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nicht vermuthet, um so mehr Eindruck mußte die Sache auf ihn machen.

Der gute Vater kannte doch das mensch­liche Herz noch nicht so nach allen seinen Schwachen. Ein unerwarteter Eindruck wirkt weit stärker, und die Folgen sind dauerhafter. Jezt erst konnten die Gefah­ren für seine geliebte Tochter weit drohen­der werden, wenn der Fremdling nichtein edler Mann gewesen wäre. So sucht man die Gefahr oft zu vermeiden, und führt sie durch einen zu raschen Entschluß nur desto schneller herbei.

Der überraschte Hauptmann, bei dem die guten Eltern ohne ihren Willen eine Leidenschaft erweckt hatten, die wenn sie einmal erwacht, nicht so leicht wieder ein- gcschlafert werden kann, unterlag dem er­sten Eindrücke dieser unerwarteten Erschei­nung erst ohne Verlegenheit, doch wußte er seine Gefühle in daö Gebiet der Ueber- legung und Besonnenheit zurückzudringen, um sich wenigstens in diesem ersten Augen­blicke nicht so ganz zu verrathen.

Allein von jezt an konnte er den Wunsch nicht unterdrücken, dieses liebevolle reißen­de Mädchen wohl lieben zu mögen, wenn es auf dem Wege der Rechtschaffenheit geschehen könnte, und suchte daher durch immer mehr Beweise seiner Achtung und Anhänglichkeit ein Herz zu gewinnen, das mit dem seinigen durch die reinste Shm- pathie verschwistert zu sexn schien.

Das Mädchen, das die guten Eigen­schaften des Franzosen als verkleideter Jüngling ganz in der Nähe, ohne allen Zwang gesehen hatte, fühlte schon damals eine edle Zuneigung für ihn, die nun aber sehr bald in ihrer verwandelten Lage sich in Liebe auflöste, da ihr die Theilnahme unverkennbar werden mußte, die er für die leisesten Wünsche ihres Herzens zeigte.

Die Liebe verständiget sich leicht! Bald fanden sich auch diese beiden liebenden Seelen, und der Bund der Treue wurde geschloffen. Die Eltern aber wurden nicht

dabei, wie eS sich oft zu geschehen pflegt, hintergangen, sondern der edle Franzose erklärte ihnen seinen Wunsch, und fügte die zärtlichsten Bitten hinzu.

Was wollten die guten Eltern qnfan- gen? Sie hatten sie freilich für das Va­terland erzogen, und der Anblick ihrer Tochter, als die Gattin eines deutschen Mannes hätte freilich der Freuden mehrere ihnen verschaffen können; man beruhigte sich bald, wenn sie sich selbige wenigstens in den Händen eines ganz edlen und recht­schaffenen Mannes dachten, und ihre Ein­willigung fand nach einigen Tagen keine Schwierigkeiten mehr.

Doch die süßesten Freuden des Lebens sind oft die kürzesten. Unsere beiden Lie­benden sollten auch dieß erfahren! Eben unterredete man sich über die künftige Einrichtung und die zu treffenden Anstal­ten zur gewünschten genauen Verbindung, als der Hauptmann Befehl erhielt, am morgenden Tage mit seinem CorpS auf­zubrechen, und weiter vorwärts den Rus­sen entgegen zu gehen

Man kann sich die allgemeine Bestür- tzung denken! Einen allgeliebten Haus­freund zu verlieren, war schmerzlich, aber den geliebten Ehegatten ihrer einzi­gen Tochter so in Augenblicke scheiden, und ihn den drohendsten Gefahren des Kriegs entgegen gehen zu sehen, war schmerzlicher als der Tod. Doch wer kann dem Schicksal gebieten!

Der Hauptmann machte feiner Gelieb­ten bei seiner Trennung noch ansehnliche Geschenke, worunter besonders ein kostba­rer Ring war. Auch er erhielt mehr als ein kostbares Andenken aus den Händen der Geliebten, und so trennte man sich endlich unter innigen Versicherungen einer ewigen Treue, und mit der Hoffnung ei­ner baldigen und glücklichen Wiederver­einigung. Nachrichten sollten von beiden Seiten erfolgen, dieß waren die lezte» Versprechungen der Scheidenden.