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Unsere Flieger schießen M Sperrballons ab

Von Kriegsberichter Dr. Erhardt Eckert

lPK.) Frankreichs Groß- und Kriegshafen Le Havre brennt! Wie aus Dünkirchen Wälzt sich aus dieser At­lantikstadt eine schwarze Qualmwolke, die breit aufsteigt und den Himmel viele Kilometer weit überzieht. Die Sonne kann nicht mehr durchdringen, die Strahlen werden abgefangen, und die Stadt liegt auch am Hellen Tage in düsterem Dämmerlicht.

Die Zerstörergruppe fliegt in Richtung Le Havre. Sie braucht keine Karten und keinen Kompaß: Die Rauchwolke weist deut­lich den Weg. Die Zerstörer haben freie Jagd. In einem be­stimmten Zeitabschnitt dürfen sie abschiegen, was ihnen vor die Kanonen kommt. Aber auch die so beliebte freie Jagd ist heute kein reines Vergnügen mehr, denn allzu häufig ist das edle Wild der Tommy- und Poilu-Flieger nicht mehr.

Le Havre ist in Sicht. Dort kurven vier Jäger, Messerschmitt, die ebenfalls auf Feindflugzeuge lauern. Die Zerstörer fliegen dicht über dem oberen Rand der Rauchwolke und suchen Sicht nach unten. Da tauchen aus dem schwarzen Qualm Ballons auf. Die französische Ballonsperre über Kriegshafen und befestigter Stadt. Ein Blick rundum, der Himmel ist frei also drauf wie Blücher! Jeder Zerstörer sucht sich den nächsten Ballon und läßt die Kanonen rattern. Die Granaten zerplatzen und reißen Riesen­löcher in die Haut. Sofort zischt eine lange Stichflamme heraus und der traurige Rest verschwindet im Nu im Qualm. Nach dem ersten Allgriff hat die französische Flak, die dicht geballt hinter der Ballonsperre steht, die Situation erkannt und knallt aus allen Rohren. Nach einmal setzten die Zerstörer an. 20 Stichflam­men zischen hoch, dann ist die Ballonsperre be­seitigt.

Die Zerstörer kurven noch einmal über ihrem Jagdraum, cs ist nichts mehr zu sehen.

Aus Richtung Heimathafen fliegen die Kampfflicgerverünnde an. Angriffsziele: Die großen Transporter der Engländer, die ihre Truppen bereits wieder einschifsen. Minuten später brennen drei dicke Kisten. Es ist alles wie in Dünkirchen.

Hier kegt mein Daler"

Stille Stunden am Chemin des Dames

Don Kriegsberichter K. E. von Stackeiberg

(PK.) Der Chemin des Dames ist mehr als irgend ein Hühenweg an der Aisne. Einer erklärte mir seinen Namen der­art, daß hier einst Frankreichs Könige mit ihren Frauen entlang fuhren, »m ihnen die Schönheiten ihres Landes zu zeigen, llnb wirklich, es gibt wenig schönere Wege als diesen.

Weit schaut man vom Höhenkamm hinein ins Land, in den zarten Hügelschwuno der weiten grünen Parklandschaft. Es ist, als ob der Herrgott hier ganz besondere Mühe an dieses Land verwendet hätte, als ob sich jeder Grashalm bemühte, besonders zart, als ob jeder Baum danach trachte, besonders grazil zu wach­

Nagolder TagvlattDer Gesellschafter'

sen. Es blühen in tiefem Rot die Kleefelder, es sprießen aus Hellem Grün die Blüten des Mohns, und die untergehsnde Sonne scheint noch einmal ganz besonders zärtlich diese Pracht zu strei­fen, bevor sie Abschied nimmt.

Man fährt den Weg entlang und stockt. Dort flehen am Wcges- rand, in schnurgeraden Reihen ausgerichtet, Kreuze. Weiße Kreuze, unter denen Franzosen und Engländer begraben sind, und etwas weiter, weniger gepflegt und unauffälliger, aber größer in ihrer Zahl, schwarze Kreuze, unter denen deutsche Sol­daten ruhen.

1917 steht auf den Kreuzen. Und wieder stürmten deutsche Sol­daten über den Chemin des Dames, 23 Jahre später. Größer und unvermittelter spürte ich noch nie den Zusammenhang zwischen dem Großen Krieg und der Entscheidungsschlacht, in der wir jetzt stehen, als hier in einem kleinen Bild, das eine Episode im großen Geschehen war

Ein junger Soldat, wohl Mitte Zwanzig, mit braungebrann­tem Gesicht unter dem Stahlhelm, mit offenem Kragen und den Karabiner in einer Hand, beugte sich über eines der schlichten Kreuze, die auf jeder Seite den Namen eines Gefallenen ragen, weil es sonst wohl zu viel Kreuze geworden wären. Er legte einen großen, sommerlich bunten Strauß auf das Grab. Ich kam dazu.

Hier liegt mein Vater", sagte er, wie um sich zu entschuldigen.

Ich ging schnell weiter; es stieg mir heiß ins Gesicht, ich spürte, was es heißt, daß wir jetzt hier stehen, daß wir wiedergekommen sind, daß die dort unter den Kreuzen nicht umsonst sielen, daß wir ihr Werk vollenden.

Reims nach Chalons

Fliehende feindliche Kolonnen werden zerrieben - Die vor­dersten deutschen Stellungen des Weltkrieges sind über­schritten

Von Kriegsberichter Dr. Paul Dierichs

lPK.) Weiß Gott, das war so ein rechter Tag für unsere Panzerwaffe. Es ging vorwärts, immer vorwärts. Nach den Tagen des erbitterten Ringens, in denen um jeden Ort lange und hart gekämpft werden mußte, ging es heute zügig vor. Na­türlich nicht ohne Gegenwehr, aber der Gegner ist hart angeschla­gen und leistet nicht mehr denselben Widerstand wie an den letzten drei Tagen.

Reims war schon am frühen Morgen besetzt. Die Stadt hat der Franzose nicht verteidigt. Bei einem kurzen Rundgang kön­nen wir auch keine Kampfspuren feststellen. Noch ragt der herr­liche Bau der Kathedrale über der Stadt, die Straßen sind men­schenleer. Unsere Truppen werden um die Stadt herumgeführt. Dann geht's weiter in südöstlicher Richtung. Die Straße nach Lhalons liegt unter starkem Artilleriefeuer. Der Gegner hat sich auf den Waldhöhen südlich von Reims festgesetzt. Das kann uns aber nicht von unserem Ziel abbringen. Wir müssen heute noch die Marne erreichen und überschreiten, wenn es nur iraend

Montag, de» 17. Juni 181»

geht. Links von unserer Straße liegen die weit «esgedehnten Uebungsplätze des französischen Heeres mit dem Lager Mour- meton. Gegen 11 Uhr sind wir dort. Feindliche Abwehr hält uns noch auf. Ein Jägerbataillon und drei Batterien von der mit den Panzern vordringenden motorisierten Division werden ein­gesetzt, während das Gros ohne Aufschub nachrückt. Ls klappt alles wunderbar, wie auf dem Exerzierplatz. Bald sausen die ersten Granaten über uns hinweg. Die Schüsse liegen gut. In­dessen rattern die Panzer rechts an der Straße weiter vor.

Der Funk bringt die Meldung, daß große feindliche Kolonnen auf der Straße St. EtienneLhalons marschieren in Richtung nach Süden. Sie wollen also über die Marne entkommen. Eine Schützendivision wird ick ihrer Flanke eingesetzt, um das zu ver­eiteln. Der Befehl ist kaum durchgegeben, als eine neue über­raschende Nachricht von vorn kommt. Die Spitze der Panzertruppe ist in Lhalons eingedrungen und hat die Marnebrücke besetzt. Das Schicksal des fliehenden Feindes ist besiegelt. Panzer von vorne, Infanterie und Artillerie nehmen ihn von der rechten Flanke an. Der Ausganz dieses Kampfes kann nicht zweifel­haft sein.

Die Zeichen dieses Siegestages zeigen sich überall. Vorhin lagen Reste von drei zertrümmerten Kampfflugzeugen unmittel­bar nebeneinander am Boden. Nur die französische Kokarde an den Flügeln läßt noch ihre Nationalität erkennen. Ausgebrannte Panzerwagen, darunter die fast haushohen 32-Tonnen-Tanks, lie­gen neben anderem unübersehbarem Gerät am Wege, und end­lose Eesangenenströme, Weiße und Schwarze durcheinander, ziehen an unseren Truppenkolonnen vorbei. Das Bild einer geschlage­nen Armee, genau wie vor Wochen auf dem Vormarsch zur Küste, das französische Heer, feige im Stich gelassen von seinem eng­lischen Bundesgenossen, geht seiner Vernichtung entgegen. Die Regierung hat die Hauptstadt verlassen und flieht nach Süden. Unsere Truppen sind heute über jene Linien vorgedrungen, Hie unsere vordersten Stellungen im Weltkriege kennzeichneten.

KstteveS

Artilleristische Bescheidenheit

Irgendwo in der Umgegend von Lille feuerte deutsche Artillerie auf erbeuteten französischen Geschützen mit der gleichzeitig er­beuteten Munition.Mir san bescheiden", sagt ein Kanonier, in­dem er eine der schönen großen Granaten lud,die Kanonen haben's uns geben, die Herren Franzosen, die Munition haben's uns auch geben; man derf nicht zu viel annehmen: die Munition solln's wieder haben!"

Künstlerpech

Unter den im Lazarett eingetroffenen Verwundeten befindet sich auch ein junger Berliner, dem eine Kugel beide Wangen durchbohrt hat, ohne sonst viel Schaden anzurichteu. Auf:die Frage, wie er sich denn fühle, erwidert er ganz veroniigt:Och, sonst jeht's mir janz jut, bloß det Frankreichlied kann iS nich mehr pfeifen, ich Hab zu ville Lust!"

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Zu den Kämpfen an der Saarfront

(Weltbild-Eliese, M).

Die italienische Luftwaffe griff Malta au

Uebersicht über die Einfahrt in den Hafen von Malta. (Associated Preß, Zand.-M.-K.)

an vonW(rtl)

Ein Reiterroman von Franz Herwig

Verlag F.tz. Kerle, Heidelberg - Abdrucksiechte durch AerlaMnstalt Manz, München.

17. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Ah, und triebst dich landfahrend herum, wurdest Schenkknecht und ließest dich, von Gott weiß wem für zwei Dukaten dingen, um harmlose Reisende anzufallen! Straßenraub. Galgen."

Jan stampfte auf.

Ich bin kein Straßenräuber. Ein halbes Kind, Herr, dem man die Eltern gemordet, sollte weggeschleppt wer­den, vielleicht zu gleichem Los. Da ein Kavalier sie in der Gewalt hatte, mußte ein Bauer sie befreien."

Also verliebt bist du? Gar in die junge Gräfin?" und die Herren lachten.

Warum nicht?" sagte Jan und strich sich den Bart, Mein Vater wußte einen alten Vers:

Die Liebe fällt wie der Wind sie weht,

Auf den Misthaufen oder das Rosenbeet.

Wißt Ihr etwas dagegen zu sagen?"

Jetzt wurde das Gelächter noch lauter. Und selbst Jack glaubte, die Sache werde gütlich ablaufen. Deshalb fragte er:

Beantwortet, ich bitte Euch, eine Frage: sind die Fräu­leins in guten Händen? Sind sie noch hier? Was geschieht mit ihnen?"

Die Fräuleins? Um die sorge dich nicht, um so weni­ger als sie von dir nichts wissen wollen. Sie haben jede Verbindung mit dir und deinem schwarzrockigen Geselle: abgeleugnet. Wie vorauszusehen war, Also bleibt der nacktl Straßenraub, die Entführung und der Mord, ein doppelter Mord vielleicht. Aber iur ioW einen Geistlichen baden, ebe

du hängst. Schreibt, Herr Retz: äsan, soi-äisant äs

Vlsctd ..."

Jan hörte nichts mehr. Griet hatte ihn verleugnet? Marie-Anne hatte ihn verleugnet? Ihn, der ihretwegen denblauen Hecht" verlassen hatte, Frau Josepha und das sichere Köln? Vielleicht hatte auch Josö Maria ihn ver­leugnet, ihn, der auf glühendem Rost noch zu seinen Freun­den sich bekannt hätte! Hängen wollte man ihn? Weil er nach einer guten Tat gegriffen, wie ein Knabe nach einem Apfel am fremden Baum? Hängen?

Herren, ein Wort", rief er und stürzte sich gegen den Tisch, hinter dem die drei erschreckt hochfuhren.

8at est! kllnltns sst! Schafft ihn fort!"

Er ließ sich willenlos abführen. In seinem Gefängnis stand er blaß und gebrochen, mit hängenden Armen, stun­denlang.

Die zweite Nacht seiner Gefangenschaft kam. Jan er­wachte langsam wieder zum Leben. Er trat zum Fenster. Aber der Mond, der ihm gestern so gütig das Land in Ver­klärung gezeigt hatte, wollte nicht kommen. Aber plötzlich hörte er hach, eine Trompetenfanfare, irgendwo, fern, fern in der Nacht. Vielleicht zogen französische Völker her­an, oder spanische. Noch einmal: die Fanfare. Es lief ihm den Rücken herunter und kribbelte ihm in den Kniekehlen, dieser wackere Ruf! Als wenn ein langer Blitz plötzlich eine weite nächtliche Landschaft erhellt, so zeigte ihm diese Fan­fare ziehenden Heerestrab, ungeheure samtdunkle Rohre, die auf breiten, eisenbeschlagenen Rädern rumpeln, Eisen­hauben, Piken, Degen, Musketen, Standarten ein stol­zes Durcheinander von tödlichem Kriegsgerät. Und weiter: Feuer in der Nacht, von Pulverqualm halb erstickt, rasende rasselnde Riesenmassen Reiterei, Fußvolk verbissen inein­ander, und die Trompeten, die Trompeten schrien!

Da sprang ein eiserner Wille in Jans Fäuste. Verrecken am Hochgericht, wo rings die Trommel ging und die Muti­ge» lockte? Aus dem Schindanger eingeschg.rrt we rden . Mit

vor dem Feinde. Kamerad links, Kamerad rechts und die gesenkten Fahnen rauschen über sie? Am Jüngsten Tag aus Pferds- und Rindsgebeinen sich herauswühlen, anstatt freudig aufstehen: guten Morgen, Kamerad? Z

Er sprang hoch. Den Schemel her. Die Fäuste ins Eisen­gitter, die Zähne verbissen, daß die Backenmuskeln zu zer­platzen drohten und: Ruckl da fiel er hinterrücks, aber das Gitter in den verkrampften Fäusten. Es polterte. Jetzt komme nur einer! Ich schlag sie zusammen mit diesem Schmachgerät! Niemand kommt?

Da wischte er sich den Schweiß von der Stirne.

Er steckte den Kopf aus dem Fenster. Stücker zwölf rhei­nische Schuhe, just so viel wie aus seines Vaters Boden­fenster.

Er lachte: ist nicht das erstemal, und sprang. Sprang und kam unten ins Rutschen, den steilen Hang hinab, auf dem die Mauer stand. Dann war er wieder hoch. Und ohne sich umzusehen, lief er davon, erst der Landstraße entlang bis er über den verwünschten Bach war und dann gerade­wegs in den Wald.

Als es dämmerte, kam er an eine Waldhütte. Ein Mann stieß die Läden auf, hinter dem Gatter heulten wütend die Hunde.

Wem dienst du, Freund?" fragte er.

Dem Herrn von Luxemburg."

Gott sei Dank", stieß Jan heraus und hob die Arme.

ViertesKapitel.

Der Dragoner von Breda.

Die Schenke zum Dragoner von Breda war bekannt in den Nordstaaten wie in Flandern, in Lothringen wie am Rhein, daß auch der ehrwürdige Magister Josö Maria ihren Ruf vernommen und sie als würdig erfunden hatte, um sich dort mit Jan zu treffen.

(Fortsetzung sM^