinen Ehrenfriedhof, den es seit dem Weltkriege am Stadtende gab. Während der Einsame dort auf der Bank saß, dachte er an die toten Soldaten.
So auch heute. Er hat seinen Sonntagsanzug an und tritt eben aus dem Hause, als das Jungvolk vorbeimarschiert. Sie fingen trotzig, blicken steif geradeaus — manche gucken weg. Der Meister schaut ihnen müde nach und folgt langsam. Drüben kommen drei Mädel aus der Nachbarschaft, lachen den Jungen zu, kichern ihnen nach, erkennen den Schuhmacher. Sie werden rot und gucken verlegen weg. „Was ist mit den Kindern?" denkt der Mann und wundert sich, daß ihm noch etwas anderes weh tun kann. So kommt er zu dem stillen Winkel, der sich hinter die nächste Straßenecke schmiegt. Da spielen die Kleinen von vier bis sieben Jahren mit ihren Bällen. Gedankenverloren bleibt der Meister stehen und sieht ihnen zu. Da blicken sie auf. Er spricht sie an. Da laufen sie fort. Verwirrt steht er, wendet sich dann und geht wieder seine Straße zurück. Der Meister Bäcker, der früh auf ist und früh Feierabend macht, steht zwischen Laden und Haustür. Ihn fragt der Schuhmacher: „Was ist mit den Kindern?" Der andere zuckt die Achseln. „Können sie mich nicht mehr leiden?" — „Schon möglich."
In dieser Nacht hat Ulrich einen Traum: Er wandert mit dem gefallenen Sohne eine laiige, herbstgelbe Kastanienallee hinab. Der Junge schreitet rasch und freudig aus, und der Vater fragt: „Wilhelm, wo gehst du denn hin?" — „Ins Lebens — Darauf der Vater in großer Angst: „Junge, da hinten steht ja der Tod!" Da sieht ihn der Sohn ruhig an: „Das ist doch dasselbe." — .Junge, Junge!" schreit der Meister da, „sie haben dich belogen! Du verstehst das ja noch gar nicht." Und während der Sohn plötzlich von seiner Seite schwindet, hört der ZurückoleibenÜe nur noch die junge Stimme: „Du hast nicht verstanden, Vater. Weil ich starb, dürfen die Kinder leben."
In dieser Nacht hört die Frau, wie der alte Mann sich in seinem Bett aufrichtet und leise vor sich hinmurmelt. Er nennt und zahlt die Namen der Kinder seiner Straße und der Nachbargassen und der halben Stadt, die bei ihm besohlen läßt. Die Rechnung muß Wohl stimmen. Denn er seufzt tief auf, legt sich still wieder zurecht und schläft in einen neuen, besseren Taz hinein. -
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IO. korrsetLUll?
„Unsinn! Inzwischen würdest du verdurstet sein!"
„Haha! Aber das geschieht dir ganz recht! Jetzt trifft es auch dich! Wäre ja sonst für dich einfach gewesen, zu Ulla zu gehen, nachdem ich in der Wüste verreckte! Das gönne ich dir, du — du Schuft —
Mit erhobenen Fäusten stürzte Boysen in seinem Wahn auf den Kameraden ein.
„Sei vernünftig! Reiß dich zusammen!" rief ihm Folkening zu.
Aber der Fiebernde hörte nicht darauf. Seine Fäuste schlugen wild zu.
Ein schweres Ringen begann, das die letzten Kräfte der beiden Männer verzehren mußte.
Und einmal blitzte in der Hand Harald Boy» sens ein metallischer Gegenstand auf-
9.
Der an der Spitze der Meharistenabteilung reitende eingeborene Führer feuerte sein Gewehr mehrmals signalgebend ab. Sergeant Maezzo trieb daraufhin sein Tier zu erhöhter Eile an und war bald neben ihm. *
„Was gibt es, Abd el Kher?"
Der Vorreiter deutete mit ausgestrecktem Arm nach Süden.
„Allah akbar! Wir haben die Nemsis gefunden!" rief er aus. „Dort drüben liegen sie!"
Vergebens suchte Sergeant Maezzo in der ihm bezeichneten Richtung den Himmelsrand ab.
„Accidenti! Ich kann nichts sehen", entgegnete er. Nachdem er jedoch sein Fernglas an die Augen gesetzt hatte, entdeckte auch er den gen Himmel ragenden Rumpf eines Flugzeuges an einem Dünenhang.
„Avanti! Avanti!" feuerte der Sergeant seine Meharisten an und setzte sich an die Spitze der Kamelreiterkarawane.
Zwei Stunden später fand man Sasso Folkening bewußtlos im Wüstensand. Abd el Kher be- mühte sich auf einen kurzen Befehl Maezzos hin mit einem Teil seiner Meharisten um den fast Verschmachteten. Sergeant Maezzo aber ritt weiter, auf das zerfetzt aufragende Mal zu, das sich wenig Kilometer noch entfernt vor ihm erhob.
Endlich stand er vor der völlig vom Wüstensand verwehten Schutzhütte der deutschen Flieger. Mit einem heftigen Ruck riß er die Decke des Zuganges zur Seite. Staub wirbelte auf.
Und dann bot sich den entsetzten Blicken des Italieners ein seltsames Bild — —
Auf einer Matte lag Harald Boysen. Er war tot. Seine Stirn war blutverkrustet. An der rechten Seite des Fliegers, dicht neben seiner erstarrten Hand, lag ein Revolver.
Sergeant Maezzo legte seine Hand grüßend an den Burnus. Hinter seinem Rücken neigten die Meharisten, Worte aus dem Koran murmelnd, ihre Häupter.
In der Einsamkeit und Verlorenheit der Dunen von Eldeyen hatte sich ein Drama abgespielt. Nun lag es an den Wüstenreitern, den letzten Akt ru voll.neben-
Nach einem kurzen Befehl Maezzos schaufelten die Meharisten in der Nähe ein Grab. Unterdessen beugte sich der Sergeant zu dem Toten nieder und untersuchte ihn. Der Schutz war an der rechten Stirnseite genau in die Schläfe erfolgt. Es waren noch dunkle Schatten — Puloerspuren — am Kopf des toten Fliegers zu erkennen. Es handelte sich anscheinend um einen Selbstmord, der sicherlich im Fieberwahn erfolgt sein muhte, als der Kamerad nicht in der Nähe weilte. Die Kleidung Harald Boysens war zersetzt. Am Unterarm befand sich ein blutverklebter Riß, der von einem Messer herrühren konnte.
Langsam nahm Sergeant Maezzo die Waffe aus. Sie war ungesichert. Nachdem er den Siche» rungsknopf zur Seite geschoben hatte, verknotete er ein Burnustuch um den Revolver und verstaute ihn sorgfältig in der Satteltasche seines Reittieres.
In den Taschen des Deutschen waren nur wenige Habseligkeiten zu finden. Eine Uhr, eine Geldtasche und ein kleiner Kompaß. Mehr pflegte man in diesen heißen Zonen nicht bei sich zu tragen.
In einem Winkel der Hütte stand eine Leder« tasche, die Kartenmaterial, Positionsbesteck, staub- sichere Chronometer und die Brieftasche Harald Boysens enthielt, in der sich Ausweise, Pässe und Banknoten befanden. Maezzo nahm die Tasche an sich und befestigte sie am Satteldorn seines Kamels.
„Er wird erst in der Kühle der Nacht zu sich kommen", erklärte der Vorreiter. „Wir müssen sehr vorsichtig sein. Nur ein paar Tropfen darf er über die Lippen bekommen. Sein Körper ist vollkommen ausgebrannt."
Maezzo nickte zustimmend. Dann gebot er, den toten Flieger in einige Decken zu hüllen. Langsam glitt der leblose Körper des Deutschen an groben Hanfstricken in die tiefe Grube hinab.
Der Sergeant sprach ein kurzes Gespräch. Ihm zur Seite neigten sich die Meharisten, beugten sich vor ihrem Gott. Cs waren schweigsame Berber- söhne, gehärtet in den Gefahren der Wüste.
Bald wölbte sich ein hoher Hügel am Fuße des Dünenhanges. Maezzo brach vom Flugzeugrumpf der nahe befindlichen Maschine das Querruder ab, das die Hoheitszeichen des Deutschen Reiches trug» und drückte es in den Sand des Grabhügels.
Die schrillen Laute der Kamelantreiber mahnten zum Aufbruch. Kurze Zeit später strebte die Karawane in östlicher Richtung davon. In einer Sanfte führten die Meharisten Sasso Folkening
^^Jn^Ederi angekommen, lag der Deutsche noch immer in Fieberkrämpfen. Man brachte ihn in einem Streifenwagen nach Mursilk, wo ein 'Arzt zur Verfügung stand.
Tage verstrichen, ehe das Fieber zu weichen begann. Als Sasso Folkening zum erstenmal klaren Blickes die Augen aufschlagen konnte, schaute er in das wetterharte Gesicht des Sergeanten Maezzo, der ihm lächelnd zunickte.
„Perdio! Da hätten wir dem Wüstentod also . j doch ein Schnippchen geschlagen! Nevvero, Signore?"
„Sie — haben — uns gesunden?" flüsterte Sasso Folkening, noch ermattet von den hinter ihm 4 liegenden körperlichen Anstrengungen und Fieber» anfällen. Seine Hand tastete nach der des Ita- lieners. „Ich — danke Ihnen!" (Forts, folgt.) L