z. Seite Nr. 111
Ragolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Mittwoch, den 15. Mai 194l>
Auch sie werden ihr vernichtendes Feuer erössnen
Bei dem großen Kamps, der nun an Deutschlands Westgrenze eingeleitet wurde, dürfen auch die schwersten deutschen Waffen, wie diese schweren Eisenbahngeschütze, zum Einsatz kommen.
Scherl Btlderdtensi, Zander-Mulltpl.-K.
Belgischer Querschnitt
Belgien ist seit jeher ein Durchgangsland in der europäischen Geschichte gewesen. Die verschiedensten Kulturen haben sich im flämisch-wallonischen Raum gekreuzt, und französische, deutsche, englische und spanische Einflüsse haben ihre Spuren hinterlassen. Selbst in zwei Völker gespalten — in Flamen und Wallonen —, -ie auch heute noch wie in all den Jahrhunderten vorher fast unverändert durch die gleiche Sprachgrenze getrennt sind, nahm das Land fremde Einflüße bereitwillig auf, verarbeitete sie und behielt doch immer das eigene selbständige Leben. Belgien war oft das Schlachtfeld der europäischen Heere und in den Zeiten zwischen den Kriegen war es ein Vermittler im friedlichen Austausch der materiellen und geistigen Güter der europäischen Nationen. Das hat sein Antlitz geformt, hat dem kleinen Land zugleich auch in der europäischen Politik immer wieder eine Bedeutung verschafft, die weit über seine eigentliche Größe hinausragt.
Achteinhalb Millionen Menschen sind in Belgien auf einem engen Raum zusammengedrängt. Wer die Statistik nachschlägt, erfährt, daß dort 266 Menschen auf den Quadratkilometer entfallen, das ist bei weitem mehr, als in dem doch immerhin dicht besiedelten Deutschland. Die geographischen Verhältnisse Belgiens sind uns allen, die wir den Weltkrieg an der Front oder in der Heimat erlebten, gut bekannt und auch der Heranwachsenden Generation sind aus dem Schulunterricht Namen wie Antwerpen, Brabant, Flandern, Hennegau, Lüttich, Limburg, Luxemburg, Namur, Brüssel, Gent, Brügge, Löwen und Ostende zu feststehenden Begriffen geworden.
Zwischen Nordsee, Schelde und Maas dehnt sich das belgische Land aus. Wenn man von Brüssel her gegen Norden durch die weite unendliche Ebene Flanderns fährt, bis zu dem Dllnen- gürtel, hinter dem die große Unendlichkeit des Meeres beginnt, fragt man sich, ob dieses Land nicht ein einziger großer Garten ist. So fragt man in Limburg, in Brabant, in der hügeligen Landschaft des Hennegau. Jeder kleine Fleck Erde ist benutzt. Aber man findet keine Felder und Wiesen, die in ihrer Endlosigkeit am Horizont verschwimmen. Nein, Feldstück reiht sich an Feldstück, Wiese an Wiese, umgrenzt von Hecken, von Vaum- reihen, von Gräben, die mit hohen Pappeln gesäumt sind. So reiht sich Dorf an Dorf, Stadt an Stadt. Kaum endet oft der eine Ort, so beginnt schon der andere, und alle liegen sie im Zeichen des fleißig bebauten Bodens.
Im Süden und Südwesten aber findet dieser große flandrische Garten seinen Abschluß in dem Industriegebiet, das sich von Lüttich her über Namur bis in das Land der Vorinage hinzieht. Das ist das dunkle Kohlenland. Wahrlich, hier sieht man ein anderes Gesicht als in den lieblichen Ebenen von Brabant. Die Dörfer und Städte sind schwarz von Rauch und Ruß. Spitz und kahl ragen die Schlackenberge in den Himmel, der oft so trübe über diesem Kohlengebiet hängt. Wie eine Reihe von Vulkanen drohen die Schlackenberge und dazwischen steigen die Fabrikschlote wie hochragende Finger in die Luft. Dahinter aber, weiter nach Süden zu, hinüber in das kleine Luxemburg, beginnt noch einmal eine andere schönere Landschaft. Durch die Felsen der Ardennen schlängelt sich da die Maas. Dort hat Belgien seine großen Wälder und seine idyllischen Täler. Wälder und Heide gibt es aber nicht nur in diesen südlichen Landstrichen, sondern auch noch im flämischen Kempenland an der holländischen Grenze. Noch vor wenigen Jahren fand man dort ein stilles, verträumtes Fleckchen Erde, bis man die Kohle entdeckte, die in mächtigen reichen Flözen tief unten im Boden liegt. Nun wird auch hier die Kohlenindustrie die Herrin des Landes. In dem Viereck zwischen den Städten Lüttich, Brüssel, Antwerpen und Maeseyk entwickelt sich ein neues großes belgisches Industriegebiet.
Auch von den Flüssen muß man sprechen, wenn man das Gesicht dieses Landes zeichnen will. Sie find die Adern, durch die das Blut strömt. Wenn sie zu schlagen aufhören, so erlischt auch das Leben. Brügge war einst eine stolze Handelsstadt, aber als der Fluß und der Hafen versandeten, schwand auch der Glanz dieser Metropole des mittelalterlichen Handels. Breit und mächtig fließt die Schelde, die eine Fülle von Reichtum und Lebenskraft nach Antwerpen trägt. Wenn man den Wert dieser belgischen Flüsse richtig begreifen will, muß man an einem Morgen durch die Hafenbetriebe iabren und muß leben, wie die rieliaen
Ozeandampfer den breiten Strom heruntsrkommen. Zu den großen Wasseradern gehören auch die vielen Kanäle, die die einzelnen Wirtschaftszentren des Landes kreuz und quer verbinden. Erst vor wenigen Jahren ist mit dem Albert-Kanal ein Werk geschaffen worden, das den Lütticher und Kempenschen Jndustriebezirk für die Großschiffahrt erschließt und damit das Innere des Landes näher an das Meer heranbringt.
Die wirtschaftliche Struktur Belgiens wird durch die beherrschende Stellung gekennzeichnet, die sich die Industrie und der Bergbau erobert haben. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist in industriellen Betrieben und in den Kohlenzechen tätig. Der Bergbau fördert vor allem Steinkohle. Riesige Läger ziehen sich am Nordrand der Ardennen hin, bei Mons. bei La Lou- viere und Charleroi und weiter östlich an der Maas bei Ar- denne, bei Huy und Lüttich. Seit einigen Jahren kommt das Kohlengebiet des Kempenlandes mit den Erubenorten Beerin- aen, Winterlag-Waterscheyde und Eysden hinzu. Die Industrie ist sehr vielseitig. An der Spitze stehen die Hüttenwerke im Hennegau und im Maastal. Da die eigenen Erzlager heute fast erschöpft sind, ist die Eisenindustrie weitgehend auf die Verarbeitung fremder Erze angewiesen. An die Hüttenindustrie schließt sich eine bedeutende Stahlwarenfabrikation an, der Hennegau produziert Glas, Lüttich und Charleroi sind führend im Elektorwesen. Die chemische Industrie, die Herstellung von Kunstseide, die Textilfabrikation sind bis zur Höchstform ausgebildet. Bereits im Mittelalter waren die flandrischen Tuche geschützt. Wichtig ist auch die Wollindustrie bei Vcrviers, die Leinenindustrie im westflandrischen Lysgebiet und die Spitzenfabrikation in Brügge.
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. Holland
Geographisch, politisch und wirtschaftlich beleuchtet
So unbedeutend die Niederlande mit ihrer Oberfläche von etwa 41000 Quadratkilometern auf der Landkarte erscheinen mögen, sH wichtig sind sie im Eesamtrahmen der europäischen Verkehrs-, Handels- und Wirtschaftspolitik. Holland besitzt das Mündungsgebiet des Rheins, der Maas und der Schelde und beherrscht damit die wichtigsten Binnenschiffahrtswege von Mittel- und Westeuropa. Aus diesem Besitz und aus der verkehrs- geographischcn Gunst der Verhältnisse hat sich das Land zur
LveitpeLeutung entwickelt. Man denke nur daran, daß Holland in Niederländisch-Jndien eine Kolonie besitz, die den Umfang des Mutterlandes um das Fllnfundfllnfzigfache übertrifft. Aus den Erträgnissen der Schiffahrt, aus den Produkten der überseeischen Kolonien und aus einer intensiven Nutzung des eigenen europäischen Erundgebiets hat sich der holländische sprichwörtliche Reichtum im Laufe der Jahrhunderte ergeben.
Große Teile Hollands liegen tiefer als der Meeresspiegel. Seit dem Mittelalter währt der Kamps mit dem Meer, das weite Strecken des Landes überflutet hatte. Schritt für Schritt wurde in mühseliger Arbeit Meter um Meter fruchtbaren Tieflandes erobert. Das geschah durch die Aufwerfung von Deichen, Dämmen und Dünen, und da, wo heute das sog. Polderland reiche Ernten liefert, dehnte sich früher das Meer. Die geschicht- ltch denkwürdige Tat der Trockenlegung der Zuider-See im Mai 1932 liegt in der Linie dieser Kulturarbeit. Heule ist das Land gegen den Einbruch der Wassermassen geschützt; Kanäle durchziehen sumpfige Strecken und entwässern sie; Kanäle ziehen sich kreuz und quer durch das holländische Gebiet und vermitteln den Verkehr; Kanäle sind im inländischen Wirtschaftsleben eine Kraftquelle für Staat und Volk geworden.
Die Küste der Niederlande ist infolge einer fortdauernden Senkung stark zerschnitten. Große Meeresbuchten, der Dollart und die südholländisch-seeländischen Mündungstrichter der großen Flüsse greisen tief in das Land ein. Das ganze holländische Flußsystem ist vollständig eingedeicht und zum Teil kanalisiert. Die meisten Flußläufe sind gegen die See durch Schleusen abgeschlossen, so daß man in Holland von offenen und geschlossenen Flüssen spricht, lleberall da, wo diese Abschließung der Flüsse aus schifffahrtstechnischen Gründen nicht erfolgt, dringt die Flut weit in die offenen Flußbetten ein, die infolgedessen die Auf- und Ab- Lewegung der Eezeitenströme lebhaft mitmachen.
Die Bevölkerung Hollands, die sich im Laufe einer jahrhundertelangen Entwicklung zu einer geschlossenen Nation zusammengefunden hat, setzt sich nach Sprache und Abstammung hauptsächlich aus den germanischen Stämmen der Friesen, Franken und Sachsen zusammen. Ein Viertel der etwa neun Millionen Einwohner wohnt in den vier größten Städten des Landes: Amsterdam, Rotterdam, Haag und Utrecht. Die durchschnittliche Dichte von 240 Menschen pro Quadratkilometer wird in Europa nur von Belgien und einzelnen gesonderten Industriegebieten übertroffen.
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Die deutsche Westgrenze
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Holland und Belgien