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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Freitag, den 3. Mai 1910
Wettere Dokumente aus dem neuen deutschen Weißbuch
So wurde von Koht gearbeitet
Das Außenministerium Oslo, den 17. Februar 1610.
Streng vertraulich!
Zusammenarbeit zwischen Finnland und England.
Norwegens Stellung.
Herr Staatsminister!
Ich beehre mich, mitzuteilen, daß die Gesandtschaft in Stockholm in einem vertraulichen Bericht vom 16. dieses Monats salzendes mitgeteilt hat:
Ich habe aus zweiter Hand von Oberst Vratt in Erfahrung gebracht, daß man erwarte, daß morgen ein Abkommen zwischen England und Finnland getroffen wird. Es wird angenommen, daß die englische Voraussetzung davon ausgeht, gleichzeitig Truppen in Bergen, Dronthcim und Narvik zu landen. Man glaubt, daß Churchill unter Berücksichtigung der Angstsituation im Oeresund und der Schwierigkeiten, die ein größerer Teil der deutschen Flotte haben wird, die Durchfahrt ins Werk zu setzen, diese Aktion so schnell wie möglich durchführen will.
Für den Außenminister: gez. O. Tostrup.
Schwedens klare Haltung
Das Außenministerium. Oslo, den 17. Februar 1910
Streng vertraulich!
Der Krieg Finnland — Sowjetunion. . '
Schwedens Stellung.
Herr Staatsminister!
Ich habe die Ehre, mitzuteilen, daß die Gesandtschaft in Stockholm in einem vertraulichen Bericht vom 18. dieses Monats folgendes mitgeteilt hat: Nach einem Ausspruch, der heute nachmittag von einer Stelle innerhalb des schwedischen Außenministeriums gefallen ist, soll nichts eigentlich Neues in dem Verhältnis eingetroffen sein, das bereits seit einiger Zeit geherrscht hat, nämlich daß Finnland darauf hinweist, daß es notwendig ist, militärische Hilfe zu bekommen, und daß man von schwedischer Seite versuchen will, die freiwillige Hilfe zu vergrößern, aber an der Neutralität festzuhalten.
, Für de» Außenminister: gez. O. Tostrup.
Dramatischer Ministerrat
Protokoll der norwegische» Regierungskonserenz am 2. März um 18.00 Uhr
Der Außenminister teilte mit, daß der englische Gesandte heute um 18.00 Uhr hatte wissen lassen, daß die alliierten Truppen Hilfe für Finnland senden wollen, und daß in diesem Falle der Durchmarsch durch Norwegen und Schweden geschehen müsse. Diese Ankündigung war eine vorläufige. Es sollte eine formelle Ankündigung mit der Anfrage wegen des Durchmarsches später gegeben werden, nachdem von hier aus eine vorläufige Antwort erteilt worden war. Der Außenminister hatte geantwortet, daß diese Sache auf jeden Fall, und nachdem sie innerhälb der Regierung geprüft und auch vom Auswärtigen Ausschuß behandelt worden sei, dem Storting vorgelegt werden müsse, denn ohne dessen Zustimmung könnten Truppen fremder Mächte nicht das Land passieren. Auch der französische Gesandte hatte den Außenminister ausgesucht und gab die Unterstützung seiner Regierung für das Ersuchen Englands kund.
Der Außenminister hatte mit dem schwedischen Außenminister konferiert, und der Staatssekretär Bull soll nun heute abend nach Stockholm reisen, um an Ort und Stelle den Standpunkt der schwedischen Negierung kennen zu lernen und über die Form iür die Antwort auf die Anfrage der englischen Regierung zu »erhandeln.
Der Außenminister brachte einen Entwurf für die Antwort an England vor. Die Antwort weist auf die neutrale Stellung der norwegischen Regierung hin und hält an dieser fest. Die norwegische Regierung will sich nicht freiwillig in den europäischen Krieg hineinziehen und das Land zum Kriegsschauplatz für die Truppen der Großmächte machen lassen.
Der Staatsukiuisier war mit dieser Antwort einverstanden, Torp ebenfalls. Wenn aber die englischen und französischen Truppen dennoch kämen, solle» wir uns da mit Protest begnügen oder Vorkehrungen treffen, um den Durchmarsch zu verhindern. Koht meinte, daß wir uns begnügen müßten, zu protestieren — wir sollten uns nicht so einstellen, daß wir aus falscher Seite in den Krieg hineinkommen, wenn wir es nicht vermeiden können, hineingezogen zu werden.
Lie: Wir müssen aufmerksam sein, daß auch hinterher noch etwas kommt. Wenn nun England keine Hilfe nach Finnland schickt, weil sich Schweden und Norwegen dem Durchmarsch entgegengestellt haben, was dann? Kann es nicht ein politisches Spiel sein, um die Verantwortung für Finnlands Niederlage auf Norwegen zu schieben? Bull sollte nicht mit einem fertigen Standpunk abreisen. Wir müssen eine engültige Stellungnahme zu der Sache am Montag treffen. Koht: Einverstanden. Wenn Schweden mitgeht, können wir dem nicht entgehen.
Hindahl: Der Staatsminister hat es so aufgefaßt, daß, wenn Bull reisen soll, er den Standpunkt der norwegischen Regierung mitnehmen möge, aber natürlich, um ihn mit der schwedischen Negierung zu überprüfen. Es gehen Friedensgerüchte um, und sicherlich ist etwas an diesen Gerüchten. Sie haben in den letzten Tagen feste Form erhalten.
Das, was hier vorliegt, kann ein diplomatischer Zug sein, um zu verhindern, daß in Finnland Frieden wird — ein Versuch, die Front der Alliierten auszuweiten. Lassen wir uns daraus ein, so sind wir im Krieg sowohl mit Rußland wie Deutschland. Ich meine, wir müssen nein antworten und sogar nein antworten, wenn Schweden sich entschließt, ja zu lagen. Es find gespannte Verhältnisse in Schweden, und es läßt sich denken, daß Schweden nun ja sagt.
Torb teilte mit, daß auf der Versammlung der Internationale Leon Blum gesagt hätte, daß Truppen in Frankreich bereitständen und nach Finnland reisen wollten, nachdem von dort darum gebeten war, und daß eine Million norwegischer Kronen aufgekauft worden sei, um hier die Versorgung sicherzustellen. Blum sprach aus, daß dies der Standpunkt des Senats sei. Wir müssen uns den Ausweg offen halten, ja zu antworten am Montag, selbst wenn wir jetzt nein antworten, wenn Schweden ja sagt. Eine so wichtig; Angelegenheit sollte mit dem Zentralausschuß durchgegangen werden, ehe wir zum Auswärtigen Ausschuß gehen.
Koht: Wir müssen unseren Standpunkt Schweden Mitteilen, uns aber die Möglichkeit offen lassen, Schweden zu folgen, wenn sie ja sagen. Man sagt, daß die französische Regierung geteilter Ansicht ist, falls die nordischen Regierungen nein antworten. Bezüglich der Friedensgerllchte weiß ich, daß in der dänischen Negierung zwei Richtungen vorhanden sind. Da ist eine Fraktion, die der Ansicht ist, daß Finnland einen Frieden auf der Grundlage der russischen Forderungen schließen sollte. Eine nordische Friedensaktion wird vermutlich in Rußland gut ausgenommen werden, nicht aber ein deutscher Vorstoß in dieser Richtung. Auf Anfrage von Wold teilte Koht mit, daß der Grund dafür, daß Schweden Finnland nein antwortete, der war, daß Schweden nicht in den Krieg der Großmächte hineingezogen werden wollte.
Ljungberg meinte, wir sollten die Lage lieber zu düster als zu hell ansehen. Sagt Schweden ja, so müssen wir dasselbe sagen. Die politische Lage in Italien ist gespannt. Sie hat uns darauf vorbereitet, daß wir nicht fest damit rechnen können, von dort Kriegslieferungen zu bekommen.
Lie: Wir müssen nicht Gefahr laufen, daß auch die schwedische Regierung gegebenenfalls auf den Standpunkt der norwegischen Regierung verweisen und sagen kann, da können wir auch nicht.
Hjelmtveit: Der Staatssekretär reist mit dem Standpunkt der norwegischen Regierung, der mit der schwedischen Regierung behandelt werden soll. Wir müssen den Standpunkt einnehmen: Gemeinsam Vorgehen und uns die Möglichkeit offen halten, am Montag endgültig Stellung zu nehmen. 2m übrigen ganz einverstanden mit dem Staatsmiuister.
Wold: Wir müssen unsere eigene Entscheidung treffen, aber endgültig erst, nachdem wir mit Schweden verhandelt haben.
Der Staatsminister betonte, daß unser Standpunkt bei den
morgigen Verhandlungen in Stockholm klar zum Ausdruck kommen müßte. Der Staatsminister teilte die Angelegenheit telephonisch an den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses mit: die Regierung hält es für absolut notwendig, den Auswärtigen Ausschuß sofort über die Lage zu unterrichten. Hambro antwortet, daß er erwägen wolle, den Ausschuß für morgen eia- zuberufen.
Referat, ausgenommen von Staatsrat Hjelmtveit.
Nachbemerkung des Ministerpräsidenten
Persönlich möchte ich hinzufügen, daß der Beschluß, ein auf die britische Anfrage zu antworten, einstimmig war; die Voraussetzung war jedoch, daß die Frage erneut geprüft werden sollte, falls Schweden wider Erwarten ja antworten sollte.
Ich möchte ferner erwähnen, daß einige Regierungsmitglieder von aktivistischer Denkweise recht infiziert waren: „Wir sollten militärisch teilnehmen, um Finnland zu helfen und damit Norwegen zu retten." Ich habe auf das Bestimmteste erklärt, diese Auffassung nicht teilen zu können, und mich so ausgedrückt, daß das Land, solange ich Staatsminister bin, nicht freiwillig in den Krieg gehen würde.
PS.: Sonntag, 3. 3.!
Staatssekretär Bull hat aus Stockholm mitgeteilt, daß Schweden schon Samstag nein geantwortet habe.
lgez.j H. Nygaardsvold.
Fortsetzung der MeLallspende!
Auch die Bevölkerung kann weiter Metalle abgeben
Der Reichsbeaustragte für Metalle, Berlin, teilt folgendes mit:
Bekanntlich wird die Sammlung von Metallen, wie sie im Rahmen der Metallspende des deutschen Volkes abgeliefert wurde, seitens der Behörden und der gewerblichen Wirtschaft fortgeführt. Es werden hierfür in jedem Bezirk bis auf weiteres Sammelstellen offengehalten, die durch die zuständigen Gemeinden bekanntgegeben werden. Die Bevölkerung, die noch Metalle wie Kupfer, Nickel, Bronze, Zinn, Blei, Messing und Neusilber abgeben will, kann dieses auch bei den für Behörden und Wirtschaft eingerichteten Sammelstellen Lun. Die entsprechenden Dankesurkunden sind bei den Sammelstellen ebenfalls weiterhin vorrätig! sie werden wie bisher bei Ablieferung ausgegeben.
— Langemarck-Studium. Begabten-Förderung und Leistungssteigerung haben im Kriege ihre besondere Bedeutung und Berechtigung. Das Langemarck-Studium öffnet auch im Jahre 1910 jedem fähigen jungen Deutschen den Weg zur Hochschule. Bewerbungen für die im November 1910 beginnenden Lehrgänge sind über die Partei, ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände bis einschließlich 5. Mai an die örtlichen Lehrgänge des Langemarck-Studiums zu richten.
— Bürokräfte für die Ostgebiete, Die Aufbauarbeit in den eingegliederten Ostgebieten erfordert dringend den Einsatz weiblicher Vüroangestellter in privaten und öffentlichen Betrieben und Verwaltungen. Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit des Bedarfs an weiblichen Jugendlichen in diesen Gebieten wird ihnen die Befreiung vom Pflichtjahr zugestanden, sofern sie mindestens ein Jahr dort tätig sind.
— Reichsbahn pflanzt Hagebutten. Seit längerer Zeit wird an dem Problem der Vitamin-C-Versorgung gearbeitet. Es ist nur wenig bekannt, daß die deutsche Wildrose (Hagebutte) das Acht- bis Zehnfache des Vitamin-C-Eehalts der Zitrone und der Orange enthält. Die Reichsarbeitsgemeinschaft „Ernährung aus dem Welt" stellt nun der Reichsbahnlandwirtschaft 100 000 Wildrosenpflanzen zum Anbau zur Verfügung. Diese Wildrosenanpflanzung dient nicht nur der Hebung der Volksgcfundheit, sondern wird auch als Schnee- und Windschutz und Vahnkörper- sicherung an den Böschungen willkommen sein.
— Lehrgang über Süßmostbereitung. In Weinsberg findet vom 6. bis 11. Mai ein sechstägiger Lehrgang über Süßmost- bereitung statt. Teilnehmer können noch ausgenommen werden, wenn sie sich alsbald bei der Weinbauversuchsanstalt in Weinsberg anmelden.
— Der Ofen als Kühlschrank. Wir sind froh darüber, daß jetzt die Zeit kommt, wo die Oefen nicht mehr geheizt zu werden brauchen. Wir freuen uns, denn wir haben weniger Arbeit und weniger Schmutz. Aber auch im Sommer sind Oefen nicht nutzlos. Gut gereinigte Oefen stellen behelfsmäßige Kühlschränke dar. Wir bewahren Lebensmittel darin auf, die wir mit Ccllophan- oder ähnlichem Papier zudecken. Wenn der Schornsteinfeger kommt, nehmen wir sie vorher heraus.
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(67. Fortsetzung.)
„Nein, mein Kind!" Stürmisch zog sie es an sich und küßte es in der überströmenden Freude ihres Herzens. „Weh? Nein, nein! Ich freue mich so! Ich bin so glücklich!"
* *
Am nächsten Tag hatte Anne Walthaus keine Ruhe. Gramer hatte ihr nichts über Karner berichten können, denn er hatte gespielt, ohne ihn zu sehen. Da trieb es sie mit unwiderstehlicher Gewalt nach dem Verwaltungsgebäude. In ihrer Seele war immer noch Sorge, und sie hoffte, daß eine Aussprache mit Karner sie befreien würde.
Das Empfangszimmer fand sie wieder wie einst von Menschen gefüllt. Vornehmlich waren es Journalisten, die erwarteten, von dem Generalbevollmächtigten der Werke, von Hallendach, etwas Genaueres über Karner zu erfahren.
Anne wurde sofort oorgelassen.
Sie fand Hallendach tiefernst vor, zusammen mit dem Sekretär Heinze, der eben Instruktionen von Hallenbach erhielt.
Bei ihrem Eintritt erhob sich Hallenbach und reichte ihr stumm die Hand.
„Die Sorge um unseren Herrn Karner treibt Sie her, Fräulein Anne?"
Hastig nickte das junge Mädchen.
„Nur das! Kann ich ihn sehen . . . und sprechen?"
.Traurig schüttelte der Hüne den Kopf. „Nein, es geht nicht. Seien Sie damit zufrieden, daß uns der große Karner erhalten geblieben ist, und wünschen Sie nicht, ihn jetzt zu sehen."
„Warum nicht, Herr Hallenbach?" fragte sie voll geheimer Angst.
»Weil . . . Herr Karner gelähmt ist!" sagte er mit weg- gewandtem Gesicht.
Gelähmt! Sie begriff das harte Wort nicht und starrte chn an in wortlosem Entsetzen.
Hallenbach sah, wie furchtbar seine Eröffnung auf Anne wirkte, und es tat ihm weh, er bereute, daß er es ausgesprochen hatte.
„Fräulein Anne, wir müssen die Zähne zusammenbeihen und stark sein . . . und glauben. Es ist die traurige Wahrheit, was ich Ihnen sagte. Aber wir wollen hoffen, daß Herr Karner bald wieder gesund vor uns steht."
Sie nickte krampfkMft. Aufschreien hätte sie können in ihrem maßlosen Schmerz, aber sie zwang sich, denn sie sah, wie der hühnenhafte Mann vor ihr litt.
„Sie . . . hoffen . . .?" fragte sie leise.
.„Felsenfest! Herr Karma ist jetzt mit dem indischen Arzt Abade bei ihm. Warten Sie, Fräulein Anne, bis sie zurückkommen. Fragen Sie dann! Ich wage es nicht, denn ich fürchte, sie könnten meine Hoffnung erschlagen. Vielleicht spricht Karma zu Ihnen."
Anne blickte stumm und atmete auf. Sie setzte sich, während Hallenbach weiter Heinze instruierte.
Noch nie hatte Anne das Warten, Minute um Minute, Stunde um Stunde, so hart empfunden wie an diesem Tage.
Ihr Herz schlug heftig, als nach dreistündigem Warten der Inder Karma mit dem Arzt Abade, einem kleinen vertrockneten Männchen von uraltem Aussehen, in das Zimmer trat.
Karmas Antlitz war unbewegt wie immer, während auf des Arztes Zügen eine gewisse Befriedigung lag.
Auch als Karma das junge Mädchen grüßte, änderte sich sein starres Gesicht nicht.
Anne kämpfte mit sich. Sie wollte fragen, aber das ernste Wesen Karmas ertötete das Wort, den Willen in ihr.
Hallendach sah den Kampf des Mädchens, sah ihren hilfesuchenden Blick. Er nickte ihr aufmunternd zu und verließ plötzlich mit Heinze das Zimmer.
Da faßte sich das Mädchen ein Herz und fragte: „Darf .ich . . . Herrn Karner sehen?"
Doch Karma schüttelte den Kapf. „Es geht nicht, Fräulein Walthaus," sagte er dann herKicher, als man es ihm zugetraut hätte.
„Wie geht es ihm, Herr Karma?"
Karma warf dem Arzt einen fragenden-Blick zu. Abade nickte.
„Sie brauchen um sein Leben keine Sorge mehr zu haben."
Anne nickte glückselig, dann aber:ckam die Angst wieder.
„Und . . . und wird er wieder . . ganz gesund werden, wie er früher war?"
Wieder fragte Karmas Blick den Arzt, und wieder nickte Abade.
„Es ist anzunehmen, daß Herr Karnes: setzne alte Gesundheit
wiedererlangl. Heute ist er noch gelähmt . . . aber Bruder Abade hofft, daß er nach seiner Behandlung bald seine Gliedmaßen wieder gebrauchen kann Bis zur vollen Gesundung . . wird es vielleicht sehr, sehr lange dauern."
Da überwältigte die Freude Anne so heftig, daß sie in ein heftiges Schluchzen ausbrach. Sie vermochte nicht, den Tränen Einhalt zu gebieten.
Als sie sich endlich wieder gefaßt hatte, trafen sie die ernsten Augen Karmas.
„Sie . . . lieben Bruder Karner?"
Sie erschrak unter dieser Frage, aber sie vermochte nicht zu lügen und stammelte hilflos: „Ich . . . liebe ihn!"
Härter schienen des Inders Züge zu werden.
„Werden Sie stark genug sein, um zu verzichten, Anne Walthaus."
Sie hörte das Wort wie in halber Betäubung. Hart schlug es an ihr Ohr: Verzichten!
„Das Werk des großen Karners ist noch nicht vollendet. Sie dürfen ihm nicht in den Arm fallen, Anne Walthaus."
Da richtete das junge Mädchen die leuchtenden Augen auf den Inder und sagte fest: „Ich will ihm dienen! Nur dienen, damit er sein großes Werk vollende."
Heiliger, eherner Wille war in dem schlicht gesprochenen Wort, dem aller Pathos fehlte, so daß der Inder dankbar ihre Hand nahm und sie drückte.
„Anne Walthaus!" sagte er sehr ernst. „Sie tragen das Härteste! Aber ihre Augen sind stark'wie die unseres Bruders Karner. Ich will glauben, daß Sie das Größte vermögen."
Dann war Anne allein.
Als Hallenbach, der draußen mit dem Arzt Abade noch ein paar Worte gewechselt hatte, wieder vor ihr stand, hatte sie ihre Fassung wieder gefunden.
„Jetzt ist uns beiden wohler, Fräulein Anne!" sagte Hallendach herzlich. „Gott sei Dank! Mir ist ein Stein vom Herzen. Jetzt macht es mir wieder Freude zu schaffen. Gottlob!"
Sie nickte noch ganz verwirrt und strich das Braunhaar aus dem freudeverklärten Gesicht.
„Wenn ich ihn pflegen dürfte!" sagte sie inbrünstig.
Hallendach schüttelte den Kopf. „Das hat Karma verboten. Frau Heyse versorgt Herrn Karner. Der Arzt hat ihr selbst alle Anweisungen gegeben. In den nächsten acht Tagen werden wir alle Herrn Karner nicht sehen. Nur Frau Heyse darf zu ihm."
„Haben Sie. . . Herkn Karner gesehen?" fragte Anne leise. (Fortsetzung folgt.)