3. Seite Nr. 138

Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter*

Sa«»tag» de» IS. Juni ISIS

Nach Bordeaux weilergeflohen

Neuyork, 14. Juni. Wie die Columbia-Broadcasting Ty. aus Tours meldet, fiedelte die französische Regierung am Freitag nach Bordeaux über.

neynaud winselt um Hilfe

Er hat doch schon gemerkt, datz es ihm an den Kragen geht

Berlin, 14. Juni. Herr Neynaud, der noch im Mai erklärte, es sei genug geredet worden, es mutzten nunTaten" folgen,

> hat nie so viel geredet wie seitdem. Auch am Donnerstag wieder in der Nacht, da Paris preisgegeben werden mutzte stand er vor dem Rundfunk. Vier Stunden nach der Ankündigung mutz­ten die Hörer warten, dann vernahmen sie nach Mitternacht die zitternde Stimme mit dem Eingeständnis:Heute geht es um Las Leben Frankreichs!"

Unter einem Schwall greller Phrasen winselt der Kriegshetzer jetzt jämmerlich um Hilfe. Das Matz des Unglücks, das er über sein Land gebracht hat, scheint ihm noch nicht voll zu sein. Er wendet sich in einem schwülstigen Appell an dieanderen Demo­kratien",cs nicht bei halben Matznahmen zu lassen und den Krieg wciterzusiihren. Der Augenblick sei gekommen, Deutschland am Gelingen seines Planes zu hindern".

Herr Neynaud, der in der vordersten Reihe der Hetzer stand, die den Krieg mutwillig vom Zaun brachen, die nicht früher Frieden machen wollten, bis Deutschland zerstückelt worden sei und die Deutschen unter französischen Bajonetten vor Feldküchen Schlangen stehen miitzten, sucht jetzt, wo es ihm selbst an den Kragen geht, nach dem rettenden Strohhalm. Nachdem das deutsche Schwert seine übermütigen Träume zerschlagen hat, bietet er das Bild des winselnden Verbrechers, der jämmerlich um Mit­leid fleht.

Frankreichs Notlage verzweifelt"

Amerikanisches Urteil

Neuyork, 14. Juni. Unter der Ueberschrift:Franzosen der Er­schöpfung nahe unfähig, Paris zu verteidigen", gibtNeuyork World Telegram" eine längere United-Pretz-Meldung aus Tours ^ wieder, in der es heitzt, datz die Ausführungen eines Sprechers des französischen Kriegsministeriums keinen Zweifel mehr an der tödlichen Gefahr lassen, in der Frankreich sich zur Stunde befinde. Der Sprecher habe zugegeben, datz die seit acht Tagen unaufhör­lich verzweifelt kämpfenden französischen Truppen der Erschöpfung nahe und geordnete Rückzüge angesichts der gewaltigen Durch­schlagskraft des deutschen Angriffes vielfach nicht möglich seien.

Die Last auf den hundemüden Soldaten sei durch die Erweite­rung der Fronten vermehrt worden, weil kein» Möglichkeit be­stehe, Truppen aus anderen Abschnitten zur Entlastung der unter , ständigem Feuer befindlichen Leute herauzuziehen. Die franzö­sische Infanterie sei jetzt ohne Unterstützung motorisierter Ein­heiten den Angriffen der deutschen Panzerwaffe ausgesetzt, wäh­rend deutscherseits derartige Mengen frischer Truppen eingesetzt würden, datz zur Zeit jede französische Gegenoffensive aus­geschlossen sei.

Trotz Ankunft zahlreicher amerikanischer Bom­benflugzeuge hätten die Deutschen ihre Luft­überlegenheit aafrechterhalten. Kurzum, so folgert der amerikanische Korrespondent aus obigen französischen Aus­lassungen, Frankreichs Notlage sei genau so verzweifelt, wie Rey- naud sie in seinem Hilfsappell an Roosevelt schilderte..

London gleicht einer belagerten Stadt-

Spanische Berichts aus der englischen Hauptstadt

Madrid, 14. Juni.Ha" meldet aus London, datz die englische Hauptstadt immer mehr einer belagerten Stadt gleiche. Alle öffentlichen Gebäude seien mit Barrikaden und Stacheldrahtver­hauen umgeben. Wegweiser und Namen von Bahnstationen wur­den beseitigt. In der vergangenen Woche verließen 120 00V Kin­der London.

AB" meldet, England verfüge nach nenn Kriegsmonaten noch immer nicht über eine ausreichende Armee, viele junge Leute gingen spazieren, ohne überhaupt an die Wehrpflicht oder die j Wehrfähigkeit erinnert zu werden. Nach neun Kriegsmonaten - verfüge England nicht einmal über die Ausrüstung für die Sol­daten. Seit September 1030 kämen die englischen Rüstungsfabri­ken den ungeheuren Anforderungen eines solchen Krieges nicht mehr nach. Man habe den Krieg so lange frivol ausgenommen, bis das Wasser am Halse stand. In so vielen Reden hätten die Engländer den Krieg als bereits gewonnen bezeichnet.

Zu unseren Lebzelten rüchl-

Lindbergh hält Luftangriff auf Amerika für unmöglich

Washington, 14. Juni. Auf einer Konferenz vorwiegend iso- ' lationistischer Kongreßmitglieder sprach Oberst Lindbergh als Luftfahrtsachverständiger über die Bedeutung des Krieges in Eu­ropa für die USA. Hierbei drückte Lindbergh, Associated Preß zufolge, die lleberzeugung aus, datz die Vereinigten Staatenzu unseren Lebzeiten" nicht erfolgreich angegriffen werden können. Lindbergh, der seinerzeit in Grönland sechs Wochen nach geeig­neten Landungsplätzen für die Verkehrsslugverbindung nach Eu­ropa suchte, erklärte, die dortigen Verhältnisse seien für dis Fliegerei so ungeeignet, datz es albern sei, anzunehmen, irgend eine Nation, die in die Vereinigten Staaten einfallen wolle, könnte dort Stützpunkte für einen solchen Versuch errichten.

Zusammenstoß zwischen britischen und ägyptischen Truppen

Nom, 14. Juni. Zusammenstöße zwischen den britischen und den an der ägyptischen Westgrenze noch verbliebenen wenigen ägyptischen Kontingenten werden immer häufiger und heftiger. NachTribuna" kam es in einer Kaserne an der ägyptischen I Westgrenze zu Meinungsverschiedenheiten über Ausbildungs­angelegenheiten zwischen einem ägyptischen und einem britischen Offizier, wobei der Engländer seinen ägyptischen Kollegen kurzer­hand niederschoß. Sofort stürzten sich ägyptische Soldaten auf die Engländer, um den Tod ihres Vorgesetzten und Landsmannes zu rächen. Es gab zahlreiche Verwundete und Tote aus beiden Seiten.

England sucht Amerika in den Krieg zu ziehen

Washington, 14. Juni. Der Senat befaßte sich in einer außen­politischen Aussprache mit der britischen Propaganda in den Vereinigten Staaten. Der demokratische Se­nator Wheeler verlangte eine sofortige Untersuchung einer britischen Fünften Kolonne sowie die Tätigkeit gewisser Finanz­kreise der Wallstreet, die versuchten, Amerika in den euro­päischen Krieg zu verwickeln. Dem Senatsausschutz liege bereits seit einiger Zeit eine Entschließung des demokra­tischen Senators Clark vor, die die Untersuchung der Tätigkeit der Fünften Kolonne vorsieht. Auf eine Frage Wheelers, wes­halb der Ausschuß noch nicht Stellung zu dieser Entschließung nahm, bemerkte der demokratische Senator Holt sarkastisch, der britische Botschafter Lothian habe die Entschließung nicht gut- geheißen.

«3n der Gewißheit des Sieges"

Antworttelegegramm Viktor Emanuels an den Führer Herzliches Handschreiben des Duce

Berlin, 14. Juni. Der König von Italien und Kaiser von Aethiopien hat das Telegramm des Führers aus Anlaß des Kriegseintritts Italiens folgendermaßen beantwortet:

Ich bin Ihnen sehr verbunden für Ihr freundliches Gedenken und für die herzlichen Worte, die ich aufs lebhafteste erwidere in der Gewißheit, daß die ruhmreichen Armeen Deutschlands und Italiens unseren treu verbundenen Böllern mit dem Sieg ein immer größeres Glück sichern werden.

gez. Vittorio Emanuele."

Der Duce hat in einem herzlichen Handschreiben an den Führer das Telegramm des Führers beantwortet.

Wettecho zum Einmarsch in Paris

Jubel und Begeisterung auch in Rom

Rom, 14. Juni. Kaum war die Kunde vom Einmarsch der siegreichen deutschen Truppen in Paris in der italienischen Haupt­stadt bekannt geworden, als auch schon Extrablätter die froh« Kunde der Bevölkerung der Millionenstadt vermittelten, die hier allergrößte Freude und tiefsten Eindruck hinterlasfen hat. Jubel und Begeisterung erfaßte die Bevölkerung der Millionen­stadt, denn jeder deutsche Sieg ist auch ein Sieg Italiens, wie jeder italienische Sieg ein Sieg Deutschlands ist, das ist das eherne Gesetz der Achse, Extrablätter werden den Verkäufern buchstäblich aus den Händen gerissen. Jeder will den Wortlaut der großen Siegesnachricht aus dem Führerhauptquartier mit eigenen Augen sehen. Unbeschreiblicher Jubel beseelte die deut­sche Kolonie. Italiener umarmen ihre deutschen Freunde auf offener Straße. In italienischen militärischen Kreisen unter­streicht man insbesondere die Bedeutung des Satzes aus dem Führerhauptquartier vom Zusammenbruch der gesamten fran­zösischen Front zwischen dem Aermelkanal und der Maginotlinie bei Montmsdy.

Ungeheurer Eindruck in Schweden

Stochholm, 14. Juni. Die Meldung über den Einmarsch deut­scher Truppen in Paris wurde der schwedischen Öffentlichkeit durch Extrablätter der Stockholmer Zeitungen bekanntgegeben. Die Nachricht hat in der breiten schwedischen Öffentlichkeit tief­sten und nachhaltigsten Eindruck gemacht.

In militärischen und politischen Kreisen Schwedens unter­streicht man vor allen Dingen die ungeheure moralische Wir­kung, die der Fall von Paris auf die Reste der französischen Armeen und auf das gesamte französische Volk haben muß, sowie den gewaltigen prestigemätzigen und strategischen Erfolg der deutschen Waffen, der in der ganzen Welt stärksten Widerhall finden muß. Frankreich ist tödlich ins Herz getroffen, ist die über­einstimmende Auffassung aller urteilsfähigen schwedischen Kreise. Verstärkt wird der Eindruck der Nachricht für die schwedische Öffentlichkeit noch durch die Meldung über den Fall von Le Havre, zumal 'man die Einnahme dieses großen französischen Handels- und Kriegshasens durch die deutschen Truppen nicht so bald erwa.l.'te.

DRV. Preßburg, 14. Juni. Die Nachricht vom Einmarsch deutscher Truppen in Paris wird in der Slowakei als ein Er­eignis geschichtlicher Größe gewertet. Man freut sich aufrichtig über die einzigartigen Erfolge des Reiches.

DNB. Lissabon, 14. Juni. Allgemein wird daraus hinge- wicsen, daß es diesmal einWunder an der Marne" nicht geben werde, umso mehr, als die Reserven Frankreichs nur noch mini­mal sein dürften.

Parks

(y) Oberstleutnant a. D. Venary schreibt u. a.: Mit glei­cher Berechtigung, mit der man Paris Kopf und Hirn Frank­reichs genannt hat, mutz man die Stadt auch als Lebenszentrum des französischen Heeres anschen. Hier sind alle Zentralstellen der Wehrmacht untergebracht, hier laufen alle wichtigen Bahnlinien des Landes zusammen, so daß Militärlransporte kaum vom Westen nach Osten, von Süden nach Norden zu lenken sind, ohne ihr Weichbild zu passieren. Hier hat sich die Rüstungsindustrie mit Handfeuer-, Geschütz-, Munition-, Kraftwagen-, Flugzeug-, Motoren-, Pulver- und Sprengstoffwerken angesiedelt. Hier lie­gen die großen Flugplätze der französischen Luftflotte, die Ka­sernen einer überaus starken Garnison. Was aber Paris eigent­lich die letzte letzte Berechtigung nimmt, sich eine offene Stadt zu nennen, ist der Kreis der Befestigungen, die sie im Gegensatz zu den meisten Hauptstätten der Welt in weitem Rund um­geben. Der Zusammenbruch der ganzen französischen Nordfront hat die Absicht zunichte gemacht, Paris zu verteidigen. Paris wurde zur offenen Stadt erklärt und unsere Truppen konnten in Paris einmarschieren.

Die Erfahrungen von 1870/71 ließen die französischen Militärs den Bau einer dritten, wiederum um 35 Kilometer vorgescho­benen Befestigungslinie notwendig erscheinen. Sie umfaßte sieben Forts erster, 16 Forts zweiter Ordnung und gegen 50 Redouten und Batterien. Sie hatte bei 34 Kilometer von Norden nach Süden und 45 Kilometer von Osten nach Westen eine Länge von 124 Kilometer und umschloß einen Raum von 1200 Qua­dratkilometer. Die wichtigsten Werke wurden in drei befestigten Lagern zusammengefaßt: dem Nordlager bei St. Denis, dem Ostlager zwischen dem Ourcq-Kanal und dem rechten Seine- Ufer und dem Westlager auf dem linken Seine-Ufer rings um Versailles. Ein Teil des inneren Fortsgllrtels ist nach dem Welt­krieg aufgelassen worden. Den äußeren Fortgürtel hat man dagegen erhalten und neuzeitlich ausgebgut. Vor allem hat man die Luftverteidigung der Stadt durch zahlreiche Flakbatterieu vervollkommnet.

Gar manchen Kriegslärm hat die Stadt erlebt. In den Jahr­hunderten, da Frankreich zum Einheitsstaat heranwuchs, wech­selte sie wiederholt den Besitzer. 1420, im hundertjährigen Krieg gegen England, fiel sie in britische Hand. Vergebens suchte 1429 die Jungfrau von Orleans sie zu befreien. Erst 1436 eroberte sie Dunois für Karl Vll. zurück. Im Dreißigjährigen Krieg streif­ten die deutschen Reiterscharen Johann von Werths bis vor ihren Toren. 1814 fiel am 30. März an ihrem Rande, auf dem Montmartre die letzte Entscheidung über das Schicksal Napo­leons, zu der nach Gras Schließendie schlesische Armee und speziell das Korps Hork und neben ihm in edlem Wetteifer die preußische Garde das Beste tat". Am Tage darauf zogen die verbündeten Monarchen in die französische Hauptstadt ein. 1815 wurde die Stadt nach dem Siege von Velle-Alliance kampflos durch Blücher besetzt. 1870/71 wurde Paris am 19. September von sechs deutschen Armeekorps zunächst nur eingeschlossen. Am 27. Dezember wurde der Artillerteangriff auf ihre Südfront eröffnet und Anfang Januar auf ihre Nordfront ausgedehnt. Ehe es jedoch zu regelrechten Jnfanterieangriffen oder gar zum Jnfanteriesturm kam. hißte die Stadt, vom Lunaer bezwunoen.

am 28. Januar 1871 die weiße Flagge. In zahlreichen Aus­fällen, die vor allem zu schweren Kämpfen und Le Vourget und die Dörfer am Fuße des Mont Valerien führten, hatte während der ganzen Belagerungszeit sich die Besatzung vergebens L«ft zu machen versucht.

Im Weltkrieg hat Paris nur bei Bombenangriffen deut­scher Luftstreitkräfte und während der Fernbeschießung durch das deutsche Wundergeschütz aus dem Walde von CrSpy den Ernst der Lage zu spüren bekommen. Dagegen hat es als Lagerfestung eine bedeutsame operative Rolle in der Marneschlacht gespielt. Als der deutsche rechte Heeresflügel anstatt, wie Graf Schlieffen es beabsichtigt hatte, unmittelbar auf die Stadt zuzuhalten, ost­wärts an ihr vorbeimarschierte, stieß auf Vorschlag ihres Gou­verneurs, des Generals Eallleni, die in ihrem Bannkreis neu- ausgestellte Armee Maunoury gegen die rechte Flanke des deut­schen Westheeres vor. Nur die Aufmerksamkeit des Generals von Gronau, des Führers des rechten Flügelkorps, der die Ge­fahr rechtzeitig erkannte, und die Umsichtigkeit der Generale von Kluck und von Kühl, die die ihnen anvertraute Flügel­armee kurz entschlossen nach Westen hcrumwarfen, bewahrte es vor der drohenden Katastrophe.

Avenue des Tais" nennen noch heute die Pariser die große Ausfallstraße nach Osten, auf der die Kraftdroschken und Omni­busse in die Schlacht rollten, die General Gallien! für Teile der Armee Maunoury auf den Straßen von Paris beschlagnahm, hatte.

Jetzt branden die Kriegswellen wiederum gegen Paris vor. Ihre ersten Spritzer und Brecher erreichten sie, als um die Mit­tagszeit des 3. Juni deutsche Luftgeschwader auf die Flugplätze und Rüstungswerke in ihrem Umkreis Herabstiegen und ihre Bomben mit Donnerkrachen auf ihre Schlote und Hallen, auk ihre Rollfelder und die auf ihnen startbereit stehenden F-luo- zeuge prasseln ließen. Am 14. Juni erklang der Marschtritt der deutschen Bataillone in Paris, nachdem die französische O°: es- leitnng außerstande war, die Stadt zu verteidigen und das Schicksal Warschaus drohend bevor?e.:.d.

Bedeutung der Pariser Rüstungsindustrie

Berlin, 14. Juni. Mit Paris verliert Frankreich eines der wichtigsten Zentren seiner Rüstungsindustrie und der französischen Wirtschaft überhaupt. Trotz aller Dezentralisationsbestrebungen sind nämlich große Teile der französischen Rüstungsindustrie in und um Paris herum massiert geblieben.

So verliert Frankreich mit Paris rund die Hälfte der Kapazi­tät des Flugezugmotorenbaues und über die Hälfte der Erzeu­gung von Flugzeugzubehör. Von besonderer Bedeutung ist fer­ner, daß im Pariser Judustriebczivk über die Hälfte der Erzeu­gungskapazität von Kraftfahrzeugen und Panzerkampswagen kon­zentriert ist. Außerdem ist Paris der Standort wichtiger Spezial­industrien, so befindet sich der bei weitem überwiegende Teil der optischen und der Kugellagerfabrikation im Pariser Jndustrie- bezirk. Für die Produktionskrast des Landes wird sich ferner der Ausfall von rund der Hälfte der Erzeugungskapazität von Werkzeugen und Werkzeugmaschinen, die in Paris beheimatet ist, in empfindlichster Weise auswirken. Auch die chemische Industrie Frankreichs ist mit bedeutenden Werken im Pariser Jndustrie- bezirk vertreten. Schließlich verfügt Paris auch über Werke zur Herstellung von Waffen und Munition.

Da dis in Paris zentralisierten wehrwirtschaftlichen Behörden und Verwaltungsstellen entweder geflohen sind oder durch die Besetzung außer Tätigkeit gesetzt werden, ist der gesamte wehr­wirtschaftliche Führungsapparat in Verwirrung geraten und zu großen Teilen außer Funktion. Es ist ferner damit zu rechnen, datz der Ausfall des rund sechs Millionen Menschen zählenden Pariser Jndustriebezirks die Produktionskraft der in der franzö­sischen Provinz gelegenen Industrien schwer beeinträchtigen wird, da das Fehlen der Lieferungen bestimmter Pariser Spezialwerke die weitere Produktion in anderen Werken lahmlegt. Der Verlust des Pariser Industriezentrums ist jedenfalls eine entscheidend« Schwächung der französischen Wirtschafts- und Rüstungskraft.

Gespräche mit gefangenen Elsässer«

In höchster Sorge um die evakuierten Familien von Offizieren mit Pistolen zum Weiterkämpfen gezwungen Macht schnell ein Ende"

Von Kriegsberichter Edgar Vissinger

(PK.) In kleineren und größeren Trupps kommen aus oer Straße von Noyon nach St. Quentin französische Gefangene da- her. Meist sino sie nur von einem Radfahrer oder einem Motor­radfahrer begleitet. Mehr deutsche Begleitmannschaften sind selten erforderlich, denn die Franzosen, die hier in deutsche Gefangen­schaft ziehen, machen keine Schwierigkeiten mehr. Nur Farbige müssen scharf bewacht werden, da sie oft in heimtückischer Weise noch Angriffe auf deutsche Soldaten versuchen.

Eben kommt wieder ein Trupp von 50 Franzosen an, die sich bemerlcnswerterweise im Gegensatz zu den übrigen Trupps als hochgewachsene, teilweise blonde, stattliche Menschen zeigen. Wir fragen nach ihrem Herkommen und erhalten sofort in deut­scher Sprache Auskunft. Es sind Elsässer, meist Arbeiter und Landwirte aus der Straßburger Gegend. Sie gehören einem Nescrveregiment Nr. 624 an, das in Epinal ausgestellt wurde und das, wie sie sagen, zu 80 v. H. aus deutschsprechenden Elsäs­sern besteht. Das Bataillon, dem sie anqebüren. ist mit ein- geschlosjen worden.

Wir fragen sie nach ihren Berufen, nach Herkommen und ihren Gedanken über den Krieg. Ihre erste Gegenfrage ist:Wann können wir unseren Familien >chreiben? Dies bewegt sie besonders, da sie seit Kriegsausbruch weder Urlaub gehabt haben noch irgendwie anders Frau und Kinder sehen konnten, denn diese sitzen unnter erbärmlichsten Verhältnissen als Evakuierte in Südfrankreich.

Ihre Meinung über den Krieg geht einstimmig dahin, daß die deutsche Wehrmacht hundertmal besser ist als die französische, und daß sie hoffen, im Eefangenelager besser be­handelt zu werden als von ihren eigenen Offizieren. Man hat ihnen nur stockfranzäsische Offiziere gegeben und keine Elsässer.

Wir haben mit diesem Krieg nichts zu tun. Der geht nur die Pariser Regierung an, die damit Geld verdienen wollte." Bei den Gefechten hätten ihre Ossiziere voller Mißtrauen mit ge­zogenen Pistolen hinter ihnen gestanden und sie so zum Weiter­kämpfen gezwungen.

Es sind viele, viele ältere unter ihnen, die sich noch gut an die Zeit erinnern können, da sie noch zum Deutschen Reich gehörten. Damals wurden wir viel anständiger behandelt und nicht immer zurückgesetzt. Die Franzosen haben uns mit ihrem ewigen Miß­trauen ganz verrückt gemacht." Auf unsere Frage, was sie denn vom neuen Deutschland Adolf Hitlers wißen, sagen sie:Das kennen wir ganz gut. Wir haben doch über den Rhein geschaut!"

Sie hätten sich gern noch länger mit uns unterhalten, aber es geht nicht, denn immer neue Gruppen von Gefangenen treffe» ein, so daß eine Verstopfung der Straße vermieden werden muß. Aber bevor sie weitergehen, ruft uns noch einer von ihnen zu: M acht schnell ein Ende, wir wollen wieder nach Hause." (nsk.1