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8. Seite — Rr. 20
Nagolder TagSlatt »Der Gesellschafter"
Mittwoch, den 24. Januar 1948
Ein Lked kommt aus die Mett
Anekdotische Erzählung von Elisabeth Heinsick
NSK. Müde und träge schleppten sich die grauen Herbsttage durch die schwäbische Landschaft, die sonst im strahlenden Sonnenschein mit ihren tiefgrünen Wäldern und schimmernden Auen wie ein Kronjuwel unter den deutschen Gauen aufleuchtete. Schon seit dem frühen Morgen peitschte ein unwirtlicher Regen durch die Straßen Tübingens und ließ selbst die träumenden Winkel und Gassen der Stadt »icht verschont, so daß man nur ungern den Fuß vor die Liir setzte und lieber ein paar Scheite Holz in den Kamin varf, um im wilden Tanz der auflodernden Flammen den lebensmüden Alltag zu vergessen.
In einer kleinen Wohnung, engbrüstig und schmal, schritt »er junge Musikdirektor der Universität gedankenvoll hin und her, die Hände auf dem Rücken gefaltet und den Kopf auf die Brust gesenkt, als hielte er stille Zwiesprache mit seiner Seele. Er fühlte sich unbehaglich in dieser Sradt, die ihn mit ihrer Enge fast erdrückte und keinen freien Schaffensdrang aufkommen ließ. Er war ein Naturkind und von Jugend auf gewöhnt, durch die romantischen Weingärten seines Heimatortes zu streifen, wo der Himmel näher war als die Erde und das geheimnisvolle Rauschen des Waldes eindringlich die Sprache Gottes redete. Wäre nicht sein Bruder gewesen, er — Friedrich Silcher — hätte mit seinem menschenscheuen und weltabgekehrtsn Wesen niemals diesen ehrenvollen Posten in dieser Stadt angenommen. Nun aber mußte er durchhalten, so schwer es ihm auch fiel.
Langsam lenkte er die Schritte zum Fenster, wo der mißlaunige Wind soeben eine ganze Regengarbe gegen die Scheiben warf, so daß die Tropfen ängstlich an den Scheiben haften blieben und dann langsam wie Tränen herabrannen. Da sah er draußen ein Stück Papier haltlos hin und her flattern, wie ein verirrtes Kind, das seinen Weg verloren. Fast ängstlich versuchte es sich an die schützende Mauer zu drücken, aber selbst diese stieß es unwirsch zurück, bis der Wind es wieder im tollen Wirbel emportrieb, fast über die Giebel der Dächer, so daß es taumelnd weiterflatterte.
Unwillkürlich öffnete Silcher das Fenster, als wollte er diesem schutzlosen Kind zu Hilfe kommen. Sofort fuhr ihm der Sturm unwirsch in die Arme und riß ihm fast den Flügel aus der Hand, während das vergilbte Blatt sich hilfesuchend in die trauliche Stille des Zimmers rettete, um dann kraftlos und müde zu Boden zu sinken.
Nachdem Silcher das Fenster wieder geschlossen, hob er das nasse Papier auf. Es war ein vergilbter Zettel, von flüchtigen Zeilen eng beschrieben, die aber der Regen inzwischen verwischt und fast unleserlich gemacht hatte. Silcher schritt zum Schreibtisch und entzündete die Lampe. Dann versuchte er den Text zu entziffern. Nur mit Mühe gelang es ihm, die ersten Zeilen zu lesen:
- „Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite In gleichem Schritt und Tritt."
Die weiteren Strophen blieben unleserlich. Nur der Name des Verfassers leuchtete am Schluß noch auf: Ludwig Uhland, der Dichtersohn Tübingens.
Ein jäher Schmerz durchzuckte des Komponisten Herz. Er mußte an einen Jugendfreund denken, der ihm stets am nächsten gestanden, und den bereits die Mutter Erde wieder in ihre liebenden Arme zurückgenommen hatte, als wäre er nicht für diese Welt bestimmt gewesen. Er sah in Gedanken feinen Heimatort Schnait und den kleinen Gottesacker mit dem niedrigen Grabhügel, unter dem der Freund nach kurzem Erdenwallen von seinen Schmerzen ausruhte, während in den dichten Kronen der Bäume ihm die Vögel des Waldes den Grabgesang in die Stille des sinkenden Abends schenkten. Warum war er so früh von ihm gegangen, er, den er am innigsten von allen Menschen geliebt und der ihn am besten verstanden hatte? Seine Seele erzitterte in dem Gedanken, und seine Hände glitten wie suchend über die Tasten des nahestehenden Klaviers, als wollten sie den Weg zu ihm zurückfinden. Und während die Saiten schmerzlich aufklangen, formten sich die Töne zu einer Melodie, wehmütig und klagend, aber doch gefaßt, zu einem letzten Gruß an den teuren Freund. - - -
Ruhelos schritt die Zeit weiter, wie der nimmermüde Pendel einer großen Uhr Eines Tages traf Silcher mit Ludwig Uhland zusammen und erzählte ihm das seltsame Erlebnis, wobei er gleichzeitig um die anderen Strophen dieses Liedes bat. Der Dichter schenkte anfangs dieser Sache wenig Interesse, hatten sich doch bereits genug andere Komponisten an dem Gedicht versucht. Als er jedoch von dem Begleitumstand hörte, der dem zungen Musikdirektor die Musik dazu schenkt, wurde er nachdenklich.
Mehrere Wochen später klopfte es an Silchers Tür, und Ludwig Uhland trat ein. Der Komponist war über diese Ehre hocherfreut und wollte die Melodie sofort Vorspielen, aber der Dichter wehrte ab Man setzte sich an den Schreib
tisch und Uhland erzählte, wie er zu diesem Poem gekommen sei. Er hatte als Student den Dichter und Herausgeber des Rheinischen Hausfreundes", Johann Peter Hebel, kennengelernt und war von diesem um ein Gedicht für sein Sechskreuzerblatt gebeten worden. So entstanden diese schlichten Reime. Aber durch die Unruhe jener Zeiten gingen die Zeilen verloren, und es kam zu keinem Abdruck. Erst Justi- nus Kerner veröffentlichte sie erstmals in einem literarischen Almanach.
Als Uhland geendet, schritt Silcher zum Klavier. Langsam glitten die schmalen Finger über die gelben Elfenbeintasten, und leise klang die Melodie vom guten Kameraden auf, getragen wie von leichten Engelshänden, die unsichtbar durch den kleinen Raum schwebten. Als er geendet, nickte Uhland stumm mit dem Kopf. Dann meinte er: „Wenn wir zwei längst nicht mehr sind, dieses Lied wird bleiben, wird immer wieder gesungen und gespielt werden!".
Randleisten
Von Felix Joseph Klein Du lebst nur halb, wenn du viel zu „erleben" trachtest.
Dankbarkeit zahlt Wucherzinsen.
Die schlimmsten Sklavenketten klirren kaum vernehmbar. Der Schnurrbart hat es beim Kahlkopf am besten Nur was fest steht, kann zur Höhe drängen..
Porzellan, das man zerschlagen will, braucht man nicht erst abzustauben.
Wer kennt Worte mit „Tchnee---?
Rasche Entdeckungsfahrt durch verschneite Gefilde — Naturwunder» durch die Schneebrille gesehen
Frau Holle beweist wieder einmal, Latz ihre Federbetten schadhaft sind und lägt die Flocken fliegen. Weiß und dicht liegt die Schneedecke über der Erde. Tausend Dinge gibt es, denen der Schnee seinen Namen gegeben hat und die uns längst zu feststehenden Begriffen geworden sind. Da sind zunächst die Tiere. Ein ziemlich unscheinbarer Käfer, der sich besonders gern auf den Blättern des Schneeballstrauches tummelt, hat sich den Namen Schneeball-Käfer zugelegi. Im hohen Norden Europas, Asiens und Amerikas lebt die Schnee-Eule, deren weißes, dunkler geflecktes Gefieder mit zunehmendem Alter immer weißer wird. Im Winter taucht sie gelegentlich sogar im nordöstlichen Deutschland auf. Ebenfalls in den nördlichsten Gebieten der Erde haust die Schneegans, die häufig auch den Namen Wildgans führt. Auch ihr Gefieder ist im Alter schneeweiß. Klein und bescheiden, aber quicklebendig ist dagegen der Schneefloh, ein Urinsekt, das heute nur noch vereinzelt auftaucht. Schneehasen dürfen grundsätzlich nicht mit Skihasen verwechselt werden, obgleich man beide Arten in den Schneegefilden findet, den einen hoppelnd, den anderen auf langen Brettern schwungvoll über die Hänge flitzend. Man kann sie gar nicht alle aufzählen, die „Schneetiere". Die Schneeammer und das Schneehuhn, die Schneekrähe und die Schneemaus, die Schneeziege und die Schneewürmer, die als lange schwarze Trauerprozession über die Schneefelder kriechen — sie alle sind mit der weißen Decke des Winters eng vertraut.
Daneben gibt es die „Flora des Schnees". Schneealgen heißt eine niedere Pflanzenart, Algen, die auf altem Schnee Vorkommen. Man findet sie sowohl in den Alpen wie in den Polargebieten. Der Schneeball freilich hat nur den Namen des Schnees für seine leuchtend weißen Vlütenbälle entlehnt. Wenn sie blühen, ist warmer, leuchtender Sommer und niemand denkt mehr an
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Zeichnung: Archiv Landcsbnnernschaft Württemberg
Schnee und Kälte. Die Schneeblume, auch Schneeslockenvaum genannt, die Schneebeere, ein amerikanischer Zierstrauch, und nicht zu vergessen das Schneeglöckchen, das als erste Blume noch zwischen Eis und Schnee den Frühling einläutet — sie alle tragen mit Stolz ihren winterlichen Namen.
2m Fichtelgebirge, einem der beliebtesten deutschen Wintersportgebiete, liegt zwischen dem Quell-Lauf des Mains und der Eger der Schneeberg mit rund 1000 Meter Höhe. Aber nicht jeder weiß, daß es im ganzen sechs Berge gibt, die den gleichen Namen tragen, der zweite ist ein Bergstock im Süden von Niederösterreich, der dritte erhebt sich in den Vogesen. Der vierte^ der Große Schneeberg, ragt als höchster Punkt des Elatzer Schneegebirges auf, der fünfte, der den Namen Hohor Schneeberg trägt, bietet im böhmischen Elbsandsteingebirge eine großartige Aussicht auf die Sächsische Schweiz. Und der sechste endlich, der Krainer Schneeberg, italienisch Monte Nevoio genannt, bildet mit 1788 Meter die höchste Erhebung des Karstes. Neben diesen sechs Schneebergen aber gibt es noch die Stadt Schneeberg, ein Städtchen mit etwa 10 000 Einwohnern, das unweit Zwickau auf einem Bergrücken des Erzgebirges über dem Schlematal liegt.
Wenn man von „Schneefang" spricht, so ist damit nicht etwa eine Art Jagd oder Schneegewinnung gemeint, vielmehr ein etwa 20 Zentimeter hohes Gitter, das an der Dachtraufe eines Hauses angebracht wird, um das Abrutschen der Schneemassen zu verhindern. Den Schneebesen kennt jede Hausfrau, ebenso wie den „Schnee", den man mit diesem „Besen" säubert — es ist ein vielgebrauchtes Küchengerät, mit dem man Eiweiß schaumig schlägt, bis es wie frischgefallener weißer Schnee aussieht und so zu allerhand Speisen verwendet werden kann.
Eine bekannte Erscheinung beim Wintersport in den Hochgebirgen ist die Schneeblindheit, ein Blendungszustand, der sich bei Wanderungen über blendende Schneefelder infolge Ueber- belichtung der mangelhaft geschützten Augen einstellt. Das „Rotsehen" ist dabei eine bekannte Begleiterscheinung, zu der noch Tränen, Lichtscheu, Rötung der Bindehaut und Schwellung der Lider hinzutretcn. Der Zustand verliert sich meist nach wenigen Tagen, wenn die Augen nicht mehr der blendenden Helle des Schnees ausgesetzt oder entsprechend geschützt werden. Als bester Schutz gegen die Schneeblindheit ist die graue Schutzbrille anzusprechen, die die Blendung entsprechend abdämpft.
Zum Schluß sei in der Reihe der „Schneebegriffe" noch das „Schneekind" erwähnt. Es ist dies ein mittelalterlicher Schwank, ein Stoff, der von lateinischen, altsianzösischen und italienischen Dichtern gestaltet worden ist: Eine Frau bekommt während der Abwesenheit ihres Mannes ein Kind, wobei sie ihm nach seiner Rückkehr cinredet, sie habe, von Sehnsucht nach ihm erfüllt, Schnee gegessen und dadurch das Kind empfangen. Der Mann nickt und nimmt das Schneekind auf. Später nimmt er es auf eine Reise nach dem Süden mit, von der er es nicht zurückbringt. Er sagt , seiner Frau, die Sonne des Südens habe das Schneekind ge- - schmolzen — in Wirklichheit hat er das Kind einem Slaven- hündler verkauft.
Schnee — lauter Schnee. Selbst der Schneekönig müßte sich darüber wundern, wenn er nicht nur ein kleiner Vogel wäre.
Anekdoten
Erzählte Kleinigkeiten
2m alten Rom gefielen sich viele Feldherren in einer Art der Selbstbeweihräucherung, die kaum zu übertrefsen war. Etliche ließen sich sogar bei Lebzeiten ein Denkmal errichten. Solche Sitten gefielen dem unter ihnen lebenden siegreichen Feldherrn, auch als Schriftsteller berühmten Mancus Parcius Lato gar nicht. Er war durch und durch Puritaner. Einmal wurde er gefragt, warum er sich nicht auch ein Denkmal aufstellen lasse, dir es ihm doch bestimmt eher zukomme als so manchem anderen.
Cato erwiderte: „Wenn mich die Leute fragen, warum ich kein Denkmal besitze, so ist mir das bedeutend lieber, als wenn sie mich verwundert fragen, warum ich eins besitze und ich darauf keine Antwort geben kann, ohne zu erröten."
Heinrich IV. besuchte einmal die Stadt Merseburg, wo man im Dom seinen Eegenkönig Rudolf in prächtigster Weise beigesetzt hatte.
Einer seiner Höflinge fragte, ob der König denn dulden wolle, daß auch weiterhin ein Ausrührer mit solchen Ehren begraben liege. Des Königs Antwort lautete: „Man soll ihn ruhig liegen lassen! Ich habe nur den Wunsch, daß alle meine Feinde so ehrenvoll bestattet wären!"
Man erzählt sich von Wahington, daß er sehr ernst gewesen sei und in seinem ganzen Leben keinen Scherz gemacht habe. Einmal aber wich er doch von dieser Gewohnheit ab:
Es war im Kontinentalkongretz und man beriet die Aufstellung einer Bundesarmee. Bei der Besprechung stellte nun ein Mitglied den von pazifistischen Eedankengängen diktierten Antrag, man möge beschließen, daß die Armee niemals stärker als 3000 Mann sein dürfe.
Darauf erhob sich Washington und stellte den Gegenantrag, man möge ein Gesetz erlassen, daß keine feindliche Armee, welche es auch sei, in einer Stärke von mehr als 2000 Mann die Grenze überschreiten dürfe. 2n dem stürmischen Gelächter, das folgte, fiel der ersterwähnte Antrag natürlich glatt unter den Tisch.
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14» „aushellende" Anregungen für Fußgänger:
1. Gehe rechts aus dem Bürgersteig und höchstens zu zweit nebeneinander.
2. Hafte und jage nicht — Ruhe bleibt die „erste Bürgerpflicht"!
3. Gehe nur über den Damm, wenn er völlig frei ist!
4. Hilf alten und gebrechlichen Leuten!
5. Bleibe nicht im Strom der Fußgänger stehen!
6. Rechne mit Borgärten, Briefkästen, Pfählen und Bäumen!
7. Sei vorsichtig, wenn Du mit dem Hund aus di« Straße gehst, damit niemand über die Leine stolpert!
8. Leuchte mit der abgeblcndeten Taschenlampe nur nach unten (nicht in die Augen der Entgegenkommenden!)
S. Wirst Du geblendet, dann geh' besonders vorsichtig weiter!
lü. Gib acht mit Deinem Spazierstock, oder Regenschirm!
„Mutter, rasch Essigsäure Tonerde, ich bin im Dunkeln mit Jemandem zusammengelausen!"
„Warum rennst Du auch immer so, Karl, mit der Ruhe geht's genau so schnell!"
„traurige Geschichte, Vater's Beule, -- »lkig ist bloß, daß so'n alter Herr noch nicht die 10 Gebote für Fußgänger kennt, die unsereiner im Schlaf beherrscht!"
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