7. Seite — Nr. 138
Nagolder TagSlatt „Der Gesellschafter
Samstag, den 15. Juni ISIS
„Christa!" piepst ihr Stimmchen, „und mein Dati ist Soldat."
„Ist dein Vati denn hier?" fragt der Unteroffizier und schreitet langsam mit ihr die Front ab. Christa schaut allen Soldaten ernsthaft ins Gesicht und erhält von allen einen zärtlichen Blick. Als sie am Ende der Reihe sind, blickt der Unteroffizier sie an: „Nun, Christa?"
Sie zögert eine Weile mit nachdenklicher Stirn. Dann hellt sich ihr kleines Eesichtchen plötzlich auf, und mit ausgebreiteten Armen, den Soldaten zugewandt, schmettert ihr Miindchen hervor: „Alle zusammen mein Vati! Alle zusammen mein Vati!"
Der Zug ist im ersten Augenblick verblüfft, dann klingt ein vielfaches Lachen auf, in das Christa jubelnd einfüllt. Auch der strenge Unteroffizier ist ganz aufgeschlossen und heiter. Lächelnd sagt er: „Wenn wir alle zusammen dein Vati sind, müssen wir ja auch alle zusammen für dich sorgen, Christa. — Marwede! Laufen Sie in die Kantine und holen Sie auf Kosten des Zuges eine tüchtige Portion Schokolade. Einverstanden, Leute?"
„Befehl, Herr Unteroffizier!" schmettert es fröhlich im Chor. Marwede rennt los, und Christa unterhält ihre Wahlväter unterdessen mit munterem Geplauder. Alle lauschen andächtig, und die Gedanken wandern wohl zu den Kindern daheim. Mit einem Riefenkarton kehrt Warwede zurück. Chriast hat Mühe, ihn in ihren Aermchen zu bergen und zieht voller Seligkeit ab, um der Mutti rasch dieses Wunder zu erzählen. Vorsichtig trippeln ihre kleinen Füße über den harten Grund des Kasernenhofes, der sonst nur die eisenbeschlagenen Stiefel von Soldaten kennt. Alle blicken dem Hellen Pünktchen zärtlich nach, und der strenge Unteroffizier sagt versonnen:
„Ja, Leute — alle zusammen sind wir ihr Vati. Ist schon richtig, was die Kleine sagt! Für all die vielen Kinder im Land sind wir da — tun wir unsere Pflicht. Wie gute Väter es gewohnt sind. — Und nun: Stillgestanden!"
Seine Stimme ist wieder knapp, feine Gestalt straff aufgerichtet. Und vor ihm steht der Zug wie eine Mauer aus Erz, die Gesichter unter den Stahlhelmen ohne jede Bewegung. (y)
Die Tal des Träumers
Erzählung von Jürgen hahn-Vutry
Im Eeschützunterstand flimmerte das Hartspirituslicht des Hindenburgbrenners einen trüben Schein. Es flackerte und drohte zu verlöschen, wenn ein Eranateinschlag in der Nachbarschaft die Wände des Haubitzenstandes erzittern ließ.
Auf leeren Eefchoßkörben hockten die Kanoniere. Einer hielt beide Ellenbogen auf die Knie gestützt und barg das Gesicht in den Handflächen. Die Nacht war kalt, und durch das Drahtgeflecht des Fliegerschutzes leuchteten die Sterne.
Unteroffizier Merger zog mit frostklammen Fingern seine alte Nickeluhr heraus: „Eine halbe Stunde noch, Kameraden, dann wird uns warm werden!"
Kanonier Hensel löste den Kopf aus dem Bett seiner Hände. Schwerfällig zog er die Knie an und stand langsam auf: „Einmal wieder zu Hause sein können, Korporal! Einmal wieder in einer warmen Falle liegen dürfen!"
Aus der dunklen Ecke hinter dem Munitionsstapel klang brummiges Lachen auf: „Hört nur den Hensel! Du bist mir ein rechter Held! Gleich wollen wir Trommelfeuer schießen, und du phantasierst von warmen Betten!"
Einer nach dem anderen erhoben sich die Kanoniere, stampften mit steifen Knöcheln den Frost aus den Beinen, hauchten in die Handflächen und rieben die roten aufgesprungenen Hände. Der Geschützführer zog wiederum seine Uhr: „Noch sieben Minuten!"
Kanonier Hensel ging langsam zu seinem Platz neben dem Verschluß. In ihm bohrte noch der Zuruf von vorhin.
„Noch eine Minute!" mahnte der Unteroffizier.
Hensel schob die Granate in das Rohr, setzte die Kartusche davor und schloß den Verschluß.
„Erstes ... Feuer!"
Gran auf Granate stieg aufheulend gegen den nächtlichen Hn.ttnel. Es war, als sei der sonst so schwerfällige Kanonier.Hensel plötzlich ein anderer geworden.
Vorn vor der Feuerstellung wurde die Nacht zum Tage. Zu Tausenden verspritzten die Leuchtkugeln ihr hartes weißes Licht. Auch drüben waren sie aufgewacht und schossen Sperrfeuer auf die deutschen Infanterie- und Artilleriestellungen.
Glühend heiß wurde das Rohr oer Haubitze. Der Batterieführer tauchte am Eingang des Geschützunterstandes auf: ..Weiter schienen, und wenn das Nobr vlakt!" Wieder batte
Kanonier Hensel abgezogen. Jetzt warf er den Hebel herum und öffnete den Verschluß. Aber was war das? Diesmal flog die leere Kartusche nicht wie sonst im hohen Bogen nach rückwärts. Nur der Deckel klirrte auf den Lafettenschwanz, der breite Messingring klemmte fest im Rohr der Haubitze. Fassungslos stierte Kanonier Hensel auf das unbrauchbar gewordene Geschütz.
„Träum' weiter!" brüllte Unteroffizier Merger und stürzte hinüber zum Rohrwischer. Zwei andere Kanoniere sprangen hinzu. Der Besen brannte auf, kaum daß er den lühenden Rohrlauf berührte. Zwei-, dreimal versuchten e, den schmalen Rand des Kartuschenrestes zu fassen. Vergeblich! Das Holz glitt ab an dem dünnen Metallstreifen.
Ein Melder vom Batterieführer kam in den Unterstand gestürzt: „Warum feuert das Erste nicht?"
Mutlos ließ der Geschützführer den angekohlten Rohrwischer sinken. „Ladehemmung! Nichts zu machen!"
Kanonier Hensel hatte still dabei gestanden, als die anderen mit dem Rohrwischer arbeiteten. Jetzt drehte er sich zu Unteroffizier Merger um: „Ihre Lederhandschuh. Korporal!" Ehe der Unteroffizier noch antworten konnte, hatte der Kanonier ihm die Handschuhe aus der Manteltasche gezogen. Dann schob er die Herumstehenden mit einem Ruck beiseite und beugte sich gegen die Verschlutzöffnung, aus der die Hitze des glühenden Eisens quoll.
Den Bruchteil einer Sekunde durchzitterte ihn ein Schauern. Dann fuhr die Hand im Lederhandschuh in das Rohr. Dampf zitschte auf. Qualm von verbranntem Leder schwelte. Ein Stöhnen sich aus der Br ^ >es Kanoniers. Dann warf er sich mit voller Korpergewalk nach rückwärts. Ein Helles Aufklirren! Der Messingstreifen der Kartusche fiel gegen das Eisen der Lafette.
Sie konnten ihn gerade noch auffangen, als er ohnmächtig zusammensackte. An seiner rechten Hand kohlten die Fingerspitzen zwischen dem verbrannten Leder.
Sie betteten ihn auf ein paar leere Eeschoßkörbe und riefen den Sanitäter. Dann schoß die erste Haubitze weiter, bis der Befehl zum Feuereinstellen kam.
Nachher standen sie alle um die Tragbahre, die ihn nach rückwärts bringen sollte. Als der Batterieführer sein eigenes Eisernes Kreuz auf den Mantel seines Kanoniers heftete, ging ein Leuchten über Hensels Züge: „Jetzt kann der Träumer in Ehren heimfahren und schlafen!" (y)
Sabine und der Flieger
Erzählung von Wolfgang Federau
Sabines Zimmer lag auf der Seite des Hauses, die der abgekehrt war. Aus ihrem Fenster hatte sie den Bim üoer den Garten. Und wenn man sich hier, am Rande der Stadt, ohnehin nicht über allzu großen Lärm zu beschweren brauchte — dort, wo Sabine ihr Reich hatte war es besonders still und friedlich.
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Aber jeden Abend, gegen halb elf Uhr, schlug doch eine Welle der großen, lauten Welt in Sabines Jungmädchenzimmer. Dann hörte sie das Knattern des dreimotorigen Verkehrsflugzeuges, das die schnelle Verbindung schuf zwischen Berlin und dem Osten des Reiches. Früher, noch vor fünf, sechs Monaten, hätte Sabine nichr darauf geachtet. Aber seitdem sie Sven kennengelernt hatte, war das anders geworden.
Sven beflog diese Strecke, — das war es. Seitdem Sabine das wußte, konnte sie nicht einschlafen, ehe nicht das Donnern der Maschine ihre Ohren getroffen hatte. Und wenn sie doch einmal vor der Zeit eingeschlummert war, so wachte sie um halb elf mit unfehlbarer Sicherheit auf, lauschte zwei, drei Minuten, bis der Lärm verhallte, seufzte ein bißchen, lächelte in die Dunkelheit hinein, und schlief dann gleich wieder weiter.
Liebte sie Sven? Nein, dachte sie, wenn sie sich einmal diese Frage vorlegte. Und sie glaubte dabei ganz ehrlich zu sein. Er war „ein feiner Kerl", wie sie sich burschikos ausdrückte, wenn sie mit sich selbst redete, ein stattlicher, mutiger, hübscher Junge. Auch klug, ja, klug auch. Sie hatte ihn sehr gern, aber sie war jung, und sie meinte, gern haben, das genüge nicht. Gern haben und Liebe sei zweierlei. Wenn man liebt, dachte sie, dann... ja, dann müsse man doch irgendwie in Flammen stehen, immer im Fieber sein und voller Unruhe, und das Herz, das müsse klopfen... So stellte sie sich die Liebe vor, die wahre Liebe, und sie wußte nur, daß ihr Herz ganz gewiß nicht um einen Schlag schneller ging, wenn sie an Svens Seite spazierenging oder wenn sie sich tanzend in seinem Arm schmiegte, in diesen starken Arm, dem man sich gern anvertraute.
Daß andererseits Sven sie liebte, das wieder schien Sabine ziemlich gewiß zu sein. Es hatte zwei oder drei Gelegenheiten gegeben, wo er, mit einem Male sehr schüchtern und verlegen, Anspielungen dieser Art machte. Aber Sabine hatte getan, als verstünde sie nicht. Schließlich, dachte sie, iü er ein so netter Kamerad, ich möchte ihn nicht verlieren, dem guten Sven waren die Worte, die er hatte sagen wollen, auf der Zunge gefroren.
Daran mußte Sabine auch heute abend denken. Und sie lächelte. Sie lag im Bett und lauschte mit allen Sinnen in die Nacht hinein, die groß und dunkel vor dem Fenster stand.
Sabine las — oder versuchte zu lesen — und wartete. Aber sie hörte nicht das dumpfe Grollen, mit dem sich das Nahen der Maschine ankündigte. Nicht den Lärm, der laut wurde, wenn sie unmittelbar über dem Hause dahinflog.
Dabei ging die Uhr schon auf elf, und noch nie, solange sie sich erinnern konnte, hatte das Flugzeug eine solche Verspätung gehabt.
Sie stand auf, zog den Vorhang des Fensters zurück und schaute in die Nacht hinaus. Blickte zum Himmel empor und... und sah ihn nicht. Sah nur in ein Nebelmeer. Wie Watte war es, so weiß und so dicht. Es ist gewiß längst vorbei, dachte sie. Der Nebel hat den Lärm aufgeschluckt, deshalb konnte ich nichts hören.
Sie bog sich weit hinaus. Vielleicht sah man die Lichter, das rote und das grüne... aber nein, nichts konnte man sehen, soviel Mühe man sich auch gab.
And dann, plötzlich, faßte Sabine nach ihrem Herzen, das VH und unerwartet furchtbar zu klopfen begann. Nebel? Kohlte es in ihr, ist doch der schlimmste Feind aller Flieger!
Sie hatte noch nie Herzklopfen gehabt. Jetzt lernte sie, wie das tat. Sie versank in einen Abgrund von Angst und Unruhe und Kümmernis.
Sie blieb nicht lange» am Fenster stehen. Rasch schlüpfte sie in ihre Kleider. Ihre Hände zitterten, während sie Schuhe und Strümpfe und Rock und das alles zusammensuchte. Ihre Eltern hatten kein Telefon. Sie brauchten es nicht, und Sabine hatte es bisher kaum vermißt. In diesem Augenblick tat es ihr leid. Doch wußte sie, daß zwei, drei Straßen von chrenr Hause ein großer Fernsprechautomat war; dahin eilte sie, als sie sich aus dem schlasenden Hause hinausgestohlen hatte.
So aufgeregt war sie, daß sie zweimal eine falsche Nummer drehte. „Was ist das nur mit mir?" schalt sie sich selbst. Endlich — endlich meldete sich der Flughafen, der auf der anderen Seite der Stadt lag.
„Verzeihung!" stotterte Sabine, und dann sagte sie, was sie auf dem Herzen hatte. Ein bißchen sehr fahrig sprach sie. wie eine, die zum erstenmal in die AtztWsl des Ar» ivrechsrs hineinspricht.
Aber die vom Flughafen, die waren genau, die'hatkens ihre Instruktionen. „Wer ist überhaupt am Apparat?" kam! eine grantige Stimme, und wohl oder übel mußte Sabin« ihren Namen sagen. Sie war gar nicht daraus gekommen^ rasch einen anderen zu erfinden.
Äm 21. November 180b begann die Kontinentalsperre/
Der Bohnenkaffee, an den man gewöhnt war, blieb aus. Was sollte ihn ersetzen? Das Land war arm. seine Wirtschaft nahezu aller Mittel entblößt - wie sollte man diese Aufgabe meistcm. die um so schwerer war, als sie gewissermaßen von heute auf morgen gelöst werden mußte. Bewundemswert ist, daß man trotzdem zu einer Lösung gelangte! Wurden doch damals die ersten deutschen Kaffeemittel geschaffen!
Der Malzkaffee kam später erst und als Ergeb-äs langer Arbeit. Zu einer Zeit, da Deutschland nicht mehr arm war und dementsprechend in dm Menschen das Verlangen erwachte, ihr Dasein besser zu gestalten, natürlicher zu lebm. gesünder zu essen und zu trinken.
Sebastian Kneipp, der große Lehrer der naturgemäßen Lebens» weise, war einer der Männer, die der Menschheit den neum Weg wiesen. Er lehrte: /b sollt chr leben/ Und er fügte zur Lehre die Tat. als er uns dm kllllu'einer gab. Dm Malzkaffee, der ihm zu Ehrm Nr alle Zeiten den Ramm „Kneipp-Malzkaffee" führt!
Nicht allein, weil er so gesund ist, — auch weil er gut schmeckt, deshalb hat dieser üstkreiner im Laufe der Jahre so viele Millionen treuer und überzeugter Anhänger gewonnen!
Ein guter Teil des deutschen Volkes ist mit ihm ausgewachsen« Und ist mit ihm groß geworden!