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Nr. 56
Mittwoch, äen 6. März 1940
114. Jahrgang
Der neueste britische Mvateristreich
Engländer beschlagnahmen italienische Schisse mit deutscher Kohle
Amsterdam, 5. März. Der britische Vlockademinister Crstz gab im Unterhaus bekannt, daß bereits zwei italienische Dampfer, die seit Montag den Hasen von Rotterdam mit deutscher Kohle für Italien verlasse« haben, von England als „Prisen" aufgebracht wurden.
Auf die Frage eines Abgeordneten, ob es Tatsache sei oder nicht, daß deutsche Kohle auf italienischen Schiffen über Rotterdam exportiert werde, antwortete der Minister: Das hat nun aufgehört. Alle deutsche Kohle, die über Rotterdam nach italienischen Häfen ausgeführt werde, würde jetzt als Prise angehalten.
Reuter meldet aus London, daß die beiden italienischen Frachtschiffe in die Downs zur Konterbande-Kontrollstation geleitet seien. Die Namen der beiden Schiffe sind „Orata" und „Loafsa".
Berechtigtes Aufsehen in Rom über die Ausbringung der italienischen Kohlendampfer
DRV. Rom, 5. März. Die Nachricht, daß die beiden italienischen Kohlendampfer „Orata" und „Loassa" von den Engländern nach einem englischen Hafen aufgebracht worden find, ist in der italienischen Hauptstadt erst in den Abendstunden bekanntgeworden und hat in hiesigen Kreisen berechtigtes Aufsehen erregt. „Giornale d'Ztalia" veröffentlicht die Mitteilung des englischen Vlockadeministers Croß in seiner Spät-Abendausgabe auf seiner ersten Seite und in großer Aufmachung.
Echo zum italienischen Protest
Für die Neutralen geht es um das Recht, zu leben!
Wenn die Geschichte nicht lügt, so schreibt das „Regime Fas- cista" hierzu, dann haben die totalitären Staaten niemals ekw zs auf dem Kontinent besessen, noch fordern sie dort etwas, während England die Freiheit von Guayana, der Falklandinseln, Kanadas, von Honduras, von Neufundland, Labradors und Westindiens gewaltsam unterdrückt hat. Die uruguayische Presse hat gegen das Manifest der britischen Weltbeherrscher energischen Protest erhoben. So stellt der „Monitor" offen die Frage, ob England vielleicht die Unversehrtheit Palästinas schütze, wo >es die Araber hinmorde, ob es vielleicht die Unversehrtheit Indiens oder etwa die brutal niedergemetzelten Buren geschützt habe.
Eine deutlichere Antwort konnte den Engländern nicht erteilt werden, schreibt das Cremonenser faschistische Blatt. Die versuchte Verführung der Neutralen erntete schreienden Mißerfolg. LLer immer in der letzten Zeit dem Worte Londons glaubte, sei elend zugrunde gegangen. Die Erinnerung an den Weltkrieg sei noch zu frisch; damals wie heute beteuerte England seine Uneigenulltzigkeit, und nach dem Weltkrieg stahl es Millionen Quadratkilometer an Gebieten und steckte Millionen Menschen ein, die den Versprechungen zuviel Glauben geschenkt hatten. Und wenn man das Wort Humanität erläutern wollte, das so häufig über die Lippen der britischen Regierungsmänner fließe, dann genüge es, einen Blick auf die Weltkarte zu werfen: Ein paar Millionen Engländer hielten 400 Millionen Untertanen unterjocht.
Blockade mit „einigen Lücken"
Amsterdam, 5. März. Nach einer Londoner Reutermeldung hat Lloyd Georges in einer Rede auf die Schwächen Englands im Wirtschaftskrieg hingewicsen und dabei wörtlich ae-
sogt: „Meiner Ansicht nach find wir an einer lebenswichtigen Front nicht vollständig vorbereitet, und das ist die Lebensmittelversorgung. Wenn man die Blockade Deutschlands mit der des letzten Krieges vergleicht, so war Deutschland damals von uns vollständig umringt. Jetzt hat Deutschland die Hintertür offen. Die Seitentüren sind auch offen. Deutschland hat mit Rußland, Italien und Rumänien spezielle Verträge für den Austausch von Lebensmitteln." Abschließend richtete Lloyd Georges in ähnlicher Weise wie Chamberlain einen Aufruf an die englische Landbevölkerung, die Erzeugung von Lebensmitteln zu erhöhen. Nach einer Meldung des „Daily Herald" hat der Minister für wirtschaftliche Kriegführung, Croß, in einer Unterhauserklärung ebenfalls zugegeben, daß die Blockade „einige Lücken" aufweise. Anscheinend merken nun auch maßgebende Vertreter der englischen Politik, wie sehr sie sich verrechnet hatten,^ als sie glaubten, das nationalsozialistische Deutschland mit den Waffen des Wirtschaftskrieges aushunge-n und bezwingen zu können.
Der Wehrmachtsbericht
Lebhaftes Artilleriefeuer zwischen Mosel und Pfälzer Wald Aufklärungsflüge über Ostfrankreich
Berlin, 5. März. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
Zwischen Mosel und Pälz er Wald teilweise lebhafteres Artilleriefeuer und beiderseitige Spiihtrupptätig- keit.
Wie bereits durch Sondermeldung bekanntgegeben, hat ein von Fernfahrt zuriickgekehrtes ll - Bootdie Versenkung von 30 000 VRT. gemeldet.
Die Luftwaffe setzte am 4. März 1940 trotz ungünstiger Wetterlage ihre Aufklärungsflüge über Ostfrankrerch fort.
Rom, 5. März. „Die eindeutige und energische Stellungnahme Italiens hat die Westmächte in die Klemme gebracht" — „Italiens überaus entschlossene Sprache hat die Gesetzwidrigkeit der englischen Maßnahmen ins rechte Licht gerückt" — „Paris tröstet sich mit dem Gedanken, daß zwischen Italien und Frankreich kein Eentlemen's Agreement besteht" — diese mehrspaltigen Ueberschriften der Blätter verkünden deutlich genug, daß es Italien mit seinem Protestschritt bitter ernst meint und daß dieser Protest, so willkommen er den Neutralen kam, den Pluto- kratien ein Dorn im Auge ist.
Noch klarer wird die Lage? wenn man die Londoner Berichte des halbamtlichen „Giornale d'Jtalia" verfolgt, wo klipp und klar festgestellt wird, daß die italienische Protestnote sich nicht nur auf die Sperre der deutschen Kohle n§us- fuhr beziehe, sondern die vielfältigen englischen Rechtsverletzungen betreffe. Die Engländer seien auf dem Holzwege, wenn sie glaubten, daß die italienische Note nur das ein- sache Ziel der Ersetzung deutscher Kohle durch englische und der Art der italienischen Ausfuhr durch eine andere im Auge habe. „Die Note wirst die überaus schwere und nicht nur für Italien, sondern für alle Nichtkriegführenden lebenswichtigen Punkte auf, die Frage des Rechtes, mit den Kriegführenden und Neutralen Handel zu treiben und in Verbindung zu stehen, d. h. zu leben."
New York, 5. März. Der italienische Protest gegen die angekündigte englische Kohlenblockade wird in der gesamten USA.- Presse stärkstens beachtet, zumal er gegen das ganze Blockadesystem einschließlich der Postdiebstähle gerichtet ist und Probleme berührt, die zu wiederholten Protesten auch der USA.-Regierung geführt haben.
Belgrad, 5. März. Die italienische Protestnote wird von den jugoslawischen Blättern an erster Stelle veröffentlicht. Sie hat in politischen Kreisen Belgrads allerstärksten Eindruck gemacht.
10000-Tonner torpediert
Einer der größten und neuesten englischen Tankdampfer Amsterdam, S. März. Der englische Tankdampfer „Charles F. Meyer" (1VS1K VRT.) wurde am Montag abend im Aermelkanal torpediert. Das Schiff ist nach einer heftigen Explosion gesunken. Englische Zerstörer und Flugzeuge, die aus die Notsignale herbeieilten, kamen zu spät. Die „Charles F. Meyer" war eines der größte» und neuesten Tankschiffe. Sie wurde im Jahre 1938 bei Blohm L Voß in Hamburg für die Oil Tankers Limited in Hongkong gebaut.
England verlor noch 12VV0 Tonnen
Amsterdam, 5. März. Wie aus London gemeldet wird, ist der ">glische Tankdampfer „El Eiervo" (5481 BRT.) im Atlantik nach einer Explosion gesunken. Das Schiff befand sich mt einer Ladung Oel auf der Fahrt von Trinidad nach London. Außerdem ging an der englischen Westküste der britische Dampfer „Pacific Reliance" (6700 BRT.) unter. Die Besatzung wurde in Cornwall an Land gebracht.
Versuchte Verführung Neutraler
Uruguay sollte gegen die „totalitären Staaten" kämpfen Mailand, 5. März. In Uruguay wurde ein Propaganda- "bschuß für Großbritannien gebildet, der an die Bevölkerung on Montevideo einen Aufruf gerichtet hat, in welchem aufgefordert wird, an dem heiligen Kreuzzug an der e,te Englands zum Schutze der Freiheit und des von " totalitären Staaten bedrohten Rechts teilzunebmen.
Fortschritte dev Russen
auf der Karelischen Landenge — Festung Tromgsund genommen
DNB. Moskau, 6. März. Auf der Karelischen Landenge haben die Sowjettruppen, wie der Heeresbericht des Militärbezirks Leningrad vom 4. 3. mitteilt, die Insel lluransaari mit Dorf und Festung Uuraa (Tromgsund), die Znsel Tejkarinsaari und die Flecken Hcinlahti, Vilajoki und Muhulahti am Westufer des Wiborger Meerbusens besetzt. Mit der Festung Uuraa seien den Russen drei Batterien weittragender Geschütze und anderes Kriegsmaterial in die Hände gefallen. Von den andere« Frontabschnitten werden keine besonderen Ereignisse gemeldet. Die sowjetische Luftwaffe führte Feindslüge durch und griff militärische Ziel« der Finnen an.
Der russische Druck hält an
Aus dem finnischen Heeresbericht vom Montag
Helsinki, 5. März. Ein Versuch der Russen, auf der westliche» Seite der Karelischen Landenge die Wiborger Bucht zu überschreiten, sei, wie der finnische Heeresbericht vom 4. März mitteilt, abgewiesen worden. Weitere russische Angriffe richteten sich gegen Aeyräpää, Pitkäranta und in Richtung zwischen Wiborger Bucht und Vuoksen, die von den Finnen aufgehalten werden konnten. Auf der östlichen Seite der Landenge herrschte besonders bei Taipale lebhaftes Artilleriefeuer auf beiden Seiten. Auch bei Kollaanjoki fanden den ganzen Tag über Kämpfe statt. In Richtung Kuhmo melden die Finnen die Eroberung eines russischen Stützpunktes. Die Kämpfe dauern an. An der Petsamofrant hätten sich die Russen in der Nähe von Nautst etwa 3 Klm. nördlich zurückgezogen.
Balkanvölker haben nichts vergessen!
„Prawda" brandmarkt erneut die Kriegsausbeutungspläne der Plutokratien
Moskau, 5. März. Die Moskauer Presse beschäftigt sich weiter eingehend mit den Intrigen der Westmächte auf dem Balkan und im Nahen Osten. Die Neutralität der Balkanstaaten — so schreibt „Prawda" in einer außenpolitischen Betrachtung — rufe äußerste Unzufriedenheit in den Kreisen des englisch-französischen Kriegsblockes hervor, der mit allen Mitteln und Kräften daran arbeite, den Kriegsschauplatz in Europa zu erweitern und neue Armeen und Hilfsvölker als Kanonenfutter für seine Zwecke in Dienst zu stellen. Obgleich die gegenwärtige Situation sich von Grund auf von der Lage während des Weltkrieges unterscheide, versuchten die Westmächte ihre bewährte „Methode" des wirtschaftlichen Druckes der Drohung und der Diversionen gerade auf dem Balkan aufs neue zur Anwendung zu bringen. Dre britische „Garantie" für Rumänien und Griechenland betrachte man in London nur als Vorwand, um sich in die inneren Verhältnisse der Balkanstaaten einzumischen. Die englischfranzösische Diplomatie stoße jedoch, wie das Blatt weiter erklärt, in ihren Bestrebungen auf dem Balkan auf ernstliche Hindernisse. Die Balkanvölker hatten die bitteren Erfahrungen des Weltkrieges nicht vergessen und schenkten den britischen Einflüsterungen wenig Gehör, während die handelspolitischen Positionen Deutschlands, als des wichtigsten wirtschaftlichen Partners aller Balkanstaaten, durch die Umtriebe der Westmächte keineswegs erschüttert werden könnten.
Teillösung wäre Verrat!
Aufruf Pandit Nehrus zur Einigkeit in der Frage der indischen Unabhängigkeit
DRV. Amsterdam, 6. März. Am indischen llnavhiingig- leitstage richtete Pandit Nehru einen eindringlichen Ausruf an das indische Volk, einig zu sein in der großen Frage der indischen Unabhängigkeit.
In diesem Ausruf, der in der Zeitung „Indian Times" veröffentlicht wurde, wird u. a. gesagt, in der letzte« Zeit stifte die Presse große Verwirrung an durch Vermutungen und Andeutungen über die Möglichkeit einer Einigung zwischen England und Indien. Diese Zeitungen legten Nichtigkeiten großen Wert bei und verlören große grundlegende Tatsachen aus den Augen. Der Kongreß sei immer zur Beilegung von Konflikte« bereit, da Friede dem Krieg vorzuziehen sei, aber der Friede könne nicht durch Preisgabe von Idealen und Zielen erreicht werden.
Pandit Nehru führte weiter aus, der Konflikt sei keine Angelegenheit einzelner Persönlichkeiten, seine Ursache liege in der Entwicklung der Dinge. Die Ministerien würden erst znrücktre- ten, wenn das ganze gegenwärtige indische Negierungssysteul geändert und Zndigps Unabhängigkeit anerkannt worden sei. Indien, so fährt Pandit Nehru fort, werde erst dann endgültig zur Ruhe kommen, wenn diese Befriedung auf der Grundlage der indischen Unabhängigkeit und dem Recht, sich die Verfassung nach freiem eigenem Wille« zu gestalten, geschehen könne.
Pandit Nehru sagte zum Schluß: „Jede Schlußfolgerung, die
nicht auf diesen Grundlagen beruht, ist falsch. In dieser Zeit der großen Umwälzungen wäre es Verrat an der indischen Sache, sich mit einer teilweise« und vorübergehenden Lösung der indischen Frage abzufindeu".
Demonstrationen im Bombay
130 000 indische Arbeiter streiken
Kabul, 5. März. In Bombay haben am Dienstag 130 000 Textilarbeiter die Arbeit niedergelegt. Von den 68 Fabriken werden dadurch 60 betroffen. Die Arbeiter und Arbeiterinnen versuchen, eine Erhöhung ihrer Hungerlöhne um 15 v. H. durch- zndrücken.
Trotz der scharfen englischen Zensur sickern Nachrichten durch, wonach die Erregung unter der indischen Arbeiterschaft über die brutale Ausbeutung durch die britischen Geldsäcke und über die hartnäckige Verweigerung einer auch nur halbwegs angemessenen Bezahlung stark gewachsen ist. Es kam erneut, wie schon vor wenigen Monaten, zu Demonstrationen. Die Leiter dieses Massenstreiks geißelten in ihren Reden die bekannte Tatsache, daß die Löhne noch nicht einmal ausreichen, die Familien der Arbeiter zu ernähren, während die englischen Textilkönige Dividenden bis zu 300, ja sogar 400 v. H. einstecken.