?. Seite — Nr. 23
Ragolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Samstag, den 27. Januar 1S4g
wkrd leer, die Augen der Gäste lösen sich vom Bannkreis der Riesenlampen und blicken durchs Fenster in den Alltag, dessen Pflichten und Freuden drei todgeweihte Menschen durch das überlegene Können eines Mannes zurückgegeben wurden, hinter dessen eleganter und sicherer Overations- methodik außer einer angeborenen ärztlichen Genialität auch der ganze Arbeitsernst eines echt deutschen Gelehrten» fieißes steht.
Die Hochzeit wird gefilmt
Ein junge Schmalfilmlehrerin erzählt...
Von Dietrich A. Ruhle
Wenn wir heute die Bilder aus alten Familienalben betrachten, geschieht es mit einem leisen Lächeln. Aus den meisten Bildern spricht eine Angst vorm Objektiv, eine Furcht, den richtigen Moment der Aufnahme zu verpassen, die den „Abkonterfeiten" etwas Unnatürliches gibt. Da find die Bilder von den jungen Brautpaaren im Hochzeitsstaat: der Mann posiert würdevoll, und die Braut hat ein festgefrorenes Lächeln im Gesicht, aus dem nicht ein Funke des Glückes spricht, das man in diesem Augenblick zu sehen erwartet.
Im Film können wir nun heute den Menschen in allem, in seinem Lächeln, in seinen Bewegungen, seiner Gestik, festhalten wie er ist. Und die junge Braut von heute kann, wenn sie ihre Hochzeit filmen läßt, ihren Enkelkindern noch — einige Jahrzehnte später — in Bild und Ton, schwarz- weiß oder farbig, vorführen, wie sie, die Großmama, seinerzeit mit ihrem Auserwählten leichtfüßig die Treppen zum Standesamt heraushüpfte, in dem sie getraut wurde.
Die Schar der Amateurfilmer ist in den letzten Jahren gewaltig gewachsen, sowohl derjenigen die beim Filmen künstlerische und wissenschaftliche Interessen verfolgen, wie die breitere Schicht derjenigen, die von Reisen oder anderen frohen Anlässen lebende Bilder als Erinnerung mit nach Hause bringen wollen. Was aber macht ein begeisterter Schmalfilmer, der gern seine eigene Hochzeit auf das Zelluloid für seine Kinder oder ferne Verwandte bannen möchte?
Hier springt der Kundendienst verschiedener Berliner Film- und Photogeschäfke rettend ein. Fachleute dieser Geschäfte übernehmen die Ausnahmen vor dem Standesamt und der Kirche, und das Hochzeitspaar hat dre Garantie, wirklich gute und geschmackvolle Aufnahmen zu erhalten.
„Uebrigens braucht man, wenn man sich filmen lassen will, durchaus nicht selbst eine Kamera zu besitzen, da wir diese auch verleihen bezw. die Ausnahmen mit unserer eigenen Kamera machen", so belehrt uns die Angestellte eines dieser Photogeschäfte
Die junge Dame macht für ihre Firma solche Aufnahmen. „Alles in allem kostet so ein „Hochzeitsfilm" ungefähr fünfzig Mark. Für das Vorführen dreses fertigen Films kann man sich ebenfalls einen Projektionsapparat leihen. Die Aufträge, Hochzeiten zu filmen, sind in der letzten Zeit sehr häufig geworden. Die Länge der Filme ist hierbei durch die „Handlung" gegeben, bei 8 Millimeter Schmalfilm rechne ich 45 Meter, klm den Film interessanter zu gestalten, photographiere ich auch den Kirchturm, die klhrzeit und ' laste nach der Feier von dem Kirchendiener noch einmal feierlich die Kirchentür abschließen ... Das sind so Kleinigkeiten, die später den Schnitt des Films recht amüsant machen."
Aber das Filmen von glücklichen Brautpaaren ist nur ein Teil des Aufgabengebietes dieser jungen Berlinerin: viel häufiger muß sie als Schmalfilmlehrerin fungieren. Da die Kunden mit den neugekauften Filmapparaten oft zuerst nichts anzufangen wissen, sind sie dankbar, wenn ihnen in der Praxis gezeigt wird, wie man wirklich gut filmt.
! Natürlich geschehen manchmal den Anfängern auch komische Sachen. So glaubte z. B. ein frischgebackener Filmkamerabesitzer besonders effektvolle Aufnahmen zu machen, wenn er die Kamera nicht senkrecht, sondern waagerecht hielt (so wie man es beim Photoapparat auch macht, wenn man Hochkant-Bilder haben will). Der Erfolg war natürlich verblüffend: bei der Vorführung liefen auf der Leinwand die Personen statt von links nach rechts usw. von unten nach oben, so etwa als wollten sie eine senkrechte Wand hochklettern!
Bekanntlich ist in dem Preis der 15 oder 20 Meter langen Filmrolle auch gleich der Entwicklungspreis inbegriffen. Die abgedrehten Filmrollen werden also zur Entwicklung wieder an die Fabrik zurückgesandt. „Was wir allerdings dann oft zurückbekommen, ist durchaus noch kein fertiger Film, sondern ein oft zusammenhangloser Streifen mehr oder weniger geglückter Stellen", erzählt die Schmalfilmlehrerin. „Mit Schere und Klebeapparat muß ich dann erst ein wenig Ordnung in das Bildgewimmel bringen. Viele Kunden erleichtern mir die Arbeit, indem sie mir aus Zetteln gleich angeben, wo die einzelnen Szenen spielen, also zum Beispiel „Haus am Wannsee", „Geburtstagsfeier bei Familie Müller". ..Ein Skiausflug nach Earmisch" und so fort.
An der Handlung, die ja jeder Film, wenn auch in noch so versteckter Form, haben muß, hapert es meistens. Aber neben diesen Anfängerarbeiten gibt es auch Aufgaben, die einem besondere Freude bereiten. So hatte ich kürzlich aus Schmalfilmmaterial (dessen Länge ungefähr der Filmlänge entsprach, die an einem Kinoabend vorgeführt wird) einen Film über eine Reise nach Brasilien und über die dortige Diamantgewinnung zusammenzustellen. Das Material war von einem deutschen Geschäftsreisenden ausgenommen worden, der für seine Fabrik dort Rohdiamanten aufgekauft hatte und so begeistert von dem fertigen Film war, daß er beschloß, von seinem Betrieb, in dem Diamanten für technische Zwecke verarbeitet werden, auch einen Film zu drehen."
^ Auch für einen im Felde weilenden Vater ist es eine Freude, seinen Sprößling wenigstens einmal auf der Leinwand wiederzusehen. Eine junge Frau, deren Mann, ein begeisterter Schmalfilmamateur, tn einer fernen Stadt Polens als Soldat Dienst tut, „belauschte" listig mit der Kamera die ersten Gehversuche ihres Erstlings. Den fertigen Film, der sehr hübsch geworden, sandte sie an den glücklichen Vater, der in der nächsten Stadt in dem Photogeschäft eines Deutschen einen Vorführavparat auftrieb und seinen Kameraden bald seinen Sprößling auf der Leinwand vorführsn konnte.
Vuntes Allerlei
Neunköpfige Zigeunerfamilie erfroren
Unweit der böhmischen Ortschaft Hotowitz ist eine neunköpfige Zigeunerfamilie der starken Kälte zum Opfer gefallen. Die Zigeuner hatten trotz verschiedener Warnungen ihrer Stammesangehörigen bei heftigem Frost im Freien ihr Zelt aufgcschlagen. Sie behaupteten, durch jahrelanges Ueberwintern im Freien gegen jegliche Kälte abgehärtet zu sein. Die Behauptung erwies sich aber als Irrtum — am nächsten Morgen erschien kein einziges Familienmitglied mehr vor dem Zelt. Als man Nachschau hielt, zeigte es sich, daß die gesamte neunköpfige Familie über Nacht erfroren war.
Sechs Generationen Fleischermeisier
In dem Berliner Ortsteil Neukölln feierte jetzt ein Schlächtermeister sein löjähriges Berufsjubiläum, dessen Vorfahren schon seit 200 Jahren alle das gleiche Handwerk auriiüten. Der jetzt 70jährige Earl Wessely erzählte, daß schon sein Ururgroßvater, der als gebürtiger Böhme um seines Glaubens willen die Heimat verlassen mußte, sich unter Friedrich Wilhelm I. in der Nähe Berlins ansiedclte, zu einer Zeit, als noch niemand daran dachte, daß das kleine malerische Dörfchen Rixdorf weit draußen vor den Toren Berlins einmal ein großer Stadtteil der Millionenstadt Berlin werden würde. Durch sechs Generationen vererbte sich immer wieder das Handwerk vom Vater auf den Sohn, und auch der Sohn vom alten Wessely, der jetzt als Polizeiwachtmeister in Polen Dienst tut, ist natürlich schon seit langem Fleischermeister. Tradition im dcuischen Handwerk, wie sie ganz gewiß noch in vielen Hunderten deutscher Hand- werkersamilien fortlebt.
Sturm wirft einen Zug um
Die abnorme Wetterlage dieses Winters ist auch in ganz Italien spürbar geworden. Sie wirkte sich in weiten Teilen besonders durch ungeheure Stürme aus, die zum Teil erhebliche Verwüstungen angerichtet haben. Man hat festgestellt, daß der Nordwind eine Geschwindigkeit von über ISO Kilometer pro Stunde entfaltete, wobei die Temperaturen meist zwischen 8 und 10 Grad , Kälte lagen. In der Gegend zwischen Triest und Fiume wurde ein?7iiterzug mit sieben Waggons buchstäblich vom Sturm umgeworfen, wobei der Zugführer beträchtlich verletzt wurde, in Fiume selbst wurden vier Wagen durch den Luftdruck umgeworsen.
30 Wölf e treiben „Vorratswirtschaft"
Ein verblüffender Vorfall hat sich dieser Tage in Nordgriechenland in dem Dorf Klissura in Mazedonien zugetragen. Durch die außergewöhnliche Kälte brachen Wolfsrudel in verschiedenen Dörfern von Mazedonien und Westthrazien ein. Diese Wölfe griffen im Dorf Klissura nun einen Stall an und zerfleischten dort ein Pferd und einen Ochsen. Als die Dorfbewohner sie mit Heugabeln und Stöcken bewaffnet vertrieben, gerieten die Wölfe an einen Stall, wo sich ISO Ziegen befanden. Es gelang ihnen,
IS dieser Tiere von den übrigen zu isolieren und sie vor sich her nach dem nahen Fluß Aliakmon zu jagen. Mit Verblüffung sahen die nachfolgenden Bauern, wie die Wölfe die verängstigten Ziegen zwangen, mit ihnen über den Fluß zu schwimmen. Die Ziegen weigerten sich zwar hartnäckig, in den Fluß zu gehen, wurden aber von den Wölfen am Hals gepackt und in das Wasser gezerrt, während andere nachfolgende Wölfe die Beute am Umkehren hinderten und sie durch Bisse vorwärts trieben. Wölfe wie Ziegen schwammen durch den Fluß, während die Bauern aus der Ferne ohnmächtig dieser seltsamen Art des Raubes zusehen mußten.
Der kranke Angeklagte
Ein Vudapester Kriminalbeamter wurde dieser Tage in die Wohnung eines Textilwarenagenten geschickt, um ihn zu einer Gerichtsverhandlung zu holen. Er fand an der Tür des Angeklagten ein Schild vor mit den Warten: Ich liege krank im
Bett und bitte, sich in jeder Angelegenheit an den Hauswart zu wenden. Unverrichteter Dinge mußte der Bebmte wieder ab- ziehen. Das Gericht gab sich jedoch nicht zufrieden und sch-ckte einen Arzt zu dem Patienten. Er traf ihn wirklich im Bett liegend an. Der Kranke war leichenblaß und berichtete unter lautem Gejammer, daß er an einer Lungenentzündung leide. Der Arzt fackelte nicht lange. Er meldete dem Gericht: „Der Patient ist zwar sehr blaß, aber das kommt von einer dicken Schminke, mit der er sein Gesicht überzogen hat" Als ein Kriminalbeamter darauf abermals zu dem „Patienten" kam, hatte er schon wieder rosige Wangen. Weil er sich außerhalb jeder Gefahr glaubte, hatte er sich bereits abgeschminkt. Sicherheitshalber wurde der Kranke diesmal sofort in Haft genommen.
Löscht Wein einen Brand?
Wenn die Frage gestellt wird, ob Wein einen Brand löscht, dann ist nicht gemeint, ein Brand in der Kehle, ein durstiger Hals, sondern ein Brand mit richtigen Flammen, vernichtend, zerstörend. Als in Kalifornien in einer großen Weinkellerei ein Feuer ausbrach und kein Wasser in erreichbarer Nähe war, mußte sich der Feuerwehrhauptmann in größter Eile die Frage vorlegen, ob man mit Wein löschen könne. Denn Wein war genügend vorhanden. Man machte jedenfalls den Versuch und hatte mit Rotwein einen überraschend guten und schnellen Erfolg.
Hochzeit durch Diebstahl finanziert
Kann man auch ohne Geld Hochzeit machen? Man kann es, aber der junge Mann, der in Sichcrlsdorf in Böhmen seine Braut heiraten wollte, glaubte, eine Hochzeit, auf der es nicht hoch herginge sei keine Hochzeit. Da er selbst kein Geld hatte, stahl er bei einer günstigen Gelegenheit einen Vmrag von rund 800 RM. Das hätte für eine flotte Hochzeit gerade gereicht, — wenn man ihm nicht unmittelbar nach seiner Tat auf die Spur gekommen wäre. Nun wanderte er gleich für ein Jahr ins Gefängnis und kann darüber Nachdenken, ob eine Hochzeit ohne Geld nicht besser gewesen wäre.
Kleine medizinische Rundschau
Verachtet nicht die Apfelschale l
Wer nicht aus irgend welchen anderen Gründen den Apfel geschält essen muß, der gewöhne sich daran, seine Aepfel lieber mit der Schale zu genießen. Und zwar aus dem einfachen Grunde, weil der Vitamingchalt der Apfelschale mindestens sechsmal so groß ist, wie der des Fruchtfleisches in der Nähe des Kerngehäuses! In Zeiten einer geringeren Vitaminzufuhr, insbesondere also mit Winterausgang, sollten sich die Menschen hüten, nur geschälte Aepfel zu verspeisen. Ganz im gleichen Sinne sollte sich die Hausfrau auch davor scheuen, Möhren zu stark zu schaben, da auch hier die größere Vitaminmenge in der Schale sitzt!
Kalte Füße, die große Gefahr des Winters
Mit allem Nachdruck mutz immer wieder darauf hingewiesen werden, daß ein großer Teil der Erkältungskrankheiten seine Ursache in den kalten Füßen des Krankheitsträgers zu suchen hat. Bestehen doch ganz eigenartige Beziehungen zwischen kalten Füßen und dem Nasenrachenraum, wie auch der Unterleibs- organe. Wie wir uns diese Zusammenhänge zu erklären haben, ist im Einzelfalle nicht immer vollkommen klarzulegen. In vielen Fällen aber scheinen gewisse Zirkulationsstörungen die Mittelrolle zu spielen. Bei genaueren Beobachtungen konnte jedenfalls nachgewiesen werden, daß bei einer plötzlichen Abkühlung der Füße beinahe schlagartig größere Mengen des zirkulierenden Blutes in die Adern des kleinen Beckens gepreßt werden, so daß in den dort lagernden Organen, insbesondere also der Gebärmutter, mehr oder weniger starke Blutungen auftreten können. Umgekehrt ist beobachtet worden, daß fast im Augenblick der Abkühlung der Füße gleichzeitig auch eine Abkühlung der Temperatur im Gehörgang und in der Nasenhöhle erfolgt, wohl als Folge einer reflektorischen Zusammenziehung der Blutgefäße dieser Organe. Die Folge davon kann eine verminderte Abwehr gegenüber Infektionen sein. Ein jeder trachte also mit allen Mitteln danach, seine Füße auch im Winter stets warm zu halten, sei es durch warmes Schuh- und Strumpfwerk, sei es durch Reibungen und Wechselbäder der Füße.
Aerger und Eallerkblase
Häufig hört man die Meinung äußern, daß der Aerger sich leicht auf die Leber oder Galle lege, und wenn jemand gallig wird, so meint man damit auch nicht gerade ein freundliches, sondern umgekehrt ein ärgerliches ooer zorniges Verhalten eines Menschen. Daß es sich dabei nicht nur um eine Fabel handelt, geht am besten aus genaueren experimentellen Beobachtungen hervor, die vor einiger Zeit im Rahmen von Suggestionsversuchen durchgeführt wurden. Hierbei wurde mit Hilfe einer in den Zwölffingerdarm eingeführten Sonde die jeweilig ausströ- mende Gallenmenge gemessen. Es, zeigte sich dabei, daß sowohl Freude wie auch Trauer und Angst einen fördernden Einfluß auf die Galle ausübten, während umgekehrt für die Dauer des Aer- gers der Eallenfluß ganz oder doch wenigestns fast ganz aufgehoben ist. Wahrscheinlich liegt die Ursache m gewissen Krampfzuständen im Bereich der Eaitenwege, wie wir ja auch wissen, daß Gallensteinleidende gar nicht so selten ein größeres Aerger- nis mit einem Anfall quittieren. Die oft gehörte Redensart, daß Aerger gallig und vorzeitig alt mache, findet somit doch eine oe- roisse experimentelle Bestätigung.
„Ach, Frau Pfundig, es ist wirklich nicht so einfach, mit dem Kind auf dem Arm einholen zu gehen!"
„Aber Frau Müller, lassen Sie doch den Bubi bei uns, da ist er gut aufgehoben!"
„Na, Bubi, gefällt's Dir bei uns?" „Fein, Tante Pfundig — so reiten Soldaten!"
die
- — — und recht vielen Dank, Frau Pfundig, so nett wie Sie sollten alle Leute >m Hause sein!"
Hausgemeinschaft
Böse Nachbar'n — böse Zungen — oft von Komikern besungen — sollten, wie wir heut' empfinden, aus dem Alltag bald verschwinden!
Vielmehr ruft uns heut' das Lebeu zu gemeinschaftlichem Streben — zum Verständnis und zur Tatkraft und zur wahren Kameradschaft!
Denke stets, daß Hilfsbereitschaft rechten Rat zur rechten Zeit schafft!