Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Samstag, den 15. Juni 191V
Wiedersehen mil der Champagne
Don Oberstleutnant a. D. Venary
Zum vierten Male im Laufe zweier Jahrhunderte stehen die Gefilde zwifchen Marne und Loire vor entscheidenden Ereignissen. Winterstürme fegten über sie hin, als im Januar bis März 1814 die Armeen der verbündeten Preußen, Oesterreicher und Russen sie kreuz und quer durchzogen. Noch einmal hielt Napoleon sie mit alter Meisterschaft in Atem. Wohlvertraut ja waren ihm Hügel und Täler. In Brienne hatte er einst die Kriegsschule besucht und manche Manöver- schlacht geschlagen. Nun wußte er durch geschickte Schachzüge die Verbündeten voneinander zu trennen und ihnen vereinzelt empfindliche Schlappen beizubringen. Aber Blücher war, wiewohl die Eicht und ein böses Augenleiden ihn arg plagten nicht der Mann, der sich so leicht unterkriegen ließ. Er nahm bei La Rothiere blutige Vergeltung. Als dann auch Schwarzenberg mit dem Hauptheer sich aus seiner Zurückhaltung zur Tat aufraffte und bei Bar sur Aube zum erfolgreichen AngriH schritt, war es um das Schicksal des Echlach- tenkaisers geschehen. Bei Laon und Arcis sur Aube erlitt er eine Niederlage nach der andern und sein Versuch, sich im Rücken der Verbündeten nach Lothringen zu wenden, wurde von ihnen mit Mißachtung bestraft. Sie ließen ihn seines Weges ziehen und marschierten schnurstracks auf Paris, wo sie dem Spuk seines Kaisertums ein vorläufiges, jähes Ende bereiteten.
Im August 1870 zog wieder ein Napoleon, der Neffe des Schlachtenkaisers, mit sinem geschlagenen Heere durch die Champagne den Türmen von Paris zu. Bei Weißenburg und Wörth hatten seine Kerntruppen unter Mac Mahon zwei böse Niederlagen erlitten. Im Lager von Chalons, dem wichtigsten Arsenal Frankreichs, hoffte er neue Kraft für Führer und Geführte zu finden. Aber die Kriegsfurien hetzten ihn sogleich weiter dem Verderben entgegen. Bei Metz stand die andere Hälfte seines Heeres im schweren Abwehrkampf. Kam er ihr nicht schleunigst zu Hilfe, so drohte in Paris der Umsturz, so war der Zusammenbruch seines auf tönernen Füßen ruhenden Thrones gewiß. Nordwärts über Sedan suchte er Metz zu erreichen, um geradewegs Moltkes Umfassung in die Arme zu laufen.
Gnädiger war das Schicksal den Heeren der Republik 44 Jahre später. Wieder schien es um Frankreich geschehen, brachen in breiter Front die deutschen Armeen über die Marne in das Hügelland der Champagne und der Jsle de France ein. Da traf ihren rechten Flügel von Paris aus der Stoß der Generale Ealliäni und Maunoury, ließ sie vorzeitig die Schlacht abbrechen und hinter die Aisne-Oise zurückgehen. Das „Wunder an der Marne" hatte Frankreich noch einmal gerettet. Die Gefilde der Champagne aber wußten zu erzählen von dem Sturm der preußischen Garden und der Sachsen bei Fere Champenoise, dem nächtlichen Angriff der Schlesier, Lothringer und Württemberger am Osthang der Argonnen. lieber die Marne nordwärts verebbte die Schlacht in der Lausechampagne zum Stellungskrieg, dessen Leid wir im Kreideschlamm beiderseits Reims drei Jahre lang zur Genüge kennen gelernt haben.
Und zum vierten Male stand die Entscheidung an den Ufern der Marne auf des Messers Schneide, als wir im Juli 1918 zum letzten Sturm auf die feindliche Wehrstellungen zwischen Chateau Thierry und Epernay schritten. Wieder war es der Flankenstoß aus dem Bannkreis von Paris, aus dem Walde von Villers Cotterets, der unsere Hoffnungen zuschanden machte, der die unter glücklichen Vorzeichen begonnene Offensive in einen Rückzug umwandelte, der den Anfang vom Ende bedeutete.
Zur Stunde hat Frankreichs Ministerpräsident aufs neue die alten Gespenster beschworen, die über der Champagne geistern. Aber seine Tiraden verhallen im Leeren. Vor unseren Heeren, die auf den Spuren ihrer Väter und Ahnen marschieren, flattern die Fahnen des Sieges. Frankreich hat keine Armee mehr, die unseren Vormarsch aufhalten könnte.
Die Champagne, die öden Heideflächen an ihrem Ostrand, das Rebengebiet in ihrem Zentrum, die fruchtbaren Ebenen und schattigen Wälder an ihrem West- und Südrand, sind von jeher das Vorfeld der großen Lagerfestung Paris, der Schild des Herzens von Frankreich gewesen. Hier liegt Reims, die alte Krönungsstadt, hier ergriff die „göttliche Jungfrau" das Lilienbanner, um die Elückswende im hundertjährigen Ringen wider England zu bringen. Hier auf den katalaunischen Gefilden, die die Gelehrten zwischen Chalons und Troyes suchen, entschied sich in grauer Vorzeit das Schicksal des Abendlandes im Abwehrkampf gegen asiatische Korden. Weiter südlich an der Loire, wo die Schlösser aus Frankreichs stolzesten Tagen ragen, wurde mit wechselndem Glück gefochten, als im Winter 1870/71 die deutschen Heere Paris belagerten und Eambetta die Bürger Frankreichs aufries, die „Heilige Stadt" vor dem Untergang zu retten. Aber alle Begeisterung, aller „Elan" der Mobilgarden scheiterte nach anfänglichen Erfolgen bei Coulmiers vor den Toren
Deutsche Marinelandungstruppe vor der flandrischen Küste
(PK. Schröder, Atlantic, Zan- )er-M.-K.)
von Orleans bei Loigny-Poupry, Artenay und Beaungenc an der überlegenen Kampfführung und dem Siegeswillen der Deutschen. Orleans, die Stadt der Jungfrau, mußte den Schritt der deutschen Regimenter hören und die Verfolgung führte Brandenburger, Hanseaten, Bayern. Pommern und Badenser im Westen bis Tours, Chartres und Le Maus, im Südosten über Dijon hinaus in die Berge des Jura bis an die Schweizer Grenze.
Es ist ein reiches Land, das sich vor unseren Truppen südlich der Seine breitet, der Garten Frankreichs mit wogenden Kornfeldern und lachenden Wiesen, wo sich Dorf an Dorf, Ferme an Ferme reihen.
Es wird sicher kein leichtes Fechten sein zwischen den Wegehecken, Gartenzäunen, Buschwäldern, die Uebersicht und Kampfführung erschweren. Aber unsere Armeen haben schon weit größere Schwierigkeiten bezwungen. Ihr Kampfesmut ist unaufhaltsam, ihr Siegeswille ungeheuer. Auch die Champagne wird sich diesem ehernen Ruf des Schicksals beugen müssen.
Die Wehrmacht Italiens
Die Friedensstärke des italienischen Heeres beträgt 300 060 Mann, doch ist diese Zahl seit Jahren stets überschritten worden, da ständig Reservistenjahrgänge unter den Waisen gehalten wurden. Die Kriegsstärke, die jetzt annähernd erreicht sein wird, ist 8 Millionen Mann; die Friedenseinteilung in 21 Armeekorps mit 81 Infanterie- und 14 Sonderdivisionen ist natürlich jetzt beträchtlich erweitert. Die Sonderdivisionen, eine Ncuschöp- jung der faschistischen Regierung, sind motorisierte Truppen, Panzer- und Alpenjäger-Divisionen.
Die Kriegsflotte, in ihrer Stärke darauf berechnet, die Stellung Italiens im Mittelmeer zu schützen, umfaßt 600 000 Tonnen Schiffsraum, wobei 129 U-Boote, die stärkste U-Boot-Flotte Europas, besonders bemerkenswert sind. Italien hat ferner sechs hochwertige und gefechtsstarke Schlachtschiffe im Dienst, zwei weitere im Bau. Die Schlachtflotte besteht aus den vier je 23 622 Tonnen großen Schlachtschiffen „Andrea Doria", „Caio Duilio", „Euilio Cesare", „Conte di Capour" und den beiden vor kurzem in Dienst gestellten 38 000 Tonnen-Schlachtschiffen „Littorio" und „Vittorio Veneto". Sie haben neben einer starken Mittel- und Flakartillerie eine Hauptbewaffnung von je zehn 32-Zentimeter- Geschützen und erreichen eine Geschwindigkeit von 32 Seemeilen; sie sind den drei gleichaltrigen Schlachtschiffen des französischen Mittelmeergeschwaders an Kampfkraft bedeutend überlegen. Ebenso schnell, aber bedeutend größer und stärker armiert find dagegen die beiden neuen italienischen 35 000-Tonnen-Schlacht- lchiffe „Littorio" und „Vittorio Veneto". Diese stellen überhaupt die zurzeit wohl stärksten und modernsten Schlachtschiffe der Welt dar; sie führen als Hauptartillerie neun 38,1-Zentimeter°Eeschütze und besitzen außerdem neben einer starken Mittelartillerie eine außerordentlich starke Flakbewaffnung.
Ferner besitzt Italien sieben Schwere, 14 Leichte und 12 Torpedokreuzer. Es kann sich rühmen, überhaupt die schnellsten Kreuzer der Welt zu haben. Einige erreichen eine Geschwindigkeit von 40—42 Seemeilen. Die Schweren Kreuzer verdrängen je 10 000 Tonnen und führen eine Hauptbewaffnung von je acht 20,3-Zenti- meter-Eeschützen. Die Leichten Kreuzer sind meistens 3000, 7000 und mehr Tonnen groß und tragen als Hauptbewaffnung acht bis zehn 18,2-Zentimeter-Geschütze. Die Torpedokreuzer sind neuesten Datums, haben eine Wasserverdrängung von je 3362 Tonnen, erreichen eine Geschwindigkeit von 41 Seemeilen und führen
neben der artilleristischen Hauptbewaffnung von je acht 13,5-Zen- timeter-Eeschützen acht Torpedorohre in Vierlingsaufstellung. Alle Schiffe tragen eine sehr starke Flakbewasfnung. Ueber 100 Zerstörer und Torpedoboote kommen hinzu.
Besonderen Wert hat Italien auf seine Luftwaffe gerichtet, die aus mehreren Luftarmeekorps besteht. Die Untergliederung der Armeekorps sind Luftdivisionen und -brigaden. Die Zahl der Flugzeuge erster Linie betrug im Jahre 1939 mehrere Tausend. Sie sind in vielen Gefechten bewährt und haben namentlich auch durch Eeschwaderflüge über dem Ozean ihre Tüchtigkeit gezeigt.
Notgelandete Besatzung im Kampf mU schwarzen französischen Trvppe»
Von Kriegsberichter Raimund Schulz
(PK.) „Aufklärung im Somme-Gebiet" — das ist unser Auftrag. Wir fliegen hinein in den Kampfraum an der Somme. Deutlich ist der Einbruch unserer deutschen Panzer und schnellen Kampfverbände im feindlichen Aufmarschgebiet an der Somme zu erkennen. Mit Wucht sind unsere Panzer tief in das Her; von Frankreich eingedrungen. Jetzt heißt es, den Feind zu fassen, wo er zu erblicken ist. In Wäldern halten sich versprengte feindliche Abteilungen verborgen. Vor allem schwarze Truppen. Unser Auftrag ist erfüllt, die zurückflutenden feindlichen Truppenteile sind festgestellt. Wir wollen nach dem Heimatflughafen zurück- fliegen. Während unseres Fluges sind wir dauernd unter Flak- und ME.-Beschuß. Plötzlich muß ein Treffer im linken Oel- und Benzintank sitzen. Der Funker meldet das Auslaufen des Oels und des Treibstoffes. Die Instrumente zeigen den plötzlichen Rückgang der Motorenkraft sofort an. Der Flugzeugführer muß de« Motor abstellen. Die Maschine schert aus dem Verband rechts aus, und weiter geht es nur mit einer Motorenkraft. Da auch der andere Motor getroffen ist, ist es nicht möglich, die Maschine mit einem Motor nach Hause zu bringen. Also „Notlandung". Wir fliegen südlich der Somme. Das Flugzeug verliert schnell die Höhe. Wir müssen hinunter. Wir suchen deutsche Truppe». Die deutschen Panzer und Kradschützen werden erkannt. Ei» Acker wird als Landeplatz ausgewählt. Unten wird gekämpft. Wir erkennen das Mündungsfeuer der Artillerie und der andere» Waffen. Die Landung wird glatt durchgeführt. Die Besatzung, ohne Verletzung, steigt aus. Schon eilen Kradschützen herbei, sichern den Raum um uns. Neger sind hier, vor denen sollen wir geschützt werden. Am Boden empfangen uns schon die schweren Brocken der Artillerie. Schnell werden Waffen, Munition und Geräte aus der Maschine ausgebaut. Ein Wagen bringt uns zur nächsten Dienststelle. Wir geben unsere Meldung sofort ab. Querfeldein geht dann der Weg, überall kann der Feind noch lauern. Es ist in der Zwischenzeit Mitternacht geworden. Wir wollen zurück zu unserem Geschwader. In der Dunkelheit liegt ein Dorf vor uns: a l t, h i e r s i n d n o ch S ch w a rz e", ruft es uns entgegen. Also wieder hinaus auf die Felder und über kleine und kleinste Wege zur nächsten Dienststelle. Mit großer Freundlichkeit nimmt man sich unser an. Hier liegen andere Aufklärer. lleberall solle» «och versprengte Schwarze stecken. Es wird 2 Uhr morgens, da komme» französische Bomber heran und bewerfen den Platz und Umgebung mit Leuchtbomben. Langsam pendeln diese an ihre» Fallschirmen zur Erde herab. Um 3.13 Uhr hören wir Alarmrnfe. „Schwarze sind in der Nähe." Jetzt heißt es Handel«. Wir packe» unsere ausgebauten Flugzeug-MGs. und eilen zur Sammelstelle. Eine ungeheure Schießerei scheint im Gange zu sein. Wir stellen uns sofort mit unseren MG.. z»r
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(Kartendienst Erich Zander, M.)